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Der Integrationsverweigerer



Seit einem halben Jahr sitzt der Thüringer Jürgen Pohl für die AfD im Bundestag. Seine Fraktion hat das Parlament aufgemischt. Und der politische Alltag ihn. Eine Langzeitbeobachtung.



Von der Decke hängen riesige kreisförmige Kronleuchter, gespeist wird auf dicken, weißen Tischdecken, zwischen den Parlamentariern eilen schwarz befrackte Kellner umher. Der AfD-Politiker Jürgen Pohl hat im Abgeordnetenrestaurant des Bundestages nur eine Flasche Wasser bestellt. Er sitzt mit dem Rücken zu den anderen Parlamentariern. Der 54-Jährige müsste sonst der Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckart beim Mittagessen zusehen. Pohl sitzt inmitten derer, die er verachtet.


Bis hierher war es aus der thüringischen Provinz ein langer Weg. Begonnen hat er vor einem Jahr auf dem Landesparteitag der AfD in Arnstadt. Er wolle Stachel sein, im Fleische der Etablierten - das versprach Pohl den Mitgliedern seiner Partei. Er bewarb sich um einen Platz auf der Landesliste für den Bundestag. Er redete sich in Rage, sein Gesicht war gerötet. Er sprach über den „Kampf ums Vaterland" und rief zum Schluss : „Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten. Vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott." Der Vers ist häufiger bei Pegida zu hören. Pohl hob den Zeigefinger. „Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk. Dann gnade euch Gott!"


Pohl verabscheute die Politik und die Menschen, die sie machen. Von sich selbst erwartete er dagegen viel. Jetzt sitzen der Jurist und seine 91 Fraktionskollegen seit einem halben Jahr im Parlament. Pohl stellt Anfragen, hält Reden und nutzt den Fahrdienst des Bundestages. „Stachel sein" und im gleichen Restaurant sitzen, gegen das System hetzen und selbst Teil davon sein - das ist ein Spagat. „Ein System lässt sich nun einmal nur von innen heraus verändern", sagt Pohl. Doch wie verändert er den Bundestag? Und wie verändert der Bundestag ihn?


„Wir werden sie jagen", rief der künftige Fraktionschef Alexander Gauland noch am Abend der Bundestagswahl. Einen Monat später steht Pohl erst mal etwas unschlüssig im Flur eines Bundestagsgebäudes herum. Im Parlament sehen sich die Rechtspopulisten mit einem banalen Problem konfrontiert: Platzmangel. An einem sonnigen Tag im Oktober dürfen sie ihre vorläufigen Büros beziehen. Die Verwaltung hat der Fraktion das Gebäude in der Dorotheenstraße 93 zugeteilt, ein neoklassizistischer Bau unweit des Reichstages, ehemals ein Erweiterungsbau des Reichsinnenministeriums, gebaut 1937. „Ausgerechnet", sagen sie bei der AfD. Dort müssen sich mehrere Abgeordnete und ihre Mitarbeiter Büros teilen.


Auch Pohl fragt sich, wie man hier arbeiten soll. „Wir AfDler sind mit dem Selbstbewusstsein hier angetreten, Deutschland zu verändern", wird er später sagen. „Der Arbeitswille ist groß - aber wenn Büros fehlen und Computer, ist das erst einmal schwierig." Vom Jagen kann keine Rede sein.


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