Pariserinnen tragen ihr Haar im genau richtigen Maß verwuschelt und sind stets mit einem Glas Rotwein in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand unterwegs. Und auch, wenn die Garderobe ausschließlich aus qualitativ hochwertigen Klassikern besteht, verstehen sie es, ihren Trenchcoat und ihr Bretagne-Shirt mit so viel Sexappeal zu tragen, dass ihnen Männer weltweit verfallen.
So weit das Klischee, was den "legendären" Stil der Pariserinnen betrifft. Auch auf den roten Teppichen dieser Welt werden französische Schauspielerinnen wie Marion Cotillard, Astrid Bergès-Frisbey oder Léa Seydoux häufig für ihren "unaufgeregten", natürlichen Stil bewundert. Aber klar, welche Frau möchte nicht wunderschön aussehen und dabei so wirken, als ob sie nun wirklich Wichtigeres zu tun hat, als sich um ihre Garderobe Gedanken zu machen?
Dass man perfekt dunkelrot geschminkte Lippen allerdings nicht mal eben beim Verlassen der Wohnung vor dem Flurspiegel hinbekommt, weiß eigentlich jede Frau. Genau deshalb darf man von Pariserinnen nicht erwarten, dass sie ehrliche Antworten auf die Frage geben, wie viel Zeit sie denn wirklich vor dem Kleiderschrank verbracht haben.
Niemals die Handtasche dem Outfit anpassenBis jetzt zumindest. Eine neue Stilfibel will nun die letzten Geheimnisse um den Look der Pariserin verraten. Dafür haben sich vier Pariser Freundinnen, beziehungsweise "Stilikonen" zusammengetan: Caroline de Maigret wurde mit großer Nase und Jane-Birkin-Mähne zum erfolgreichen Model und zur Unternehmerin, Sophie Mas ist Film-Produzentin, Audrey Diwan Drehbuchautorin und Anne Berest Schriftstellerin. Blond gesträhnt ist keine der vier Damen - vielmehr verkörpern alle den Frauentyp "fragile Künstlerin".
Und so ist "How to Be Parisian Wherever You are: Love, Style and Bad Habits" weniger als dümmliche Shopping-Anleitung denn intellektuell angehauchte Sammlung von Beobachtungen der vier Freundinnen zu verstehen. Neben der Aufstellung unverzichtbarer Mode-Essentials geht es zum Beispiel auch um den Spagat zwischen Feminismus und Feminität.
In kurzen Geschichten lassen die Autorinnen mal an einem Party-Flirt und dem ersten Date im Café de Flore teilhaben oder geben knackige Tipps, wie Pariserinnen in bestimmen Situationen handeln würden. In "The ABC's of cheating" wird beispielsweise geklärt, wie man einen Seitensprung gekonnt meistert. Außerdem ist zu erfahren, dass es durchaus Klasse hat, an Silvester vor Mitternacht ins Bett zu gehen, dass die Handtasche niemals dem Outfit angepasst werden sollte und dass Männer, die im Restaurant das gleiche Gericht wie man selbst ordern, wohl eher Schafe als ein Alphamännchen sind. Und egal, wie stressig die Vorbereitung für eine Dinnerparty war, wenn die Gäste fragen, war alles natürlich gar kein Problem.
Mehr Schein als Sein?Dass auch der Pariserin ihr scheinbar beneidenswert zwangloser Lifestyle nicht vollkommen mühelos gelingt, findet zum Glück Erwähnung im Ratgeber. Gerade, was den Körperkult der Französinnen betrifft, ist man da doch etwas beruhigt. Die vielen zierliche Gestalten können ja nicht einer ganzen Nation voller guter Genen zu verdanken sein. Die Autorinnen raten vielmehr: "Du bist kein Sklave des Kults um den perfekten Body - also lerne das Beste aus dem zu machen, das die Natur dir gegeben hat".
Was das genau für das tägliche Ernährungs-und Fitnessprogramm zu bedeuten hat, bleibt leider etwas verschwommen dargestellt. Das Kapitel "The 6:00 pm debate - the gym" beschäftigt sich zwar einzig und allein damit, wie die Pariserin immer wieder Ausreden für einen Besuch des Fitnessstudios findet und die Abende lieber mit Freunden und einem Glas Wein verbringt. Wofür die Pariserin aber berühmt ist, nämlich ihre zerbrechliche Eleganz, ist mit allabendlichen Genussgelagen sicherlich nicht zu bewahren.
Ratgeber ohne große ErkenntnisAmüsant ist das alles zu lesen. Wenngleich die Abhandlungen über weiße Hemden und Trenchcoats nicht sehr neu sind - "How to be Parisian wherever you are" reiht sich vielmehr nahtlos ein in eine ganze Reihe recht erfolgreicher Stilratgeber wie "Paris in Style - Der persönliche Fashionguide" von Isabelle Thomas und Frédérique Veysset oder "Pariser Chic - Der Style-Guide" von Inès de la Fressange.
Im Übrigen wird der Rat zu mehr Individualität auch in Lifestyle-Weisheitssammlungen aus anderen europäischen Städten gepredigt. Man denke nur an den Berliner Stil, zumindest für das gleichnamige Buch erschaffen von Angelika Taschen. Als typisch für den Look der deutschen Hauptstadt werden darin Basics wie weiße Blusen dargestellt. Weiterhin ist jeglicher Markenfetisch verpönt, und Vintage muss stets immer irgendwie im Outfit untergebracht werden.
Genau wie in Paris also. Sind sich Deutschland und Frankreich im Herzen doch näher als gedacht? Jedenfalls können sich die Autorinnen von "How to Be Parisian Wherever You are" einen vergleichbaren internationalen Erfolg nur wünschen. Vielleicht klappt das sogar mit den leidlich ironischen Sextipps wie dem folgenden (sowas ist im deutschen Pendant freilich nicht zu finden - da unterscheidet sich die Pariserin dann eben doch von der Berlinerin, die ihre Bücher nach Farben sortiert): "Sei immer bereit für Sex: Sonntagmorgens in der Schlange beim Bäcker, wenn du mitten in der Nacht Champagner kaufst oder sogar, wenn du die Kinder von der Schule abholst. Man weiß nie!"
"How to Be Parisian Wherever You are: Love, Style and Bad Habits" (in englischer Sprache) ist im Doubleday Verlag erschienen und für 18,95 Euro zu haben.