Arnold Schwab hat ein Stück Technik-Geschichte im Schuppen. Bereits sein Opa destilierte mit der historischen Brennerei. Er zeigt, wie man vor 100 Jahren Schnaps brannte.
Langsam läuft das Destillat in eine kleine, metallene Kanne. Es riecht nach Früchten und Alkohol. Arnold Schwab taucht sein Probierglas in den frisch gebrannten Schnaps, schwenkt und riecht kurz. Dann nimmt der Astheimer einen Schluck. "So langsam kommen die Zwetschgen durch", sagt er. Schon seit gut fünf Stunden steht er in seinem Schuppen – und macht das, was seine Familie bereits seit drei Generationen mit Leidenschaft macht: Arnold Schwab brennt Obstler mit derselben Destille wie schon sein Vater und Großvater vor ihm.
Vielleicht drei Quadratmeter hat der Astheimer Schuppen. In ihm stehen eine Werkbank und große, bauchige Glasflaschen für den fertigen Obstbrand. Am meisten Platz aber nimmt die historische Brennerei am Ende des Raumes ein. Ein Etikette auf ihr verrät: Im Jahr 1920 wurde die Destille hergestellt. "Mein Opa hat sie damals gekauft", sagt Arnold Schwab. Bei seinem Vater lernte er über die Jahre hinweg das Handwerk. Heute, zum 100-jährigen Jubiläum, brennt der 69-Jährige zusammen mit einem Freund, Manfred Rothe aus Nordheim.
Auch nach 100 Jahren: Die Astheimer Destille funktioniertUnd auch nach all den Jahren funktioniert die Destille einwandfrei. In einem hohen, gusseinsernen Ofen – dem Dampferzeuger – knistert ein Feuer. Es erhitzt das Wasser in einem Tank, bis dieses kondensiert. Über eine Leitung gelangt das gasförmige Wasser dann zu einem Kessel. Dort wartet die Obstmaische, das Rohmaterial für den Schnaps. "Wir machen heuer je 60 Liter Kirschen und Zwetschgen", sagt Arnold Schwab, "und 100 Liter Äpfel." Bereits vergangenen Herbst zerstampften sie das Obst und ließen es in Tonnen vorgären.
Der Ofen (rechts) erzeugt Wasserdampf für den Kessel (links). Durch die Hitze löst sich dort der Alkohol aus der Obstmaische und wird gasförmig. Im Kühler (Mitte) kühlt der Alkohol ab und ist nun flüssig. Foto: Lukas KutscheraDurch den heißen Wasserdampf kondensieren im Kessel die flüchtigen Bestandteile der Obstmaische – der Alkohol kristallisiert sich nach und nach heraus. Gasförmig strömt dieser dann über ein Rohr in den Kühler, wo er wieder flüssig wird und langsam in eine Kanne läuft. Während des Brennvorgangs lösen sich mit der Zeit unterschiedliche Stoffe. "Deshalb müssen wir ständig dabeibleiben", sagt Arnold Schwab. Immer wieder riechen und schmecken er und Manfred Rothe – bis sie das sogenannte "Herzstück" erreicht haben.
Feine Geschmacksnerven gefragt: Den richtigen Zeitpunkt rausschmecken"Am Anfang, während des sogenannten 'Vorlaufs', löst sich ungenießbarer Methylalkohol", sagt Manfred Rothe. "Der riecht wie Klebstoff." Durch Riechproben gilt es also abzuwarten, bis sich das Herzstück – der Trinkalkohol – verflüchtigt. Aber auch dann brauchen die beiden den richtigen Riecher und gute Geschmacksnerven: Je nach Obstsorte lösen sich auch die Aromastoffe zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Sie haben es also in der Hand, wie der Obstbrand am Ende schmecken wird. Außerdem wird der Schnaps irgendwann bitter. Dann spricht man vom "Nachlauf".
Manfred Rothe aus Nordheim über das Schnapsbrennen.Es ist genau diese Feinabstimmung, die sie am Destillieren fasziniert. "Wie zum Beispiel Brotbacken oder Schlachten ist auch das Brennen ein Handwerk", sagt Manfred Rothe. "Es geht nur senosorisch, über Anfassen und Probieren." Gerade bei einer alten Destille wie der von Arnold Schwab ist das Brennen eine Wissenschaft für sich. "Aber am Ende ist eigentlich nur Wasser und Dampf", sagt Rothe und lacht.
Manfred Rothe füllt den fertigen Obstbrand in eine Flasche. Aus 220 Liter Maische erhält er am Ende zwölf Liter Schnaps. Foto: Marcel Dinkel Nachhaltigkeit: Brennen, um das Obst zu verwertenAußerdem haben die beiden einen landwirtschaftlichen Hintergrund: Rothe ist Bio-Winzer und Schwab war an der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim. Mittlerweile ist er im Ruhestand. Der Gedanke, ihr Obst so gut es geht zu verwerten, liegt den beiden am Herzen – selbst wenn mit 220 Liter Maische und nach einem Tag brennen nur zwölf Liter Obstler rauskommen. "Es macht auch einfach Spaß", sind sie sich einig. Verkaufen wollen die beiden den Schnaps sowieso nicht.
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