Marc R. Hofmann

Redakteur & Reporter, Berlin

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Junger Ahrensburger weist Wege aus der Finanzkrise

Sascha Bützer bei seinem Vortrag in Göteborg Foto: Tony Halldin

Sascha Bützer berät den Internationalen Währungsfonds. Bei einem "TEDx-Talk" in Göteborg präsentierte er seine Ideen.

Ahrensburg. Sascha Bützer wuchs in Ahrensburg auf. Von Geburt an lebte er hier, spielte an der Stormarnschule im Sinfonierochester und leistete nach dem Abitur im Jahr 2005 seinen Zivildienst an der Grundschule in Bargfeld-Stegen. Seither hat sich sein Leben rasant verändert. Zum Bachelor-Studium der Volkswirtschaftslehre verschlug es ihn erst nach Konstanz am Bodensee, anschließend erwarb er zwei Master-Abschlüsse an Universitäten im kanadischen Vancouver und im spanischen Barcelona.

Durch die Initiative TED werden gute Ideen verbreitet

Nach einem Aufenthalt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) bereitet er nun von der Deutschen Bundesbank aus Stellungnahmen für den Internationalen Währungsfonds vor, promoviert parallel an der Universität München in Makroökonomie. Kürzlich sprach er in Göteborg bei einem "TEDx-Talk" über Möglichkeiten, die Finanzkrise zu überwinden.

"TED ist eine 1984 ins Leben gerufene Initiative mit dem Ziel, originelle Ideen zu verbreiten und den Austausch von Menschen aus unterschiedlichen Fachgebieten zu fördern", sagt Sascha Bützer. Seitdem Videos der Vorträge online gestellt werden, hat das Konzept an Popularität gewonnen. So verzeichnet die Website mittlerweile weltweit mehr als eine Million Besuche pro Tag. Der Name beziehe sich auf die Themen der Konferenz, die ursprünglich aus den Bereichen Technologie (T), Unterhaltung (Entertainment, E) und Design (D) kamen. Sie wird seit 1990 jährlich abgehalten. "Eine TEDx-Konferenz ist an deren Konzept angelehnt, wird aber von lokalen Organisatoren auf der ganzen Welt veranstaltet", sagt der 30-Jährige. Darunter auch in Hamburg.

Für ihren Vortrag haben die Experten 15 Minuten Zeit

"Der Grundgedanke ist, dass Experten oder bekannte Persönlichkeiten interessante Ideen und Erkenntnisse aus ihrem Fachgebiet in etwa 15 Minuten allgemeinverständlich vorstellen und zum Nachdenken anregen". Dabei gehe es auch immer darum, die Welt ein Stückchen besser zu machen. In Göteborg traten neben dem Ökonomen Bützer eine schwedische Cellistin auf, die trotz Asperger-Syndrom erfolgreich im London Philharmonic Orchestra spielt. Und zwei Studenten, die der amerikanischen Weltraumbehörde NASA Fehler in der Berechnung des Luftwiderstands nachwiesen.

"Die Veranstaltung ist öffentlich. Jeder, der inspirierende Vorträge hören möchte, kann die Konferenz besuchen", sagt der Ahrensburger. Selbst einen Vortrag zu halten ist hingegen nicht selbstverständlich. Er habe auf einer Tagung der Asiatischen Entwicklungsbank eine andere Teilnehmerin kennen gelernt und von seinem Buchprojekt zur Finanzkrise erzählt. Sie sei begeistert gewesen und habe daraufhin den Kontakt zu den Veranstaltern in Schweden hergestellt.

Ein Rhetorik-Coach half bei der Vorbereitung

"So ein komplexes Thema verständlich und in kurzer Zeit darzustellen, ist eine Herausforderung", gesteht er. Jeder Teilnehmer habe deswegen einen Rhetorik-Coach an die Seite gestellt bekommen und seinen Vortrag bis ins Detail eingeübt. "Zuletzt habe ich in der Schulzeit etwas Wort für Wort auswendig gelernt", sagt Bützer. Das sei bei TED-Talks allerdings üblich, da angesichts der Zeitbeschränkung jede Betonung, Pause und Pointe sitzen müsse.

