Lukas Scheid

Freier Journalist und Autor, Köln

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Viel Gegenwind für Klöckners Kompromiss

Die Einigung der EU-Agrarminister zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stößt im Bundestag auf reichlich Gegenwind. Nicht nur die Oppositionsparteien kritisieren den Reformvorschlag, auch der Koalitionspartner SPD ist nicht begeistert.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat als Vertreterin der deutschen Ratspräsidentschaft am Mittwochmorgen die Ergebnisse der zähen Verhandlungen mit ihren EU-Amtskollegen präsentiert. Ziel des Treffens war, die Agrarpolitik der EU für die kommenden sieben Jahre in eine Form zu gießen. Wichtigster Faktor dabei ist die angestrebte GAP-Reform. Darin geht es um die Verteilung von 387 Milliarden Euro des EU-Haushaltes für Agrarsubventionen an europäische Landwirte.


In Zusammenhang mit dem sogenannten European Green Deal, mit dem die EU künftig klimafreundlicher werden möchte, sollte auch der Agrarsektor Anreize setzen für eine umweltschonende Landwirtschaft, so zumindest das anvisierte Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft. Das Ergebnis bezeichnete Klöckner als ausbalancierten Kompromiss zwischen Natur-,  Umwelt- und Tierschutz und zu gewährleistender Ernährungssicherheit in Europa.


Besonders hervor hob sie die Einigung auf sogenannte “Eco-Schemes”. Dabei geht es darum, dass Landwirte Subventionen erhalten, wenn sie bestimmte Umweltauflagen einhalten. 20 Prozent der EU-Direktzahlungen an die Länder sollen im Rahmen dieser verpflichtenden Öko-Regeln verteilt werden.


Für die Linksfraktion im Bundestag nicht genug, wie deren agrarpolitische Sprecherin, Kirsten Tackmann, verlauten ließ: “20 Prozent für die Ökologisierung der Landwirtschaft sind zu wenig für die richtigen Weichenstellungen in Richtung nachhaltiger Landwirtschaft, von der man auch leben kann.” Die Einigung der EU-Agrarminister sei bestenfalls ein “Tippelschritt wo mutiges Ausschreiten notwendig wäre”, kritisierte die Bundestagsabgeordnete auch im Hinblick darauf, dass sich das EU-Parlament bereits für Eco-Schemes in Höhe von 30 Prozent verständigt hat. Zwar gehe es nicht nur um die Quantität der Fördermaßnahmen, sondern auch um Qualität, erklärte Tackmann, aber für wirkliche Ökologisierung mit Einkommenswirkung werde sehr viel Geld gebraucht. Zudem müssten die Maßnahmen verpflichtend sein, so die Linken-Politikerin.


Auch die Grünen äußerten sich enttäuscht zu dem von Klöckner initiierten Kompromiss, der laut Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik, weitere sieben Jahre im Rückwärtsgang bedeute. Besonders kritisierte er, dass Agrarsubventionen weiterhin nach Größe der landwirtschaftlichen Betriebe statt nach Gemeinwohlleistung verteilt werden sollen. “Die vorgeschlagenen freiwilligen Eco-Schemes für die Mitgliedstaaten sind ein stumpfes Schwert […]. Julia Klöckner führt mit ihren Vorschlägen die Öffentlichkeit weiter in die Irre und verpasst die Chance, mit einem ambitionierten Vorgehen die GAP zu einem wirkungsvollen Problemlösungsinstrument zu machen und lässt Bäuerinnen und Bauern im Regen stehen”, kommentierte Ostendorff.

Doch nicht nur die Oppositionsparteien im Bundestag übten Kritik, auch der Koalitionspartner SPD bezeichnete das Ergebnis als “zu schwach”. Rainer Spiering, agrarpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, kommentierte, die Neuausrichtung der europäischen Agrarmilliarden sei “ein wichtiger Schlüssel für den dringend benötigten Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft für mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz.” Die Beschlüsse fielen zugunsten großer Agrarkonzerne und zu Lasten der bäuerlichen Landwirtschaft aus, teilte Spiering mit.


Im Interview mit EURACTIV Frankreich spricht der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner darüber, wie „Farm to Fork“ und die neue GAP aussehen sollten.

Die FDP sieht in der Einigung des EU-Agrarrats lediglich einen ersten Schritt, “um in der Gemeinsamen Agrarpolitik weg von Direktzahlungen hin zu einer Vergütung von gesellschaftlichen Umwelt- und Tierschutzleistungen zu kommen”, gab der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Sitta bekannt.

Wirklich zufrieden mit dem Ergebnis der Verhandlung erklärte sich nur die Bundestagsfraktion der CDU/CSU. Der agrarpolitische Sprecher der Albert Stegemann bezeichnete die Einigung als Verhandlungserfolg von Bundesministerin Julia Klöckner: “Unsere Bauernfamilien erhalten in den kommenden sieben Jahren weiterhin eine verlässliche Einkommensstützung. Damit können sie auch künftig ihrer systemrelevanten Kernaufgabe nachgehen, nämlich der Ernährungssicherung für 450 Millionen Europäerinnen und Europäer.”


Auf die Einigung der EU-Landwirtschaftsminister folgt nun der sogenannte Trilog zwischen EU-Rat, Parlament und Kommission. Dabei wird es voraussichtlich abermals darum gehen, Kompromisse zwischen den verschiedenen Positionen zu finden.

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