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Rassismus auf FPÖ-Plakaten: "Wir Menschen mit Migrationshintergrund sind genauso Wiener*innen wie die Dominik Nepps und HC Straches"

In wenigen Tagen ist Wien-Wahl. Seit Wochen prägen diskriminierende Wahlplakate der FPÖ das Stadtbild. Wie es sich anfühlt, ständig als Bedrohung dargestellt zu werden und was jede*r von uns gegen Rassismus tun kann.


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Wer die letzten Wochen und Monate in Wiens Straßen unterwegs war, ist an ihnen wohl nicht vorbeigekommen: den Werbeplakaten der FPÖ anlässlich der bevorstehenden Wien-Wahl. Wie auch die letzten Jahre versucht die Partei um Wiener Spitzenkandidat Dominik Nepp mit ausgrenzenden, rechtspopulistischen Slogans und Bildern aufmerksam zu machen und Wähler*innen zu generieren. Während manche über die Sujets der FPÖ lachen können, sind sie für andere, eben jene, die als Feindbild dargestellt und offenkundig diskriminiert werden, verletzend. Das wirft Fragen auf: Wieso sind derartige Wahlplakate überhaupt erlaubt? Werden hier nicht längst sämtliche Grenzen überschritten? Wie fühlt es sich an, ständig als Feindbild und Gefahr dargestellt zu werden? Und was kann man tun, um diese öffentliche Darstellung von Rassismus zu bekämpfen?


"Daham statt Islam" 2.0

Besonders kreativ zeigt sich die Wiener FPÖ im diesjährigen Wien-Wahlkampf ja nicht und recycelt eine bereits 2006 dagewesene FPÖ-Parole. So ist auf einem der aktuellen Plakate eine Gruppe verschleierter Frauen zu sehen, dazu der Spruch "SPÖÖVPGrüne: Radikaler Islam". Auf der anderen Seite Dominik Nepp, der einem blonden Mädchen den Stephansdom zeigt: "Unser Daham!" ist darüber zu lesen.

Ein weiteres Poster zeigt Wiener Bürgermeister Michael Ludwig in verblichener Schwarz-Weiß-Optik, hinter ihm werden türkische Fahnen geschwungen, dazu der Beisatz "Michael Ludwig: Sein Wien!". Auf der anderen Seite Nepp grinsend am Frühstückstisch, umringt von einer weißen Familie, anbei ist zu lesen: "Dominik Nepp: Unser Wien!".


"Das ist inakzeptabel. So etwas darf einfach nicht sein"

Für die 17-jährige Sihaam Abdillahi sind die Wahlplakate der FPÖ eine Zumutung. Abdillahi ist Landesschulvertreterin und Anti-Rassismus-Beauftragte bei der AKS Wien, einer SPÖ-nahen Jugendorganisation. Vergangene Woche trat sie als Rednerin bei einer Kundgebung der Plattform "Hass ist nicht normal" auf, welche sich für die sofortige Entfernung der FPÖ-Plakate einsetzt. "So etwas zu sehen, ist für mich sehr enttäuschend und beleidigend. Ich finde, es ist eine absolute Unverschämtheit, dass derart rassistische und diskriminierende Wahlplakate in Wien aufgehängt werden", sagt sie im Gespräch mit der WIENERIN. Sie könne nicht verstehen, dass so etwas von breiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert und toleriert wird – "gerade, wenn man bedenkt, dass Wien eine so vielfältige Stadt ist."

Für Abdillahi war es vor allem wichtig, zu zeigen, "dass wir Schüler*innen, wir Menschen mit Migrationshintergrund genauso Wiener*innen sind wie die Dominik Nepps und HC Straches". Dass derartige Sujets ohne rechtliche Konsequenzen in der Stadt verbreitet werden dürfen, ließe Abdillahi an den demokratischen Werten Österreichs zweifeln: "Sprüche wie 'Daham statt Islam' schießen eindeutig gegen bestimmte Gruppen, die in Wien leben. Das ist inakzeptabel. So etwas darf einfach nicht sein", findet sie.


Mehr Bewusstsein für Rassismus

Noomi Anyanwu, Aktivistin und Mit-Initiatorin des Black Voices-Volksbegehrens, sprach sich bei der Kundgebung ebenfalls gegen die Plakate aus. Sie findet: "Politik sollte der Ort sein, wo jede*r eine Stimme bekommt und gleich behandelt wird. Hier erleben wir das genaue Gegenteil. Es erinnert an die Polizei, die einen eigentlich schützen sollte, in der Realität aber oft das Gegenteil macht".

Anyanwu sehe es als Problem, dass Rassismus durch Werbungen wie jene der FPÖ salonfähig gemacht würde. Gleichzeitig bemerke sie aber, dass viele Menschen seit der Black Lives Matter-Bewegung vermehrt auf Rassismus achten und sich aktiv gegen Rassismus und Diskriminierung auflehnen wollen: "Das Thema ist auf jeden Fall mehr in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Viele haben nun verstanden, was strukturelle Ungleichheiten für marginalisierte Gruppen bedeuten und wollen sich engagieren".


Hass und Rassismus sind nicht normal

Ziel der Initiator*innen von "Hass ist nicht normal" war es, eine Plattform zu kreieren, die Hass und Rassismus öffentlich macht – sowohl online als auch im realen Leben. "Wir haben gemerkt, dass viele Menschen die Plakate der FPÖ einfach hinnehmen und über den Rassismus hinwegsehen. 'Das ist halt die FPÖ' oder 'Ach, das passiert bei jeder Wahl' waren typische Reaktionen aus unserem Umfeld." Daher wolle man gemeinsam gegen die Normalisierung von Rassismus ankämpfen, Betroffenen eine Plattform geben und die problematischen Bilder aus dem öffentlichen Raum entfernen: "Rassistische Sprüche sind schlimm genug. Werden sie allerdings mit Bildern verknüpft, so prägt sich das nachhaltig ein". Es sei grausam, Betroffene damit in jeder Ecke der Stadt zu verfolgen.

