Besonders an den Pranger gestellt wurde die serbische Super League durch einen Jahresbericht der Spielergewerkschaft FIFPro.
Dieser dreht sich vor allem um globale Arbeitsbedingungen im
Fußballgeschäft und ist das Resultat einer Datenaushebung, die in 53
Ländern durchgeführt wurde.
Moderner Menschenhandel
Betrachtet man die Transferbilanz der serbischen Liga wird schnell klar, dass die Super League ganz klar eine Exportliga ist. Die Transfereinnahmen sind um ein vielfaches höher als die Ausgaben. Von Spanien über die Türkei, Deutschland, Dänemark bis hin zu Wechseln nach Kasachstan ist alles zu finden. Allerdings passieren diese Transfers laut dem FIFPro-Report größtenteils nicht aus dem eigenen Willen des Spielers. 82 Prozent der Spieler werden von ihrem Berater oder einer Drittpartei bei einem nicht-ablösefreien Wechsel unter Druck gesetzt.
96 Prozent der Spieler aus der serbischen Super League landen nach einem Wechsel, bei dem eine Ablöse floss, zudem nicht beim Verein ihrer Wahl. Moderner Menschenhandel also, bei dem der Spieler als „Ware“ keinen Einfluss auf seinen eigenen Transfer hat.
Ebenso auffällig ist, dass 40 Prozent der befragten Spieler angegeben haben, aus der Schweizer Super League gegen ihre Interessen transferiert worden zu sein. Das sind immerhin zwei von fünf Spielern.
Schlechte Bezahlung
Ein weiteres Problem das hier einher geht ist, dass 5,3 Prozent der Spieler keinen schriftlichen Vertrag besitzen. In Österreich sind dies 0,7 Prozent, der Europa-Schnitt liegt bei 3,3 Prozent. Rechnet man diese Quote auf die Gesamtzahl der serbischen Erstliga-Spieler hoch, handelt es sich hierbei um ungefähr 25 Profis. Acht Prozent der Spieler haben zudem keine Kopie ihres Vertrages. Vor allem wenn es zu rechtlichen Fragestellungen kommt, gibt es für den Spieler kaum eine Argumentationsgrundlage oder eine Möglichkeit zur raschen und unkomplizierten Einsichtnahme.
Die Spielerverträge sind zudem mit oft sehr geringen Gehältern dotiert. Die Vorstellung vom reichen Profifußballer, der mehrere Luxusautos und ein Immobilien-Baron ist, trifft für den klassischen Fußballprofi in Serbien definitiv nicht zu. 64,6 Prozent der Spieler - und das sind beinahe zwei Drittel aller Profis - verdienen im Monat, laut dem FIFPro-Report, weniger als 1000 US-Dollar. Obwohl die Mehrheit der Spieler ohnehin schon wenig verdient, kommt es auch bei zwei Drittel der Spieler zu Verspätungen bei der Gehaltsüberweisung. Interessanterweise gibt es die Zahlungsprobleme fast ausschließlich bei den weniger gut verdienenden Profis.
Junger Österreicher mittendrin
Der einzige Österreicher, der derzeit in der serbischen Super League aktiv ist, ist Kenan Muslimovic. Der 19-Jährige spielt seit Sommer für den FK Novi Pazar, stand zwar öfters im Matchkader, wartet aber noch auf sein Debüt. In seiner Jugend spielte Muslimovic unter anderem für die Admira, die Vienna und Austria Wien. Einen Vergleich zwischen dem Fußball in Österreich und in Serbien hat er schnell gezogen: "In Österreich sind die finanziellen Grundlagen besser und stabiler, wie auch die Organisation. In Serbien gibt es Profi-Spieler die zwei bis drei Monate kein Gehalt bekommen und trotzdem spielen."
Auch Muslimovic selbst war davon schon betroffen, wie er in unserer Konversation erzählt: "Bei mir persönlich kam es ein paar Mal zu spät, aber das Geld habe ich bekommen. Ich kenne Fälle die deswegen vor Gericht gelandet sind."
Auswirkungen noch nicht absehbar
Vor Gericht könnte es dann unter anderem zu einer Vertragsauflösung kommen. Bis zu 70 Prozent der Spieler könnten dies im Zug der Bezahlungskrise womöglich tun, um anschließend als ablösefreie Spieler einen neuen Verein zu suchen. Des einen Leid ist des anderen Freud. So versucht der FC Sydney aus Australien genau diese Krise zu nutzen, um eventuell einen neuen (ablösefreien) Innenverteidiger zu verpflichten.
