Hartlieb ist nicht die Oma der Kinder, sondern lebt in der Pflegeeinrichtung für Senioren im Haus Beerenpfuhl im Berliner Stadtteil Hellersdorf. Im Erdgeschoss befindet sich die Kita mit 22 Kindern.
Die Idee: Senioren und Kinder werden in einem Haus versorgt. Sie spielen, basteln, spazieren und singen gemeinsam. Am Ende gewinnen beide Seiten. Die Betreuung ist Generationen übergreifend - eine Seltenheit in Deutschland. Und nicht vom Staat organisiert, sondern privatwirtschaftlich.
Seit anderthalb Jahren existiert das Haus. Neben der Kita gibt es 13 seniorengerechte Wohnungen, sechs Wohngemeinschaften mit 58 Apartments für pflegebedürftige Senioren, die Tagespflege und die Kurzzeitpflege.Berührungsängste hatte niemand. „Beide Seiten waren neugierig", erzählt Martina Werner vom Träger der Kita Jugendwerk Aufbau Ost. Beim ersten Treffen von Jung und Alt interessierte die Kleinen vor allem eins: Warum sind die Senioren hier? „Wir haben ihnen erklärt, dass das wie ein Kindergarten für ältere Menschen ist", sagt die stellvertretende Kita-Leiterin Kathrin Sobottka.
Mit den Kindern machen sogar so langweilige Dinge wie Essen mehr SpaßFoto: Niels Starnick
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Anschließend wollten sie gemeinsam spazieren gehen. Wie schnell sich die Kinder auf die neue Situation eingelassen hatten, beeindruckte Sobottka: „Einem Kind fiel auf, dass wir unseren üblichen Weg nicht nehmen können, weil es dort eine Treppe gibt." Es komme sogar vor, dass die Kinder die Senioren Opa und Oma nennen.
„Die können gut Lieder singen", findet Matheo (4). Wöchentlich gibt es Aktivitäten, aber vieles passiert spontan. An einem heißen Sommertag sind die Kinder durch den Rasensprenger gehüpft. „Die Senioren sind zu den Kindern gegangen und haben einfach mitgeplanscht", erzählt der Pflegedienstleiter Oliver Danz.
Der freie Träger Pflegewohnzentrum Kaulsdorf-Nord hat schon 2012 erkannt, dass das Konzept aus Pflege mit eigenem Zuhause und Kita erfolgsversprechend ist. „Weil es mehr Nachfragen dafür gibt, haben wir eine andere Versorgungsform geschaffen", sagt Herbert Großmann vom Pflegewohnzentrum. Bereits vor Baubeginn waren die Wohnungen vermietet.Auch in der Kita geht das Konzept auf: Über einen Betreuungsplatz freuten sich zu Beginn vor allem Eltern, die froh waren, überhaupt einen Kita-Platz für ihr Kind bekommen zu haben. „Jetzt kommen die Eltern aber gezielt zu uns", weiß Sobottka. Ungefähr 100 Kinder stehen derzeit auf der Warteliste der Kindertagesstätte.
Mensch, ärger dich nicht Opi!Foto: Niels StarnickDas Kinderlachen wirkt bei Manfred Hill (75) besser als jede Tablette: „Wenn ich aus meinem Fenster gucke und sehe, wie die Kinder spielen, motiviert mich das. Ich kann dann meine Schmerzen vergessen."
Die Kinder bewirken viel bei den pflegebedürftigen Menschen. „Die Senioren öffnen sich und entdecken ihren Selbstwert wieder, weil sie von den Kindern gebraucht werden", sagt Herbert Großmann vom Pflegewohnzentrum Kaulsdorf-Nord.
Heute werden Blumenwiesen gebastelt. Marion Hedtke (61) hilft dem kleinen Ariyan, als er Probleme mit dem Kleber hat. Hedtke leidet unter frontotemporaler Demenz und ist selbst schon Oma. „Mit den Kindern fühlt man sich nicht einsam", sagt sie.
Inzwischen hat es Gerda Hartlieb geschafft, Larissa und Ariyan ins Bett zu bringen. Die Kinder lauschen gespannt der Geschichte, die ihnen die 89-Jährige vorliest. Bereits nach wenigen Minuten können die Kinder ihre Augen nicht mehr aufhalten. Vielleicht träumen sie jetzt von ihrem Tag mit ihren älteren Spielkameraden.