Jahrelang waren Gilmore Girls und Friends meine Go-To-Serien, die einfach immer gingen. Heute sehe ich sie mit anderen Augen und erkenne, wie viel Problematisches in ihnen steckt (and let me tell you, it’s a lot!)
Als ich die Serie Gilmore Girls das erste Mal sah, war ich wohl etwa Dreizehn Jahre alt – auf jeden Fall endlich alt genug, um nicht mehr die nervige Nachmittagsbetreuung in der Schule besuchen zu müssen. Meine frisch gewonnene Freiheit nutzte ich dazu, nach der letzten Stunde schnurstracks nachhause zu laufen, mir ein Essen vom Vortag zu wärmen und mich aufs Sofa zu werfen – meistens gemeinsam mit ein oder zwei meiner besten Freundinnen.
Hach, die 2000er
Wenn wir mal keine Lust auf Singstar hatten (remember Singstar? <3), zappten wir durch die verschiedenen TV-Kanäle und blieben irgendwann bei dieser Serie über ein ständig kafeetrinkendes, viel zu schnell sprechendes Mutter-Tochter-Duo hängen, die gefühlt immer im Nachmittagsprogramm des ORF lief (that is, wenn nicht gerade die hundertste Wiederholung von Malcolm Mittendrin oder Charmed über den Bildschirm flimmerte). Weil es uns halt irgendwie schon interessierte, ob sich die schüchterne, überintelligente Rory letztlich für Bad Boy Jess oder Traumschwiegersohn Dean entscheiden würde, wurde das After School-Gilmore Girls-Watching für einige Zeit zu unserem Ritual.
Sommerferien in Stars Hollow
Während ich die Gilmore Girls zu diesem Zeitpunkt schon ganz nett fand, war es erst einige Monate später, dass ich ihnen so richtig verfiel. Wie jedes Jahr verbrachte ich den Großteil der Sommerferien mit Mama und Oma in Kärnten. Da es tagelang schüttete, beschlossen meine Mutter und ich anstelle des Ossiacher Sees die nächstgelegene Videothek (remember Videotheken?) aufzusuchen. Was die nächsten Wochen folgte, war Bingewatching par excellence (wenngleich wir den Begriff "Bingewatching" zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht kannten). Als Einzelkind-Single-Mom-Duo erkannten wir in Gilmore Girls die perfekte Serie für uns. Wir lachten über Oma Emilys sarkastische Kommentare, regten uns über Rorys unzuverlässigen Vater auf, der nur alle heiligen Zeiten in ihrem Leben auftaucht und wünschten uns, auch im beschaulichen Stars Hollow zu wohnen.
Von toxischen Eltern und White Privilege
Nun, heute, mehr als zehn Jahre später, sieht die Sache ein bisserl anders aus und ich die Serie in einem völlig neuen Licht. Ich frage mich: Warum ist mir früher noch nicht aufgefallen, dass Großmutter Emilys Kommentare nicht witzig sarkastisch, sondern viel mehr extrem toxisch und abwertend waren? Wieso hat es mich früher nicht gestört, dass die paar wenigen People of Color, die in der Serie vorkommen, peinliche Klischees bedienen und die ganze Show nur so vor White Privilege trieft?
Auch die Art und Weise, wie über (weibliche) Sexualität gesprochen wurde, ist im Nachhinein ziemlich bedenklich (erinnert ihr euch noch, wie Rorys Klassenkollegin/Frenemy Paris das erste Mal Sex hat und Lorelai sich freut, dass sie mit Rory das "good kid" abbekommen hat? – ugh). Dass Jess Rory überreden wollte, mit ihm zu schlafen und sich anschließend aufregte, als sie verneinte, fand ich bereits damals sehr unangenehm – heute kann ich mir die Szene gar nicht mehr ansehen und verstehe nicht, wie so etwas jemals ausgestrahlt werden konnte.
Byebye, Friends
Ähnlich sieht es leider auch mit der zweiten Serie aus, die mir viele Jahre als Trostspenderin an schlechten Tagen diente und auch beim zehnten Mal Schauen nicht langweilig wurde. Die Rede ist natürlich von Friends, der Comedyserie über eine Gruppe von Freund*innen in ihren Endzwanzigern, die ihren Alltag in New York bestreitet. Tja, wo fange ich an? Was mich heute am meisten stört ist, dass die Gruppe der "Friends" aus sechs weißen Personen besteht und auch sonst kaum People of Color in der Serie vorkommen (ich kann mich gerade einmal an zwei Ex-Freundinnen von Ross erinnern, die er allerdings auch nur für kurze Zeit datet). Auch der ständige Sexismus und die Objektivierung von Frauen gehen mir ordentlich auf die Nerven und sind schlichtweg nicht zu übersehen.
Die gesamte "Fat Monica"-Storyline, die darin besteht, dass sich alle ständig darüber lustig machen, wie dick Charakter Monica in ihrer Kindheit und Teeniezeit mal war, ist einfach Fatshaming pur (war in meinen Augen allerdings auch echt nie lustig).
Darüber hinaus strotzt die Serie nur so vor fragiler Männlichkeit und bedient ständig Gender-Stereotype, etwa als Rachel eine männliche Nanny einstellen will und Ross es überhaupt nicht packt oder Chandler nur ein Schaumbad nehmen kann, wenn ein Spielzeug-Militärboot mit in der Wanne ist (das ihm Monica dann entreißt, um zu schreien "Ha! Now you're just a girl in a tub!"). Ach ja, und dann gab es natürlich noch diesen Moment hier:
Als die Friends gemeinsam auf die Bahamas fliegen, lässt sich Monica Cornrows flechten. Dies ist ein perfektes Beispiel für Cultural Appropriation (wenn Menschen nach Belieben Praktiken einer Kultur übernehmen, der sie nicht angehören): Cornrows und Braids sind Haarstile, die seit Jahrzehnten in Schwarzen Communities getragen werden. Sie dienen zum Schutz des empfindlichen Natural Hair und sind von hoher identifikatorischer Bedeutung für die Träger*innen.
Nostalgie mit fiesem Beigeschmack
Das war jetzt gerade mal eine Handvoll an Beispielen für die unzähligen, rückblickend echt schwierigen Inhalte meiner lange Zeit so geliebten Feel-Good-Bingwachtching-Serien. Natürlich ist mir bewusst, dass die Shows nun mal in einer anderen Zeit entstanden sind und sich gerade in den letzten Jahren viel in Sachen Diversity, Repräsentation und Political Correctness getan hat und wir alle viel aufmerksamer und sensibler geworden sind (was sehr gut und wichtig ist!). Trotzdem ist es doch immer wieder ein bissi schade, zu merken, dass Serien oder Filme, die einen jahrelang begleitet haben, irgendwie nimmer das gleiche Gefühl wie früher erwecken und jetzt nur noch mit einem miesen Beigeschmack konsumiert werden können.
Auf dem Sofa einkuscheln, Friends aufdrehen und Sorgen vergessen funktioniert heute nicht mehr so wie früher, schließlich kann ich nicht einfach über den offenkundigen Sexismus hinwegsehen und über die Stereotypisierung von LGBTIQ+ Charakteren lachen – worüber ich letztendlich ja auch wieder froh bin. Vermutlich ist es einfach an der Zeit, eine neue binge-würdige-Feelgood-Lieblingsserie zu finden. Einen besseren Zeitpunkt als eine Pandemie gibt es dafür eh nicht.
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