Mit einem dumpfen Klack schlagen die drei Pfeile kurz nacheinander ein. Sandra Kaplan senkt den Arm und mustert die Dartscheibe, die 2,37 Meter von ihr entfernt an der Wand hängt. Dann winkt sie ab, ihr Gesicht läuft rot an. Nur neun Punkte hat sie geworfen, das ist weit weg von einer 180, der höchsten Wertung, die ein Dartspieler mit drei Würfen erreichen kann. Mark-Oliver Pieck, den alle nur „Mop" rufen, klatscht mit ihr ab und muntert sie auf. „Come on, Sandra."
Kaplan und Pieck sind in der Steeldartmannschaft von Eintracht Frankfurt. Das gemeinsame Match gegen zwei Spieler von „Finigans Light" aus Bornheim ist das letzte der Eintracht an diesem Abend. Verlieren kann die Mannschaft nicht mehr, nach mehr als drei Stunden hat sie sich einen uneinholbaren Vorsprung verschafft. Trotzdem hadert Kaplan. In ihrem einzigen Spiel, einem Doppel, liegt sie 0-2 zurück. Sie nippt an einem Whiskey-Cola und zieht an einer Zigarette. Währenddessen schafft es ihr Mitspieler, den Rückstand zu verkürzen. Richtig freuen kann sich Kaplan darüber nicht.
Durch Zufall dazugekommenDass diesen sportlichen Ehrgeiz viele verstehen, ist unwahrscheinlich. Denn Dart gilt oft nicht als Sport, sondern als Kneipenbeschäftigung. Das „Dart Vader", eine Eckkneipe in Rödelheim, in der die Eintracht ihre Heimspiele austrägt, erfüllt tatsächlich manche Klischees. Zigarettenrauch beißt in der Nase, auf den Tischen stehen große Biergläser. Außer den beiden Mannschaften ist nur eine Handvoll Gäste da, die sich eher für ein Fußballspiel auf dem Fernseher interessieren.
Sandra Kaplan fällt auf. Sie ist, von der Wirtin abgesehen, die einzige Frau in der Kneipe. Ihr langes Haar ist dunkelrot gefärbt, auf dem Unterarm hat sie „Krlighed" tätowiert, das dänische Wort für „Liebe". Fast jeder, der das „Dart Vader" betritt, umarmt sie. Wie alle Teamkollegen trägt sie ein rot-schwarzes Eintracht-Shirt. Die Wand, an der zwei Dartscheiben hängen, ziert ein großes Vereinslogo, an den Wänden hängen Schals und Bilder.
Seit zehn Jahren wirft Kaplan Pfeile auf Dartscheiben. Durch Kneipenabende mit Freunden ist sie auf den Geschmack gekommen. Vor allem, als sie merkte, dass Umstehende vor ihren Würfen keine Angst haben mussten, weil sie Talent hat. Jahrelang spielte sie in verschiedenen Vereinen. Sie ist eine von sehr wenigen Frauen, die sich in der von Männern dominierten Sportart behaupten. „Frauen gehen nicht von sich aus zum Dart", sagt Kaplan. Auch sie sei nur durch Zufall dazugekommen. Bereut hat sie es nie. „Ich fühle mich wohl unter meinen Jungs." Vielleicht liegt das auch daran, dass die Atmosphäre im „Dart Vader" ihrem beruflichen Umfeld ähnelt: Die Einunddreißigjährige umschreibt ihren Job mit „Filialleiterin in der Glücksspielbranche".
Fachsimpeln über die ProfisVor einem Jahr kam Kaplan zur Eintracht, per Facebook hatte der Verein nach talentierten Spielern gesucht. Sie meldete sich und wurde eingeladen, während eines Trainings ihr Können zu zeigen. Mark-Oliver Pieck erinnert sich, dass es „menschlich und sportlich sofort gepasst hat". Dass die neue Mannschaftskameradin eine Frau sei, habe nie eine Rolle gespielt.
Als die Zusage kam, ging für Kaplan ein Traum in Erfüllung. Denn obwohl sie in Franken geboren ist und im Rheingau wohnt, bezeichnet sie Frankfurt als zweite Heimat. Vor allem wegen der Eintracht. Schon als Jugendliche ging sie regelmäßig ins Stadion. Und schon bevor sie im Verein aktiv wurde, war sie Mitglied. Außer im Team der Steeldarter, das in der Oberliga des hessischen Dartverbands spielt, ist Kaplan auch in der Mannschaft der Eintracht, die auf elektronische Scheiben wirft. Dort ist sie sogar Kapitänin.
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