Sollte hier eine Vertragsauflösungswelle auftreten, könnte dies auch die Transferperiode in Österreich beeinflussen. Wohl um Massen-Vertragsauflösungen zu verhindern, erhöhte nun der serbische Verband die Gebühren für Spieler bei einem Verfahren gegen einen Club. In den letzten zwei Jahren landeten rund 250 Spieler mit ihren Klagen gegen Clubs vor Gericht. Aleksandar Stanislavljevic wechselte erst im letzten Winter aus der serbischen Liga nach Griechenland und kennt diese Probleme. Der Ex-Serbien-Legionär meint dazu: "Es wird zwar viel versprochen aber im Endeffekt nicht alles ausbezahlt. Es sind die vier größten Vereine in Serbien die die Mittel haben zu bezahlen. Das sind Roter Stern, Partizan, Vojvodina Novi Sad und Cukaricki, aber auch dort sehr verspätet. So in der Regel wartet man zwei Monate auf das Gehalt, aber dann zahlen die Vereine, denn sonst klagt jeder Spieler."
Neben diesen negativen und teilweise richtiggehend skandalösen Aspekten die der FIFPro-Bericht hervorbrachte, gibt es aber auch einen Lichtblick: Die medizinische Versorgung in Serbien wird von den Spielern durchaus geschätzt und ist in den Bewertungen überraschenderweise sogar die viertbeste in Europa.
Wettbetrug und Einzeltraining
Die anscheinend gute medizinische Betreuung ist nur ein kleiner Lichtblick im Dunkel des serbischen Fußballs. So wurden etwa sechs Prozent der Spieler bereits von Wettbetrügern angesprochen – die Dunkelziffer dürfte sogar noch viel höher liegen. Neun Prozent mussten in ihrer Karriere in Serbien bereits alleine trainieren und lediglich 15 Prozent kommen auf die staatlichen Vorgaben für den jährlichen Urlaub. 23 Prozent bekommen sogar nur weniger als zehn bezahlte Urlaubstage.
Stanislavljevic befand sich nicht unter diesen sechs Prozent, wie er erzählt: "Zum Thema Manipulation kann ich nicht viel sagen, ich hatte Gott sei Dank nie etwas damit zu tun und gesprochen wird viel darüber, aber dass ich eine direkt miterlebt hätte? NIE. Ich habe darüber gelesen, aber so richtig glauben kann ich das nicht."
Transferboykott als Konsequenz
Für die FIFPro war das alles Grund genug um zu einem Transferboykott in die serbische Liga aufzurufen und eine Transferwarnung für die Transferperiode (in Serbien vom 23. Jänner bis zum 17. Februar) auszusprechen.
Neu ist dies allerdings nicht, denn schon im Dezember 2014 sprach die FIFPro in Kooperation mit der serbischen Fußballergewerkschaft Nezavisnost eine solche Warnung aus. Auch Kenan Muslimovic rät von einem Serbien-Wechsel im Moment ab: "Ich würde davon abraten, denn junge Spieler haben dort nichts zu suchen. Keine Zukunft, kein vernünftiges Gehalt. Ich habe den Fehler gemacht und wollte es in Serbien ausprobieren, ging aber komplett in die Hose.Die Jungen werden überhaupt nicht beachtet."
Muslimovic selbst besitzt in Serbien noch einen Vertrag bis zum Saisonende. Verlängern wird er diesen nicht. Der Offensivspieler absolviert gerade ein Probetraining in der zweiten Mannschaft von Hertha Berlin, traf gleich bei seinem Testspiel-Einsatz und überzeugte. Ob ihn sein Verein aber tatsächlich gehen lässt, ist unklar. Dies könnte auch seinen Wechsel verzögern: "Wie es aussieht wird Novi Pazar mich nicht ziehen lassen, dann erst im Sommer." Doch da gäbe es ja auch für den (Noch)-Serbien-Legionär die Hintertür eine Vertragsauflösung anzustreben, um dann ablösefrei in eine erfolgreichere und sicherere Zukunft zu starten.
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