Ausverkauft! Das meldete das Open Source nur einen Tag vor Festivalbeginn. 5000 Leute sollen sich an diesem äußerst sonnigen Samstag auf dem Gelände der Galopprennbahn in Grafenberg tummeln. Wir erreichen das Gelände gegen 14 Uhr und verschaffen uns erst einmal einen Überblick: Vegane und normale Essensstände in Hülle und Fülle, drei Bühnen, Bierstände sowie natürlich die Open Squares, bei denen sich verschiedenste kreative Projekte präsentieren.
Wir begeben uns aber erst einmal zur Main Stage, auf denen gerade Sex in Paris, Texas spielen. Sie tragen beschwingte Balladen in deutscher Sprache vor, und die ersten Leute breiten sich auf dem Rasen vor der Bühne aus, um der Kombo entspannt zu lauschen und das Wetter zu genießen.
Für uns als nächstes auf dem Plan: Shipwrecks auf der Young Talent Stage, die uns von Freunden schon beim Einlass empfohlen wurden. Ihr verspielter, langsamer Postrock trumpft mit hohen Gitarren auf. Dazu gesellen sich seltene Ausbrüche: Am besten sind sie in diesen Momenten und klingen dabei beinahe monumental. Der Gig, der immer mehr Leute vor den Bühnencontainer lockt, hat den Charakter eines intimen Wohnzimmerkonzerts. Wie im Postrock üblich, sprengen sie die 3-Minuten Grenze nicht nur einmal. Die Band fokussiert sich ganz auf das leidenschaftliche Gitarrenspiel und kommt daher auch wunderbar ohne Gesang aus. Insgesamt ein gelungener Auftritt, bei dem man sich mehr dieser Ausbrüche gewünscht hatte.
Als nächstes Robbing Millions auf der Hauptbühne. Ihr funkiger Indie-Pop geht direkt in Mark und Bein über und animiert die ersten Zuschauer zum Tanzen. Nicht nur klanglich, sondern auch optisch fällt die Band auf, wie unser Nachbar anmerkt: "Der ganz rechts sieht abgefahren aus!". Die Ausbrüche, die bei Shipwrecks eher die Seltenheit darstellten, kriegen wir hier zuhauf geboten. Die Stimme des Sängers zieht schnell in seinen Bann und die eingängigen Songs wissen durchaus zu begeistern. Jetzt schweben die ersten obligatorischen Seifenblasen über das Gelände. Die dürfen natürlich auf keinem Festival fehlen!
Nach dem Auftritt wollen wir das Angebot der Open Squares genauer unter die Lupe nehmen. Den Anfang machen dabei für uns die Konsolenkinder. Die waren mit zahlreichen Retro-Konsolen wie NES, Atari und Sega Mega Drive vor Ort und luden zum Spielen ein. So konnte man stilecht sein Können unter anderem bei Pacman, Donkey Kong, Pong, Space Invaders, Mortal Kombat und Mario unter Beweis stellen. So hat Marc die ein oder andere Lektion in Sachen Pong von Fotograf Marco einstecken müssen. Dafür konnte er dann im Singleplayer von Pacman und Donkey Kong auftrumpfen. Die Konsolenkinder veranstalten regelmäßig Konsolenabende in der Derendorfer Location Butze, bei dem auch die Besucher dazu eingeladen sind, Konsolen und Spiele mitzubringen. Die Bandbreite der Daddelkisten erstreckt sich dabei von C64 bis hin zu moderneren Konsolen wie dem Gamecube. Manchmal holen die Konsolenkinder auch Chiptune-Acts, die das Thema dann musikalisch angehen. Da werden wir in Zukunft wohl mal selber aufkreuzen.
Das Publikum des zehnten Open Source ist ziemlich gemischt: Da ist das musikverliebte Pärchen, kleine Familien, deren Kinder mal mehr, mal weniger fachgerecht mit Hörschutz ausgestattet sind, Schüler, die auch endlich mal ein Festival besuchen wollen, der Indie-Fan und alternative Studenten, die einfach eine gute Zeit haben wollen. Gar nicht zu sehen: Das anstrengende Krawallpublikum, das nur da ist, um sich möglichst daneben zu benehmen. Vielleicht liegt das ja an der Natur von 1-Tages-Festivals, trotzdem fällt uns die friedlich-entspannte Menge sehr positiv auf. Es herrscht eine idyllische Atmosphäre, was vor allem an der liebevollen Aufmachung (Open Squares und Young Talent Stage), der Kulisse und dem ausgeglichenem Publikum liegt.
Nach unserer kleinen Anspielsession begeben wir uns abermals zur Hauptbühne, auf der Lokalheld Stefan Honig mit seiner gleichnamigen Band HONIG sein über eine Stunde dauerndes Set zum Besten gibt. Das besteht aus vielen Popsongs, die ihren ganz eigenen Charme besitzen. Im Mittelpunkt steht die gefühlvolle, berührende Stimme des Singer-Songwriters, der sie früher in Metal- und Hardcorebands einsetzte. Trotz kleiner Gitarre ein großer Auftritt des Düsseldorfers.
