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Wie ein Imagefilm Einzelhändlern im Bremer Viertel helfen soll

Neun Läden im Steintor haben sich dem Filmprojekt angeschlossen.

Das Viertel ist der bunte Szene- und Kultur-Treffpunkt der Stadt. Es ist vielfältig und niemals still. Lauter kleine und große Geschäfte, viele davon inhabergeführt. Florian Lüers lebt im Viertel, kauft dort gerne ein, hängt mit seinen Freunden in seiner Freizeit in Bars ab. Der 24-Jährige hat davon gehört, dass der Onlinehandel seit Jahren am Umsatz vieler Geschäfte im Steintor nagt, die Existenz etlicher Läden bedroht. „Wenn jeder nur noch zu Hause sitzt, gibt es das bald nicht mehr", befürchtet Lüers. Deswegen haben sein bester Kumpel, Renè Keding, und er einen knapp sechsminütigen Imagefilm über das Viertel produziert. „Unsere Botschaft ist: Shoppt mehr lokal."

Lüers kennt sich mit Imagefilmen aus. Mit ihnen verdient der selbstständige Videograf unter anderem sein Geld. Der Film über das Viertel sei für beide eine „Herzensangelegenheit" gewesen, sagt Lüers. Schließlich lebt auch Keding, von Beruf Fotograf, im Viertel. Die Kumpels kennen sich seit zwölf Jahren, sind in Weyhe gemeinsam zur Schule gegangen.

Die Idee des Films habe bei den Ladenbesitzern „schnell Anklang gefunden", so Lüers. Neun Geschäfte haben sich dem Projekt angeschlossen. Dazu gehört Möbel Flamme. „Ich fand das Projekt besonders spannend, weil endlich mal alle Händler zusammen an einem Strang ziehen", erklärt Hausleiter Thomas Dannenfeldt. Auch Anna Holzmann, die mit ihrer Schwester Lena das Stilhaus Bremen, ein Bekleidungsgeschäft Am Dobben, leitet, ist begeistert. „Es ist einfach super, dass sich mehrere Geschäfte zusammentun. Wir sind keine Konkurrenz. Jeder hat so seine Kundschaft."

Der Online-Handel kannibalisiert die Einkaufsstraßen

Das Klientel von Stefan Schrader interessiert sich für Schuhe. Ihm gehört im Viertel der Sneakerladen Glückstreter. Auch er hat an dem Filmprojekt teilgenommen, in der Hoffnung, dass das Video zum Nachdenken anregt. Was das Viertel im Gegensatz zum Internet zu bieten hat? Schrader: „Wir haben hier ganz viel Individualität, sind vielfältig, sind Nachbarn und zugänglich."

Der Film erzählt die Geschichte von vier Freunden, die einen Tag im Viertel erleben. Videosequenzen, wie sie sich in den teilnehmen Geschäften beraten lassen, und Interviewszenen mit den Ladenbesitzern wechseln sich ab. Der Aufbau soll aufzeigen, wie bunt und lebendig der Stadtteil ist. 40 Stunden haben Lüers und Keding für den Videoschnitt gebraucht, an zweieinhalb Tagen wurde gedreht.

Dossier:Wie sich das Viertel entwickelt

Die Ladenbesitzer berichten im Film davon, dass der digitale Wandel das Verhalten des Kunden und seine Erwartungen in den letzten Jahren enorm verändert hat. „Sie sind schon anspruchsvoller geworden. Alles muss immer schnell und sofort gehen", sagt Thomas Dannenfeldt von Möbel Flamme. Anna Holzmann vom Stilhaus Bremen wird da deutlicher. „Uns geht es gut. Aber ich denke, dass das Onlinegeschäft sehr viel kaputt macht."

Eine aktuelle Umfrage der Interessengemeinschaft „Das Viertel" (IGV) unter knapp 60 Geschäften untermauert dies nicht. Rund 70 Prozent der Befragten im Viertel seien auf Vorjahresniveau oder besser, sagt IGV-Vorsitzender Norbert Caesar. Er kann die Ängste der Einzelhändler verstehen und bezieht sich auf eine Prognose des Handelsverbands Deutschland (HDE) aus dem Jahr 2017. Demnach könnten durch den Onlinehandel zwischen 2015 und 2020 insgesamt etwa 50.000 Läden verschwinden, große und kleine. Besonders gefährdet seien die Geschäfte bis zu zehn Mitarbeitern. „Würden wir die Zahlen auf das Viertel herunterbrechen, wären rund 30 Läden betroffen." Das Problem: „Diese Betriebe werden dann nicht ersetzt. Das war früher anders", sagt Caesar.

Im Geschäft statt im Internet
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