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Wie die AfD die anderen Parteien vorführen will


Seit drei Monaten versucht die AfD im Bundestag, "Frau Merkel zu jagen". Ihre Anwesenheit im Parlament stürzt die anderen Parteien in mehrere Dilemmata - bietet aber auch eine Chance. Ein Essay.


Erschienen am 28. Januar 2018


Beatrix von Storch hat eine Frage. Die drahtige AfD-Politikerin im karierten Blazer meldet sich, reckt die Hand in die Höhe, beugt sich auf ihrem blauen Bundestagsstuhl ein bisschen nach vorn. Endlich darf sie reden. „Sind Sie der Ansicht", fragt sie die CDU-Politikerin Nadine Schön, die gerade am Rednerpult steht, „dass bei Minderjährigen, bei denen wir Zweifel haben, diese Minderjährigkeit überprüft werden sollte?" In dem Antrag der AfD, über den an diesem Tag das Plenum diskutiert, wird genau diese Überprüfung des Alters von minderjährigen Flüchtlingen gefordert. „Ja", sagt Schön, die Union sei dieser Ansicht.


Es wird laut in den Reihen der AfD. Storch grinst und applaudiert. Fraktionschefin Alice Weidel ruft: „Dann machen Sie es doch!" Ihr Kollege Alexander Gauland setzt hinzu: „Sie brauchen doch nur zuzustimmen! Mein Gott noch mal! Das ist wieder dieses CDU-Gelabere!" Und Beatrix von Storch fasst kurz darauf nach: „Sie stimmen also unserem Antrag zu?" „Nein", antwortet die CDU-Frau Schön und lächelt freundlich. „Ihr Antrag ist von der Wortwahl und auch vom Inhalt her sehr polemisch." Das Wort „Hilfe" komme überhaupt nicht vor, sagt sie. Es klingt wie eine Ausrede.


Drei Monate ist nun her, da haben die 92 AfD-Abgeordneten zum ersten Mal im Bundestag Platz genommen. Drei Monate, in denen Sätze im Plenarsaal gefallen sind wie „Merkel muss weg" oder „Der Islam ist der Elefant im Raum" . Drei Monate, in denen die Fraktionen zwar Gelegenheit hatten, die Strategie der AfD zu begutachten. In denen sie aber auch gemerkt haben, dass es keine einfache Antwort gibt auf die Frage, wie mit einer rechtspopulistischen Partei im Bundestag umzugehen ist. Leichter wird es künftig nicht werden. Erst recht nicht, wenn die Partei im Falle einer erneuten großen Koalition stärkste Oppositionspartei wird.

Der Titel ihrer Auftritte: Seht, so zeigen wir es denen!

Dabei ist es nicht so, dass die AfD besonders beeindruckende Parlamentsarbeit machen würde. Die Anträge gehen über die AfD-Kernthemen kaum hinaus: dauerhafte Aussetzung des Familiennachzug s, umfassende Grenzkontrollen, die Forderung nach einer Klage gegen den EZB-Anleihenkauf. Manche Reden und Wortbeiträge würden einem Faktencheck nicht standhalten. Und oft muss sich die AfD Kritik für handwerkliche Mängel ihrer Anträge anhören. „Frau Merkel jagen" wollte die Partei im Bundestag. Davon ist noch nichts zu merken.


Was die AfD aber schafft, ist, sich den Bundestag zur Bühne zu machen. Sie inszeniert sich. Mal als einzig wahre Opposition, mal als Partei des einfachen Volkes, mal als Opfer unfairer Ausgrenzung. Es sind immer andere Stücke mit stets der gleichen Botschaft, die die AfD unter der Reichstagskuppel aufführt: Wir zeigen es den anderen! Denen, „die schon länger hier sitzen", wie die AfD es gern formuliert. Die aufgezeichneten Reden verbreiten die AfD und ihre Anhänger im Internet, hunderttausendfach werden sie bei Youtube angesehen, bei Twitter geteilt, auf Facebook geliked. „Bundestag AfD macht Merkel BRUTAL FERTIG", heißt dann ein Video. Oder: „Beatrix von Storch bringt den Bundestag zum Toben". In dieser Gegenöffentlichkeit hat die AfD die Deutungshoheit über das, was im Plenarsaal passiert.

Was soll man dem entgegensetzen? ...


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