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Einheitsdenkmal: Die Deutschen und ihr Sonderweg

© dpa Picture Alliance

Von Maria Ugoljew

Heute werden zum Tag des offenen Denkmals deutschlandweit die Türen historischer Bauten und Stätten geöffnet. Rund 1,3 Millionen gibt es in der Republik. Ein Projekt wird allerdings lieber tot diskutiert als gebaut: das Freiheits- und Einheitsdenkmal. Wieso eigentlich?

Lange Zeit schien alles nach Plan zu laufen: 2007 und 2008 sind im Bundestag die beiden Beschlüsse gefällt worden, in Berlin sowie Leipzig ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu errichten. Der 25. Jahrestag des Mauerfalls stand 2014 bevor, da sollte mithilfe der beiden Monumente nach Innen und Außen ein weitreichendes, politisches Statement gesetzt werden. Deutschland - das ist nicht mehr nur Holocaust und Hitler, das ist auch das Land der Freiheit, Einheit und Demokratie. Das Land der Friedlichen Revolution von 1989.

Entwürfe, Baugenehmigungen und Auszeichnungen

Einige Jahre sind seit den Bundestagsbeschlüssen vergangen. Es wurden Wettbewerbe ausgerufen, Entwürfe begutachtet, Bürgerbefragungen (in Leipzig) durchgeführt und Baugenehmigungen (in Berlin) erteilt. Die Einheitsdenkmal-Initiative - mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Bauwesen, Florian Mausbach, dem Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, Günter Nooke, dem letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière, dem Journalisten Jürgen Engert sowie dem Verein Deutsche Gesellschaft - ist 2008 sogar mit dem Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung ausgezeichnet worden. Die Weichen waren also gestellt.

Dann kam Leipzig ins Straucheln. 2014 beschloss der Stadtrat nach langem Streit und juristischen Querelen, das Wettbewerbsverfahren einzustellen. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), der das Denkmal stets befürwortete, ist damals damit zitiert worden, froh über die "Atempause" zu sein.

Auf Leipzig folgt Berlin

Berlin steht nun vor demselben Scherbenhaufen. Im April stoppte der Haushaltsausschuss des Bundestages das Denkmal-Projekt. "Unabsehbare Kostenexplosionen" seien zu erwarten. Daraufhin teilte das mit dem Bau beauftragte Architekturbüro Milla & Partner in einer Pressemitteilung mit: "Der Beschluss (...) überrascht und erschüttert uns." Er sei in keiner Weise nachzuvollziehen und resultiere aus "Fehlinformationen und Polemiken".

Liegt es nun an den Kosten? Oder fehlt es an politischem Willen und Mut? Jenen Gedanken brachte Christoph Stölzl, Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin, jüngst auf einer Podiumsdiskussion ein. Er verglich den Zick-Zack-Kurs des Freiheits- und Einheitsdenkmals mit der Errichtung der Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in Berlin, der Neuen Wache (eingeweiht 1993). Dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl sei das Denkmal "ganz ernst" gewesen, gerade deshalb habe sich die Umsetzung nicht über Jahre hingezogen.

Wozu bauen, wenn doch das Brandenburger Tor schon steht

Zur Podiumsdiskussion hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) geladen. Diejenige, die 2014 noch der festen Überzeugung war, dass der Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin bis 2017 realisiert werde, lässt heute Grundsatzfragen zur "Denkmalkultur in Deutschland" diskutieren: Traut sich das Land positives Erinnern zu? Und passen nationale Denkmalkultur und europäische Einigung zusammen? Neben den vielen Fragen gab es auch einen Vorschlag: Warum nicht das Brandenburger Tor umwidmen. Es sei das Symbol für Einheit, Freiheit und Frieden schlechthin.


Vom Umwidmen hält Siegmund Ehrmann (SPD), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, allerdings nichts. Er fordert, dass das Projekt so realisiert wird, wie es vom Parlament einst beschlossen wurde. Das Denkmäler von nationaler Bedeutung auch längere Prozesse beinhalten, sei nichts Ungewöhnliches. Das Errichten des Holocaust-Mahnmals habe zehn Jahre gedauert. Kontroverse Diskussionen lösten damals nicht zuletzt Form und Größe aus.


Typisch deutsch

Doch Ästhetik hin oder her: Sobald ein Denkmal steht, sei alles eine Frage der Gewöhnung, meinte der australische Historiker Sir Christopher Clark. "Das ist wie bei der Benennung eines Kindes, das Baltazar heißen soll." Die Verwandten mögen darüber bis zur Geburt den Kopf schütteln. Aber "wenn er dann da steht, ist auch alles ok." Das Deutschland über Denkmäler viel diskutiere, überrasche ihn nicht. Bezüglich der historischen Aufarbeitung ginge das Land sowieso einen Sonderweg.


(VÖ 11.9.2016, www.heute.de)

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