Marcel Braune

Redakteur, Journalist, Reporter, Berlin

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WELT: Wie Jürgen Klopp seinen Erfolg finanziell vergoldet

Von Marcel Braune und Lukas Dombrowski


Wer am Wochenende Bundesliga im Fernsehen schaut, begegnet oft einem Trainer, der gar nicht mehr in Deutschland arbeitet: Jürgen Klopp (53). In den Werbepausen hält er den Kopf hin - für die Kampagnen von Finanzberatern, Autoherstellern oder TV-Sender "Sky". Sechs persönliche Werbepartner hat der Liverpool-Coach aktuell, darunter auch eine Brauerei, einen Sportartikel-Hersteller und eine Fußball-Manager-App.
Nie war das Werbegesicht Klopp gefragter als jetzt - auch, weil er selbst nie erfolgreicher war. Mit den "Reds" gewann er die Champions League und die englische Meisterschaft. Schon jetzt ist er eine Klub-Legende, wird gefeiert für seine mitreißende, offene Art, die deutsche Fans schon aus Mainz und Dortmund kennen.
Das lohnt sich für Klopp. Neben den geschätzten 18 Millionen Euro Gehalt, die er laut BILD von Arbeitgeber Liverpool brutto bekommt, soll Klopp nach Infos des französischen Fachmagazins "France Football" etwa 7,5 Millionen Euro für seine Werbeverträge kassieren. Kein Trainer verdient auf diesem Gebiet mehr! Und nach SPORT BILD-Informationen soll dieses Jahr zur EM mit "Snickers" ein siebter Sponsorenvertrag hinzukommen.
Dabei fing die Werbefigur Klopp klein an. Nachdem er 2001 als Trainer bei Zweitligist Mainz übernommen hatte, waren seine ersten Werbepartner die Sponsoren des Klubs. Wettanbieter "Oddset" oder das örtliche "Hilton" Hotel durften ihre Logos auf seinen Trainingsanzügen und Regenjacken platzieren.
Der erste persönliche Deal kam mit dem damaligen Mainz-Manager Christian Heidel (57) zustande. Dieser führte gleichzeitig das Mainzer BMW-Autohaus "Karell". Dort durfte sich Klopp einen Dienstwagen aussuchen - und schlug selbst vor, im Gegenzug einen "Karell"-Aufnäher zu tragen. Die Wahl fiel auf einen BMW 3er Touring, der damals rund 30 000 Euro wert war. Eine Annehmlichkeit zuzüglich des Trainergehalts in Höhe von 240 000 Euro brutto im Jahr.
Spätestens mit seinem Job als ZDF-Experte bei der WM 2006 wurde Klopp deutschlandweit bekannt und beliebt. Folge: Er warb unter anderem für den Schoko-Riegel "Kinder Country", Autos von "Seat" oder "Mitsubishi", Kleber von "Pattex" und "Philips"-Rasierer. Sein Freund Heidel erklärt den Klopp-Erfolg so: "Wer es im Fußball zu etwas gebracht hat, polarisiert heutzutage meistens. Jürgen hat es geschafft, dass es bei ihm nicht so ist."
Seit Jahren müssen sich Firmen absprechen, damit ihre Klopp-Kampagnen nicht gleichzeitig laufen. Klopps Berater Marc Kosicke lehnt mehr Anfragen ab, als er annehmen kann. "Wir haben entschieden, dass Jürgen für, Made in Germany' steht", erklärt Kosicke seine heutigen Auswahlkriterien: "Wir haben es geschafft, dass es alles deutsche Unternehmen sind, für die er wirbt." Abgesehen vom britischen Sender "Sky", der laut Kosicke "durch die lange Geschichte als Bundesliga-Rechteinhaber gefühlt ein deutsches Unternehmen" sei.
Die zweite Ausnahme wird - sollte der Deal demnächst perfekt gemacht werden - der auch in Deutschland jahrelang bekannte "Snickers"-Riegel von der US-Firma "Mars Incorporated" sein. Was Kosicke noch wichtig ist: "Das sind vor allem Partner, die lange im Sport unterwegs sind."
