Tobi Rauh, besser bekannt unter dem Namen seiner Bühnenfigur Tobi Katze, redet über das, worüber die Gesellschaft nur allzu gerne schweigt: Psychische Krankheiten, genauer, Depression. Dass er das Düsseldorfer Zakk ausverkauft, damit hat er bestimmt nicht gerechnet.
Der Roman „Morgen ist leider auch noch ein Tag“, aus dem Katze heute liest, ist sehr persönlich, die Handlung jedoch erfunden. Das gibt ihm Raum, einen selbstironischen Blick auf die Krankheit zu werfen. Es zeigt, wie man umgehen kann mit Depressionen zu leben. Und darüber auch mal lachen zu können. Denn Depression ist nicht gleich Traurigkeit. Das betont der 34-Jährige gerne und es trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Depression bedeutet das ständige Gefühl innerer Leere, die Abwesenheit von Antrieb, der Interessensverlust und machmal sogar Suizidgedanken, um nur ein paar Symptome zu nennen. Wie so ein Tag mit der Krankheit aussehen kann, beschreibt er wie folgt: Du liegst im Bett, kommst nicht raus und fühlst dich scheiße. Dadurch, dass du dich nicht aufraffen kannst, und unproduktiv bist, fühlst du dich noch schlechter: Ein Teufelskreis.
Zu Anfang fragt er ins Publikum, wer das Buch denn gelesen hat: Einige wenige zeigen auf und Katze fragt sichtlich überrascht, warum die anderen denn überhaupt gekommen sind. Da hat der Gute wohl vergessen, dass ihn die meisten durch seinen Stern-Blog „dasgegenteilvontraurig“ kennen dürften, in dem es natürlich ebenso um Depressionen geht. Mit gekonnter Erzählerstimme spricht Katze von seiner Erfahrung mit Depressionen: Da fängt das Problem schon an, wenn man beim Hausarzt an einen Psychologen überwiesen wird, aber sich auch erstmal dazu aufraffen muss, da auch wirklich hinzugehen. Immer wenn er sagt, dass es sich um ein psychisches Problem handelt, betont er stets das Wort „psychisch“, um nochmal zu unterstreichen, wie ungewöhnlich das für Außenstehende klingen muss. Als sei man verrückt. Auch das Wort fällt an diesem Abend häufig: „Verrückt“. So fühlt er sich nämlich mit seiner Erkrankung. Da kommt es in seiner Antriebslosigkeit auch mal dazu, dass er im Bett isst, sodass sich die benutzten Teller stapeln und er ausschließlich raus geht, um einzukaufen. Da macht er nicht einmal Halt in der Küche. Er vegetiert im Bett vor sich hin. Die Art, das aber in Wort zu hüllen, sorgt im Publikum immer wieder für Lacher.
Auf die Frage, warum er die Handlung nicht autobiografisch dargestellt hat, sagt er im Gespräch mit Coolibri: „Es ist keine Autobiografie, ganz klar. Ich hatte nie vor, mich nackig zu machen. Öffentlich einen Seelenstrip hinzulegen, bringt keinem was. Ich habe versucht, Depression so zu schildern, wie sie ist. Ich heiße ja auch nicht wirklich Tobi Katze, sondern das ist meine Bühnenfigur. Ich hab versucht, das Ganze einen Schritt weiter zu denken.“
Nach einer 20-mintütigen Pause fährt der Kabarettist fort und spricht von seinem Therapeuten. Passend dazu fragt er, wer in der Menge denn in Therapie sei: Gut ein Drittel hebt die Hand. Sein Therapeut und Tobi, das ist so eine Sache: Denn der Therapeut stellt nur allzu gern bedeutungsschwangere Fragen wie: „Wie fühlen SIE sich denn dabei?“, „Welches Thema haben SIE denn mitgebracht?“ Die Arschloch-Krankheit, wie er sie gerne nennt, schafft es sogar, dass er nur ab und zu duschen geht, weil man es halt so macht. Nicht weil er das Bedürfnis dazu verspürt. Als er dann auf das Thema Familie überschwenkt, erntet er wieder viele Lacher. Denn sein Vater entgegnet auf sein Geständnis, Depressionen zu haben, lakonisch, dass er immer um den Block geht und frische Luft schnappt, wenn er traurig ist. Auch die Schwester ist enttäuscht, dass es sich bei dem Geständnis nicht etwa ums Schwulsein, sondern um eine psychische Krankheit handelt. Als ihm die Freunde eröffnen, dass sie seinen Mut bewundern, dazu zu stehen, entkleidet er die Lächerlichkeit dieser Aussage, indem er betont: Ein Mann mit gebrochenem Bein werde ja auch nicht dafür bewundert, zu seinem Bruch zu stehen.
Als Tobi auf Antidepressiva eingestellt wird, teilt ihm der Arzt mit, dass es das mit dem Alkohol nun auch vorbei sein müsse. Denn Tabletten und Alkohol vertragen sich natürlich nicht. Das stimmt Tobi missmutig, kennt man ihn doch auch als „Tobi mit seinem Bier“. Der Alkohol verrichtet bei ihm gute Dienste: So sorgt er dafür, dass die Sorgen leichter scheinen, sich die Gespräche spannender gestalten, ihn sozialer werden lassen und ihn so von seiner Depression ablenken. Nach langem Anstarren der Medikamente und wochenlanger Verweigerung probiert er es dann doch und stellt fest: Selbst nach drei Minuten ist keine Wirkung festzustellen, eine Frechheit! Nach etwa anderthalb Stunden kündigt Katze seinen letzten Text an und merkt an, dass er keine Zugaben gibt. Also noch einmal horchen und lachen, einmal noch einen Einblick in dieses komplexe Krankheitsbild bekommen und ihn bei seiner Mission beobachten, das gesellschaftliche Stigma der Depression zu bekämpfen.
„Darf man über Depression lachen? Nein. Man muss.“ resümiert es Katze am Schluss seiner Lesung, ganz wie Nico Semsrott das auch immer wieder betont. Nach einer vollends gelungenen Lesung und mit dem Gefühl, die Krankheit etwas greifbarer gemacht zu haben, schickt uns Katze in die Winternacht.
(Marc Braun)