Demografischer Wandel und Stadtplanung – THEMA 07/18 EWIG JUNG
Ein typischer Anblick in einer mittleren oder großen Stadt in Deutschland: Straßen mit Autos vollgestopft, viel zu enge, zudem zugeparkte Bürgersteige, auf dem sich kaum entspannt gehen und noch weniger sicher Radfahren lässt und dazu wenig einladende Stadtzentren mit spärlichen Sitzmöglichkeiten. Junge Menschen auf dem Weg zur Arbeit drängen sich gestresst durch den Verkehr, ältere bleiben oft gleich ganz zu Hause oder im Altenheim – gutes Stadtleben sieht anders aus.
Der demografische Wandel ist Realität, die Menschen werden immer
älter. Um das Jahr 2035 werden womöglich 60 % der Bevölkerung über 60
Jahre alt sein. Gleichzeitig gibt es immer mehr „gesunde Alte“ in Rente
oder im Minijob, die noch am Leben teilnehmen können und wollen. So kann
sich die Zeit ab 60 zu einem Lebensabschnitt entwickeln, auf den man
sich freut und der mit Leben gefüllt ist, mit Engagement, Kultur, Sport,
Kommunikation, Lehren und Lernen – sofern die Bedingungen stimmen.
Die
Frage, wie und wo wir miteinander leben wollen war schon immer
elementar, wird angesichts des demografischen Wandels jedoch drängender.
Dienen Städte eigentlich den Bedürfnissen von jungen und alten
Menschen? Oder verkommen Städte zu Konsumeinheiten, in denen der Dialog
zwischen den Generationen gar nicht vorgesehen ist, in denen Senioren
auf ‚Abstellgleisen‘ geparkt werden?
Städteplanung orientiert
sich oft an den Interessen privater Investoren, an wirtschaftlichen
Gesichtspunkten, Rentabilität und Funktionalität. So war die Devise nach
dem zweiten Weltkrieg: Plattenbau und Wohnen auf engstem Raum in
mehreren Stockwerken und alles schön voneinander trennen – Wohngebiete,
Geschäftsgebiete und Freizeitmöglichkeiten als Inseln im Verkehrsmeer.
Und das Altersheim als abgetrenntes Universum.
Das Ergebnis
dieser pragmatischen Stadtentwicklungspolitik sehen wir heute vielfach:
Überteure Wohlstandsinselns auf der einen und Ghettobildung auf der
anderen Seite, eine Verkehrsübermacht und Betonwüsten. Und gerade einmal
zwei Prozent aller Wohnungen in Deutschland sind altersgerecht.
Die
Bedürfnisse der Älteren kommen in der Stadtentwicklung kaum vor,
scheinen mitunter lästig angesichts der ihnen unterstellten
Unproduktivität. Das haben auch einige Architekten seit den 70er Jahren
erkannt, die einen Gegentrend schaffen wollen – zur sozialen und
nachhaltigen Stadtentwicklung. So ist etwa der dänische Architekt und
Städteplaner Jan Gehl überzeugt, dass das Zeitalter des motorisierten
Individualverkehrs zu Ende geht und die Stadt der Zukunft den Fußgängern
und Radfahrern gehören muss – mit „Begegnungszonen“ und an
Nachbarschaften ausgerichteten Vierteln in kleinem Maßstab, in denen
alles fußläufig erreichbar ist. In Kopenhagen, bekannt als eine der
lebenswertesten Städte Europas, wurde dies bereits erfolgreich
angegangen.
Die Möglichkeit zum Generationendialog ist auch eine
wichtige Säule der Demokratie. „Wollen wir uns einmal ausmalen, was
passierte, wenn Jung und Alt in Deutschland richtig entdecken, was sie
gemeinsam möglich machen können?“ fragte Bundespräsident Horst Köhler.
„Ich möchte, dass die Erfahrung und die Gelassenheit der Älteren eine
Verbindung eingehen mit dem Ungestüm und der Neugier der Jugend.“ So
reagiert auch die Bundesregierung auf den demografischen Wandel und
entwickelte etwa das Netzwerkprogramm „Engagierte Stadt“ um lokales
Engagement systematisch zu fördern. Doch ein gemeinsames Engagement von
Jung und Alt funktioniert nur mit einer Stadtplanung, die weniger auf
repräsentative Prestige-Architektur fokussiert ist, als darauf, das gute
Leben der Menschen zu unterstützen. Begegnung kann nur dort
stattfinden, wo konsumfreie Räume geschaffen werden, die zum Verweilen
und kommunizieren einladen, wo sich Stadtplanung an den Bedürfnissen der
Menschen orientiert. Dazu gehören auch scheinbar kleine Dinge wie etwa
saubere, kostenfreie öffentliche Toiletten, barrierefreie Gehwege ohne
Stolperfallen, ausreichend lange Ampelphasen, unverbindliche
Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum und barrierefreie und günstige,
oder gar kostenlose Bus- und Bahnangebote.
Einer Stadt, in der
die Alten und Junge gleichermaßen gerne leben und sich niemand durch
andere Generationen gestört, sondern vielmehr bereichert fühlt, in dem
die Menschen bis ins hohe Alter mobil sein können – am Ende profitieren
davon alle Menschen, nicht zuletzt, weil die Jungen von Heute die Alten
von Morgen sind.
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