Allen, die das Glück haben, selbst nicht von Rassismus und Hate Speech betroffen zu sein, raten die Initiator*innen, sich dennoch oder gerade deswegen gegen Rassismus stark zu machen: "Informiert euch, redet mit anderen, sprecht euch klar gegen Rassismus aus, handelt. Es ist so wichtig, den Mut zusammenzunehmen und sich laut für andere einzusetzen."


Wieso dürfen die das überhaupt?

Doch die Verantwortung, sich gegen Rassismus aufzulehnen, kann nicht nur auf einer individuellen Ebene hängen bleiben. Es bleibt die Frage: Warum sind solche Plakate in Österreich überhaupt erlaubt? Nun ja, grundsätzlich dürfen Parteiwerbungen in Österreich frei gestaltet werden, da hier das Recht der Meinungsfreiheit gilt. Dieses Recht ist in der österreichischen Verfassung festgeschrieben und wird in der von Österreich unterzeichneten Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert. Es ist jedoch nicht gestattet, öffentliche Hetze gegen Dritte zu betreiben, insbesondere hinsichtlich Hautfarbe, Sprache, Geschlecht und Religion.

Tatsächlich ist es allerdings nicht so leicht, gegen rassistische Wahlplakate vorzugehen. Während diskriminierende, rassistische oder verhetzende Werbungen normalerweise einfach beim österreichischen Werberat angezeigt werden können (welcher anschließend Mahnungen, Verbote oder Strafen aussprechen kann), sind politische Werbungen hier ausgenommen. So finden sich auf der Website des Werberats etliche Beschwerden über rassistische Wahlplakate, als Entscheidung ist jedoch jedes Mal zu lesen: "Parteipolitische und wahlpolitische Werbung fällt nicht in den Kompetenzbereich des Österreichischen Werberates". Man verstehe sich rein als "Selbstbeschränkungsorganisation für kommerzielle Werbung", welche anderen Gesetzmäßigkeiten und Marktbedingungen unterliege als Wahlwerbung.

Dilber Dikme, Leiterin der Beratungsstellen des Vereins ZARA(Zivilcourage und Anti-Rassismus- Arbeit) sieht das als großes Problem: "Was die Bevölkerung zu Wahlzeiten aushalten muss, ist teilweise wirklich grenzwertig. Ich verstehe nicht, weshalb der Werberat hier nicht aktiv wird. Ich fände es wichtig, dass es eine klar zuständige Einrichtung gibt". Natürlich solle es Parteien möglich sein, ihre Botschaften an die Bevölkerung weiterzugeben – allerdings, ohne Teile der Gesellschaft zu diskriminieren.


Was kann man also tun?

Einzelpersonen, die sich von Wahlplakaten diskriminiert oder rassistisch angegriffen fühlen oder Rassismus beobachten, können bei ZARA eine Beschwerde einreichen und sich beraten lassen. Ist eine Aussage verhetzend, so kann sie zur Anzeige gebracht werden. Entweder, indem man sich direkt an die Polizei wendet oder eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft schickt und diese um Überprüfung des Falls bittet.

Dikme rät auch, sich direkt an die entsprechende Partei zu wenden: "Es ist wichtig, dass diejenigen, die derartige Botschaften in die Welt tragen, auch Resonanz bekommen – und zwar nicht nur von Betroffenen, die selbst angefeindet werden, sondern von der breiten Bevölkerung."


"Zur Wahl-Zeit spüre ich viel mehr Rassismus"

Im Zuge der diesjährigen Wien-Wahl sind bei ZARA sieben Meldungen wegen rassistischer Wahlplakate eingegangen. "Betroffene kommen zu uns und sagen: 'Zur Wahl-Zeit spüre ich viel mehr Rassismus, da werde ich plötzlich viel ärger behandelt'. Sind Plakate wie jene der FPÖ in der ganzen Stadt zu sehen, schüre dies, so Dikme, den Hass in der Gesellschaft und ermutige Menschen, noch aggressiver und gewaltbereiter aufzutreten. Daher müsse dringend jemand zur Verantwortung gezogen werden.

Bezüglich der Zahl der Beschwerden erklärt Dikme: "Sieben Meldungen können auf den ersten Blick vielleicht wenig erscheinen, doch handelt es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs. An Plakaten vorbeigehen und sich denken, "Ich hasse das" sei eine Sache. Nachzurecherchieren, wohin man sich wenden kann und tatsächlich ein E-Mail zu verfassen, eine andere. "Wenn im Laufe einer kurzen Wahl, die dazu örtlich begrenzt ist, sieben Meldungen eingehen, kann ich garantieren, dass dieser Eisberg sehr groß ist, denn sieben ist für uns keine geringe Zahl".


Hierhin kannst du dich wenden, wenn du Rassismus/Diskriminierung erfährst oder beobachtest:

·       Rassismus und Hate Speech/Hass im Netz: Verein ZARA, Plattform Hass ist nicht normal

·       Geschlechts- und Mehrfachdiskriminierung: Klagsverband

·       Antisemitismus: Israelitische Kultusgemeinde

·       Polizei, Staatsanwaltschaft

 

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