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„Als ich die Tür öffnete, lagen meine Eltern tot am Boden" - WELT

Seit ungefähr 13 Jahren wütet die islamistische Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria. Allein im vergangen Jahr starben 7774 Menschen bei Anschlägen durch die Terroristen. Zwei der Opfer waren die Eltern von dem 16-jährigen Isa Bunu.

Es war ein typischer Sommertag im Juni 2014, der für Isa und seine Familie alles verändern sollte. Seine Eltern arbeiteten auf einer Farm, er selbst besuchte die Schule in Gwoza Guuoza in der Region Borno im Nordosten von Nigeria. Im Norden des Landes leben hauptsächlich Muslime, im Süden mehrheitlich Christen. Boko Haram, was in der dortigen Sprache Haussa so viel bedeutet wie „moderne Bildung ist Sünde", will in Nord-Nigeria einen islamistischen Gottesstaat errichten. Und das mit aller Gewalt. Deshalb treffen die terroristischen Attentate in Nigeria überwiegend Muslime.

Bildung, das ist dem Jungen Isa wichtig, wie auch an jenem Tag. Er saß gerade im Unterricht, als er und seine Klassenkameraden plötzlich Schüsse hörten. Isas Lehrer gab sofort die Anweisung: „Lauft nach Hause zu euren Eltern." Die Jungs ließen all ihre Sachen liegen, rannten panisch raus. Isa lief so schnell er konnte nach Hause. „Als ich die Tür öffnete, lagen meine Mutter und mein Vater tot am Boden", erzählt er mit leiser Stimme. Er war zu spät. Die Terroristen hatten seine Eltern erschossen. Zeit für Trauer um die wichtigsten Menschen in seinem Leben, die er gerade verloren hatte, blieb ihm nicht. Isa rannte zu dem Haus seines Onkels und die beiden flohen gemeinsam in die Berge. Sie hatten Glück: Ein Truck nahmen sie und weitere 38 Menschen in die nächste größere Stadt, Maiduguri, mit.

Mehrere Monate lebten sie dort in einem Flüchtlingslager der Vereinten Nationen. Sein Onkel kehrte zurück nach Gwoza. Doch Isa wollte nicht. Er lebt jetzt in Damaturu bei seinem älteren Bruder, der hier eine Farm hat. Möchte er nicht wieder zur Schule gehen, anstatt auf der Farm seines Bruders zu arbeiten? „Nein, seit dem Anschlag war ich nicht mehr in der Schule", sagt er mit zittriger Stimme und schaut dabei auf den Boden. Allein bei dem Wort Schule scheinen bei ihm jedes Mal die Bilder des Anschlags von jenem Tag im Juni zurückzukommen. Bis heute ist Isa traumatisiert. Eine Rückkehr zur Schule wirkt unmöglich. Sein Schicksal teilt Isa mit tausenden anderen Kindern in Nigeria, deren Eltern von Boko Haram ermordet worden.

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