Reisende steigen nicht nur vom IC auf den Fernbus um. Auch der Nahverkehr sorgt sich darum, dass die Busse ihm Kunden abjagen. Brisant: Er ist teils steuerfinanziert.
Die Fernbusse wirbeln den deutschen Verkehrsmarkt auf. Die grünen, blauen, gelben Vehikel zuckeln über die Autobahnen, verbinden Berlin mit Hamburg, Köln mit Frankfurt oder Stuttgart mit München. Damit nehmen sie der Deutschen Bahn im Fernverkehr kräftig Kunden weg. Kürzlich kündigte der Konzern deshalb eine Fernverkehrsoffensive an.
Doch auch die Betreiber von Regionalzügen befürchten, dass die Fernbusse mit ihren Bahnen konkurrieren und ihnen Fahrgäste wegnehmen. Wie eine Umfrage von ZEIT ONLINE bei Eisenbahnunternehmen, Verkehrsverbünden und der Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr (BAG-SPNV) ergab, befürchten diese auf rund einem Dutzend Strecken eine Konkurrenz durch parallel fahrende Fernbusse. Dazu gehören etwa die Verbindungen Rostock-Berlin, Hamburg-Kiel und München-Lindau.
Auch auf anderen Linien halten die Verkehrsverbünde das Problem zumindest für denkbar - etwa auf der Verbindung Siegen-Dortmund -, sehen es dort aber noch nicht. Sie wollen die Fahrgastzahlen daher genau beobachten.
Für einzelne Strecken liegen noch keine belastbaren Zahlen vor, die zeigen, wie groß der Fahrgastrückgang ist. Die Entwicklung ist noch zu frisch. Deswegen ist auch noch nicht klar, welche Einbußen Unternehmen und Bestellerverbände haben. Aber es gibt einige Indizien, die belegen, dass die Furcht der Regionalzug-Betreiber nicht unbegründet ist.
Ticketeinnahmen brechen wegDer Kernbeleg aus Sicht der BAG-SPNV - dem Dachverband der Organisationen, die in Deutschland den Schienenpersonennahverkehr bei Eisenbahnbetreibern bestellen - ist eine Studie des Iges Instituts. Das unabhängige Beratungsunternehmen für Infrastrukturfragen hat herausgefunden, dass rund 14 Prozent der Fernbus-Fahrgäste die jeweilige Strecke früher mit einem Regionalzug gefahren sind.
Zudem hat die Eisenbahngesellschaft agilis für ihr Dieselzugnetz in Oberfranken eine Studie in Auftrag gegeben, die zu dem Schluss kam, die Fernbusse würden den Zügen künftig Kunden abspenstig machen. Ein weiterer Beleg: In Mitteldeutschland will die Deutsche Bahn nach Informationen von ZEIT ONLINE ein neues Tarifsystem einführen, bei dem das Zugfahren günstiger würde. Ein Grund: die Fernbusse.
Diese Entwicklung ist besonders brisant, weil es einen gravierenden Unterschied bei der Finanzierung von Fern- und Nahverkehrsbahnen gibt. Unternehmen wie die Deutsche Bahn betreiben Fernzüge auf eigene Rechnung, Verluste tragen die Anbieter selbst. Der Regionalverkehr wird dagegen zu großen Teilen von den 27 Bestellerorganisationen bezahlt, den sogenannten Aufgabenträgern - eben jenen, die im BAG-SPNV vereint sind. Das sind teils landeseigene Töchter, etwa die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW), teils kommunale Zweckverbände. Sie bestellen die Züge bei Eisenbahnunternehmen und finanzieren diese; das Geld erhalten sie von den Bundesländern, und die wiederum bekommen für die Finanzierung Mittel vom Bund.
Ohne diese Steuerzuschüsse würden in Deutschland wohl nur wenige Regionalzüge fahren, weil der Nahverkehr schlicht nicht rentabel ist. So decken in Bayern die Einnahmen durch Ticketverkäufe nur rund die Hälfte der Kosten. Fahren aber wegen der Fernbus-Konkurrenz weniger Reisende mit Regionalzügen, sinkt dieser sogenannte Kostendeckungsgrad noch weiter.