Die Band mit dem bescheuertsten Namen im Line Up steht in den Startlöchern: Kakkmaddafakka. Die norwegische Indie-Pop-Formation um Sänger Axel Vindenes überzeugt das mittlerweile immer zahlreichere Publikum im Handumdrehen. Ihre Songs laden förmlich dazu ein, wild herumzuspringen. Kein Wunder, dass zwei Aufblas-Einhörner zu den Liedern um die Wette headbangen. Auch das erste Konfetti wirbelt umher und unterstreicht somit passend den Party-Charakter der Band aus Bergen. Wir haben von der Tribüne nicht nur einen perfekten Überblick über das Geschehen vor und auf der Bühne, sondern auch hinter der Bühne. Da erblicken wir Golfer, die in der Nachmittagssonne unbeeindruckt vom Geschehen ihre Löcher spielen. Außerdem Schwalben, die umherfliegen und immer wieder zu ihren Nestern oberhalb der Tribüne zurückkehren. Und in weiter Ferne ein einsames Haus, das zusammen mit dem Festivaltreiben ein ungemein pittoreskes Bild abgibt. Die 2004 gegründete Band spielt ihre Hits "Is She" und "Your Girl" und bezieht das Publikum stets mit ein: Ob nun Chöre nachgesungen werden oder die Zuschauer erst in die Hocke gehen sollen, um dann zum Beat hochzuspringen - die Truppe hat die Anwesenden mit ihren Gute-Laune-Songs stets im Griff. Gegen Ende des Sets covern sie sogar einen absoluten Hit der 90er: "Bailando" von Loona! Spätestens jetzt gibt es kein Halten mehr. Die Menge tobt vor Freude. Ein Partygig neigt sich dem Ende und wir machen uns auf den Weg zu den Essensständen, um uns zu stärken.
Nach einer Pommes und einer Currywurst zu moderaten Festivalpreisen (6,50 €) zieht es uns abermals zu den Open Squares. Dort entdecken wir nicht nur Vinyls, sondern auch Schalen aus ebendiesen, hochprozentiges Düsselwasser, einen Stand zum New Fall Festival und Beatsketch, dessen wummernde Bässe uns angelockt haben. Dort lassen sich intuitiv Beats basteln: Man wählt aus verschiedenen Genres und Sets und kann dann ganz nach Belieben verschiedenste Stücke bauen. Ein großer Spaß! Ich bin mir sicher, mein Scooter-Song wird das nächste große Ding.
Zurück zur Tribüne: Davor machen sich gerade Death Cab For Cutie bereit, die Menge mit ihrem rockigen Indie ordentlich durchzumischen. Kurios: Uns fällt auf, dass einer der Hauptsponsoren in der Jubiläumsausgabe Dr. Martens sind, die mit dem Hashtag #standforsomething auf sich aufmerksam machen und sonst eher selten als Sponsoren auftreten. In einer Halle neben der Hauptbühne konnte man auch individualisierte Doc Martens kaufen. Doch zurück zur Musik: Death Cab ist mit Abstand die rockigste Band des Tages. Ihre Songs entfalten eine regelrechte Sogwirkung, die es leicht macht, alles um einen herum auszublenden. Sie spielen langsame melancholische Nummern, die zu Herzen gehen. In ihrer anderthalb stündigen Show rocken sie quer durch ihre acht Studioalben. Sänger Ben Gibbard, der mal mit der bezaubernden Zooey Deschanel verheiratet war, versteht es, das Publikum zu fesseln. Die 1997 gegründete Band aus Bellingham wurde in Deutschland vor allem durch O. C. California bekannt, da Serienfigur Seth Fan der Gruppe ist. Highlights der Setlist sind die Singles "The New Year " und "Soul Meets Body".
Sträflich vernachlässigt haben wir bislang die Carhartt WIP Stage, auf der es deutlich elektronischer zugeht als auf den anderen Bühnen. Dort spielen unter anderem Ivory Clay, die mit ihren basslastigen Jazz eine sphärische Wirkung entfalten. Auch das Set von Future Brown wabert zielsicher in die Füße der Anwesenden, die zum Genremix aus House, EDM und Dancehall tanzen. Unsere Sache ist das ganze allerdings nicht und wir stürmen wieder zur Hauptbühne, wo Headliner Metronomy wartet.
Die warten mit dem fettesten Sound auf und erreichen allein schon dadurch die ungeteilte Aufmerksamkeit der Besucher. Für ihren Indie mit starken Electro-Einschlag gibt es tosenden Applaus. Songs wie "Love Letters" Und "The Bay" überzeugen auf Anhieb. Die treibenden Beats passen gut zur Lichtshow, die sich im mittlerweile dunklen Düsseldorf voll entfalten kann. 22:40 Uhr. Sänger, Gitarrist und Keyboarder Joseph Mount setzt zum Über-Hit an: "The Look". Gänsehaut. Die Stimmung ist ausgelassen und nach knapp vier Minuten gibt es verdienten, langen Applaus. Was uns auffällt: Dem 1999 gegründeten Vierer gelingt ein äußerst guter Wechsel zwischen lauten und leisen Elementen. Damit wir uns nicht in den allerletzten Shuttlebus quetschen müssen, können wir leider nicht das gesamte Set erleben, sind uns aber sicher, dass auch der Rest auf einem ähnlich hohen Niveau war. Ein langer Festivaltag geht zu Ende und wir fahren mit einem breiten Grinsen Richtung Heimat.
Ein großes Lob gilt den Veranstaltern des Open Source, die es auch in der zehnten Ausgabe perfekt verstanden haben, ein Musikfest abseits des Mainstreams zu bieten. Wir freuen uns schon auf die elfte Ausgabe!
(Marc Braun)
Web: Open Source Festival
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