1 Abo und 4 Abonnenten
Artikel

Lisa Licentia säte Hass - jetzt richtet er sich gegen sie selbst

Die Youtuberin Lisa Licentia hetzte gegen Linke, Muslime, Ausländer. Dann stieg sie aus der rechtsextremen Szene aus. Doch ungeschehen machen kann sie nichts. Nun wird sie selbst bedroht.

Lisa Licentia sitzt in einem kahlen Raum, niemand soll wissen, wo. Die Kamera läuft, während sie ihre Geschichte erzählt, das Video ist unterlegt mit nachdenklicher Klaviermusik. Die 27-Jährige hat es vor einigen Monaten auf ihrem Youtube-Kanal veröffentlicht.

„Ich hab ganz neue Eindrücke bekommen, online rechter Hetze ausgesetzt zu sein“, sagt sie darin. Morddrohungen habe sie bekommen. Man habe ihr Sachen nach Hause bestellt – bezahlt von ihrem Konto: Bücher, Autoreifen. Postkarten von der rechtsextremen Partei Der Dritte Weg seien im Briefkasten gewesen. Ihre E-Mail-Konten wurden gehackt, auch ihre Cloud mit persönlichen Daten. Nacktbilder von ihr seien im Netz gelandet, Bilder von ihren Kindern. Lisa Licentia blickt zu Boden. „Ja“, sagt sie. „Das passiert mit Menschen, die aussteigen aus der rechten Szene.“

Lisa Licentia ist nicht der echte Name der jungen Frau, so nennt sie sich nur im Netz. Ihren richtigen Nachnamen will sie aus Angst vor Übergriffen nicht in der Zeitung lesen, auch nicht abgekürzt.

Eine Zeit lang war sie das wohl bekannteste weibliche Aushängeschild der extrem rechten Szene im Netz. Ihre Videos, in denen sie gegen den Islam hetzte, erreichten zehntausende Zuschauer. Bekannte Rechtsextreme wie der Anführer der Identitären Bewegung, Martin Sellner, bewarben ihre Beiträge. Die AfD suchte den Kontakt zu ihr. Licentia war das Postergirl einer Szene, in der zwar Männer den Ton angeben, die aber gerne Frauen in die erste Reihe schiebt. Und sie war alles andere als passiv.

Im vergangenen Herbst konnten Fernsehzuschauer in Deutschland miterleben, wie Licentia sich von dieser Szene lossagte. Pro7 strahlte eine Dokumentation aus, in der Licentia vor laufender Kamera in Tränen ausbrach und erklärte, sie wolle das alles nicht mehr.

In dem Film diente Licentia auch als Lockvogel. Sie traf den damaligen Pressesprecher der AfD-Fraktion, der ihr erklärte, man könne Migranten vergasen oder erschießen. Die Aufmerksamkeit war riesig . Und sie erstarb schnell wieder.

Dabei ist die Geschichte von Lisa Licentia mit diesem Film keineswegs vorbei. Denn es ist nicht nur die einer Radikalisierung. Sondern auch eine darüber, was passiert, wenn man versucht, aus der neurechten Szene auszusteigen. Der Hass, den Lisa Licentia geholfen hat zu säen, richtet sich jetzt auch gegen sie selbst.

Lesen Sie weiter mit Tagesspiegel Plus.


Zum Original