2020 widmete sich Klopp als neues Gesicht für "Erdinger" Weißbier erstmals explizit auch dem englischen Markt. Der TV-Werbespot und die Aufnahmen für Plakate und Anzeigen wurden in einem Pub an der berühmten "Penny Lane" in Liverpool produziert. Klopp sprach eine Variante auf Englisch, eine auf Deutsch ein. Für die Werbepartner hält er einen Tag und in der Regel rund sechs Stunden frei. Kosicke erklärt: "Uns ist wichtig, dass die handelnden Personen wissen, dass Jürgen in erster Linie Fußballtrainer ist und dass alles dem unterzuordnen ist."
Auch bei der sonstigen Außendarstellung gibt es Grenzen. So ist Klopp in den sozialen Netzwerken überhaupt nicht vertreten. Seit Amtsübernahme in Liverpool 2015 tauchte er nur einmal als Gast einer TV-Show auf. Im September 2016 war er als Experte in der Sky-Sendung "Monday Night Football". Der "Graham Norton Show" sagte er nach dem Champions-League-Sieg 2019 ab. In der bekannten Talkshow der BBC sind sonst Gäste wie die Top-Schauspieler Tom Hanks (64) oder Will Smith (52) zu Gast.
Eine Ausnahme war ein Auftritt im Oktober in der irischen Radio-Sendung "The Last Word". Dort sprach Klopp mit Liverpool-Fan Sean Cox (55), der 2018 an Liverpools Anfield Road von AS-Rom-Fans attackiert worden war und seitdem schwere Hirnschäden hat. Ansonsten beschränkt sich Klopp meist auf Pressekonferenzen, verabredete Interviews oder klubeigene Events.
Oft bekommen die "Reds" Anfragen für Dokumentationen mit dem Blick hinter die Kulissen, wie es sie schon über die Rivalen Manchester City oder Tottenham gibt. Doch Klopp schließt das aus - verbunden mit einer Drohung: Als Salzburg-Trainer Jesse Marsch (47) 2019 große Aufmerksamkeit für seine Halbzeitansprache beim dramatischen 3:4 in Liverpool bekam, sagte Klopp: "Wenn unser Klub-TV ein Video von mir in dieser Situation veröffentlichen würde, würde ich den Klub verlassen." In dieser Hinsicht kennt Klopp keine Verwandten!
So bleibt es vor allem bei Werbe-Deals. Die bringen nicht nur Klopp viel Geld. Auch das Image der Firmen gewinnt. Denn Klopps Außenwirkung ist messbar. Laut Marktforschungsinstitut "IRIS" finden 90 Prozent der deutschen Fußballfans Klopp sympathisch.
Und nach einer Umfrage der britischen Tageszeitung "Times" vertrauen die Briten ihm sogar mehr als der Queen! Bei der Frage "Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gut taugt diese Person als Anführer?" erhielt Klopp eine Wertung von 6,98. Nur Winston Churchill (7,82), Nelson Mandela (7,73) und Neuseelands Regierungschefin Jacinda Ardern (7,36) waren besser. Klopp lag unter anderem vor Queen Elizabeth II, (6,62), Ex-Premierministerin Margaret Thatcher (6,34) oder dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden (5,11).
Schwächen scheinen die Engländer an Klopp nicht zu erkennen. Seit Oktober hat der Deutsche sogar einen eigenen Charakter in der Satire-Show "Spitting Image". Dort werden Promis als Puppen gezeigt und verspottet. Klopps überzeichnetes Markenzeichen: Er sieht in allem das Positive.
Und er denkt an seine Mitmenschen! Klopp ist Teil der Initiative "Common Goal", bei der Spieler und Trainer ein Prozent ihres Bruttogehalts spenden. Das macht bei Klopp rund 180 000 Euro pro Jahr, die in seinem Fall an gemeinnützige Projekte in Erfurt, Liverpool und Kapstadt gehen. Eins hat sich bei ihm nie verändert - er ist trotz aller Erfolge einfach ein guter Typ.
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