"Aber das war es wert. Nicht zuletzt ist ohne Notizen der Kontakt zu den Zuschauern viel intensiver", beschreibt der Ökonom seine Erlebnisse. Hinterher habe sich beim Kaffee eine richtige Schlange gebildet, viele der Anwesenden hätten große Neugier an der Funktionsweise von Zentralbank und Geldsystem gezeigt. "Das war ein bisschen wie an der Uni, wenn die Studenten nach der Vorlesung nach vorn gehen, und dem Professor noch vertiefende Fragen stellen."

Die Kreditvergabe ist in den vergangenen Jahren kaum gestiegen

Ziel des Ahrensburgers war es zu erklären, wie Geld entsteht und in den Wirtschaftskreislauf gelangt. Das klingt erst einmal sehr theoretisch, "darin verbirgt sich jedoch ein möglicher Ausweg aus der Finanzkrise", wie Bützer sagt. "Im Gegensatz zur landläufigen Meinung kann die Zentralbank kein Geld schaffen oder drucken. Sie kann nur den Geschäftsbanken Zentralbankgeld zur Verfügung stellen und versuchen, über Zinssenkungen deren Kreditvergabe - und damit die Geldschöpfung - zu steigern."

Doch obwohl sich diese nun immer günstiger bei der EZB refinanzieren können, sei die Kreditvergabe in den vergangenen Jahren kaum gestiegen. "Außerdem ist die Inflation von ihrem mittelfristigen Ziel von knapp zwei Prozent deutlich entfernt", sagt er.

Die Folge sind stagnierende oder gar fallende Preise, die schädlich für die Wirtschaft sind. "Sie halten Firmen und Privathaushalte von Investitionen ab, die auf immer niedrigere Preise warten". Dadurch wachse die Wirtschaft langsamer und es werde schwieriger, private und öffentliche Schulden zu reduzieren. Außerdem verliere die Zentralbank an Einflussmöglichkeiten, da sie die Zinsen nicht weit unter null senken könne. "Sonst weichen Bürger und Banken auf Bargeld aus."

Seine Idee: Die Zentralbank gibt den Haushalten direkt Geld

Der Vorschlag des Ahrensburgers: "Theoretisch könnte die EZB direkte Geld-Transfers an die Haushalte vornehmen, damit deren Kaufkraft erhöhen." Dies sei möglich, da "die Zentralbank der einzige Akteur im Wirtschaftskreislauf ist, der per Definition nicht insolvent gehen kann."

Warum es bisher nicht versucht wurde, begründet Bützer so: "Wahrscheinlich hat das ordnungspolitische Gründe. Einfach so Geld zu verschenken ist gerade in Deutschland kaum denkbar." Außerdem sehen viele Ökonomen die Politik am Zug, die über höhere Staatsausgaben und niedrigere Steuern die Notwendigkeit für eine lockere Geldpolitik verringern würde. Öffentliche Investitionen in Bildung und Infrastruktur seien im derzeitigen Niedrigzinsumfeld schließlich besonders lohnenswert.

Der Experte fürs Geld kommt gern zurück in die alte Heimat

Das alles seien Ideen, die zum Nachdenken anregen. Genauso, wie viele andere Vorträge auf der Veranstaltung. "In den Pausen hatten wir Redner Gelegenheit, untereinander und auch mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Unter anderem lernte ich einen Dirigenten kennen, bei dem es sich um den Vater der eingangs erwähnten Cellistin mit Asperger-Syndrom handelt, deren Vortrag Bützer besonders interessant fand. "Sie hat erst im Erwachsenenalter verstanden, warum sie auf ihr Umfeld anders wirkt und Probleme hat, Ironie zu verstehen."

Hat Sascha Bützer den Rückweg von Göteborg zu einer Stippvisite in die alte Heimat genutzt? "Das habe leider nicht geschafft." Vor ein paar Monaten war er aber zur Hochzeit eines Schulfreundes hier. Und im vergangenen Jahr zum zehnten Abitur-Jubiläum. "Ahrensburg ist eine tolle Stadt zum Aufwachsen und Wiederkommen."

Der Vortrag von Sascha Bützer ist auf dem Online-Videoportal Youtube abrufbar. Interessierte finden ihn unter folgender Adresse www.youtube.com/watch?v=5YVp6eAXPx0.Vortragssprache ist Englisch. Eine Vielzahl weiterer aufschlussreicher Vorträge gibt es auf der Hauptseite ted.com. Einige davon auch auf Deutsch oder mit deutschen Untertiteln. www.tedxgoteborg.com/spectrum

Marc R. Hofmann

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