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Was du tun kannst, wenn du von häuslicher Gewalt betroffen bist (oder jemand in deinem Umfeld Hilfe braucht)

In Österreich sind heuer bereits elf Frauen ermordet worden – dabei haben wir gerade einmal Mai. Das Land ist damit trauriger Rekordhalter, EU-weit liegen wir aktuell nämlich an der Spitze. Es ist offensichtlich, dass Österreich ein massives Gewalt-Problem hat und es dringend neue Maßnahmen im Gewaltschutz auf struktureller Ebene braucht.

Damit sich jede*r von uns selbst besser schützen bzw. anderen Menschen in Gewaltsituationen helfen kann, haben wir beim Verein Autonome Frauenhäuser nach Tipps gefragt:

 

WIENERIN: Wie kann häusliche Gewalt aussehen bzw. was fällt alles darunter?


Unter häusliche Gewalt fallen verschiedene Formen der Gewalt, wie physische (körperliche), psychische, ökonomische, sexuelle Gewalt, wie z.B. Vergewaltigung, und Cybergewalt bzw. Hass im Netz. Oft droht der Täter der betroffenen Frau mit körperlicher Gewalt oder spricht ihr gegenüber (Mord-)Drohungen aus, um sie einzuschüchtern, was unter psychische Gewalt fällt. Bei Gewalt gegen ältere Frauen kommt darüber hinaus auch Vernachlässigung oder Missbrauch in Institutionen vor.

 

Was ist ökonomische Gewalt?

Es handelt sich um Situationen, in denen die Frau kein eigenes Einkommen hat und der Partner diese Situation ausnützt, indem er unzureichende Geldmittel für Haushaltsangelegenheiten bereitstellt bzw. Einkommen, Vermögen und Ausgaben geheim hält. Es kommt aber auch vor, dass Frauen selbst keinen Beruf ausüben dürfen oder ihr Einkommen abgeben müssen, bzw. dessen Verwendung vom Partner kontrolliert wird.

Alte und pflegebedürftige Menschen sind von ökonomischer Gewalt betroffen, wenn ihnen Geld/Eigentum entwendet oder vorenthalten wird, oder dazu gedrängt werden, dieses anderen "freiwillig" zu überlassen. (Quelle: gewaltinfo.at)

 

Ich glaube, es war ein einzelner Ausrutscher – muss ich jemandem Bescheid sagen?


Auch wenn die betroffene Frau das Gefühl hat, die Gewalttat war ein "einzelner Ausrutscher" müssen wir sie aufklären, dass das der Beginn einer Gewaltbeziehung ist bzw. sein kann, dass es vielleicht nicht bei einem einmaligen Übergriff bleibt und eine Wiederholung nicht unwahrscheinlich ist. Daher ist es wichtig, sie zu ermutigen, sich an eine Beratungsstelle zu wenden, z.B. an die Frauenhelpline unter der Nummer 0800 222 555 (anonym, kostenlos, rund um die Uhr erreichbar). Die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline können die betroffene Frau darüber beraten, was sie tun kann, wenn die eine Tat doch kein "Ausrutscher" war und der Gefährder weiter Gewalt ausübt – was sehr häufig der Fall ist.


 

Wann ist es Zeit, Hilfe zu holen? An wen kann ich mich wenden? Wo kann ich hin, wenn mein Zuhause nicht mehr sicher ist (gerade auch in Corona-Zeiten)?

Wir möchten betroffene Frauen ermutigen, sich bei den ersten Anzeichen von Gewalt, Hilfe und Unterstützung zu holen, entweder bei der Frauenhelpline, der Online-Beratung HelpChat unter www.haltdergewalt.at (täglich 16 bis 22 Uhr), bei einer Frauenberatungsstelle oder einem Gewaltschutzzentrum.


Aus Erfahrung wissen wir, dass die Gewalt nicht "mit der Zeit aufhört", sondern im Gegenteil schlimmer wird. Wenn sich eine betroffene Frau früh meldet, hat sie die Chance, einer Gewaltspirale zu entkommen. Schwere Gewalt sowie Morde und Mordversuche können damit verhindert werden. Die österreichischen Frauenhäuser sind auch während der Corona-Pandemie für betroffene Frauen da, die zu Hause nicht mehr sicher sind. Die Telefonnummern aller Frauenhäuser in ganz Österreich sind auf der Website des Vereins AÖF gelistet.

 

Ich habe Angst, dass mein Partner etwas mitbekommt – wie kann ich unauffällig Hilfe holen? Was tun, wenn Kinder involviert sind?


Versuche, in einem Moment, wenn du allein und ungestört bist, die Frauenhelpline (0800 222 555) oder eine Frauenberatungsstelle in deiner Nähe anzurufen. Wenn telefonieren schwierig oder nicht möglich ist, wende dich an die Online-Beratung HelpChat unter www.haltdergewalt.at, die täglich von 16 bis 22 Uhr erreichbar ist.

Wenn du planst, in ein Frauenhaus zu gehen, packe erst kurz davor eine Tasche mit den notwendigsten Sachen, wie Dokumente, Kleidung sowie Schul- und Spielsachen für die Kinder. Denn wenn der Gefährder mitbekommt, dass du weggehen willst (z.B. durch herumstehende Koffer oder Taschen), kann eine gefährliche Situation entstehen. Du kannst auch einen kleinen "Krisenkoffer" packen und ihn in der Zwischenzeit an einem sicheren Ort aufbewahren, z.B. bei einer Freundin. Informiere die Kinder erst kurz vor der Flucht, damit der Gewalttäter nichts davon erfährt und nicht das Risiko einer Gefährdung entsteht.


Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass jemand in meinem Umfeld unter häuslicher Gewalt leidet?


Wenn z.B. in der Nachbarwohnung immer wieder lauter Streit und Poltern zu hören ist, wende dich gerne unverbindlich an die Frauenhelpline oder auch an die Servicestelle der Polizei unter 059 133 und frage, was du in der Situation am besten tun kannst.

Du kannst auch, wenn du dich traust, die Gewalt unterbrechen, indem du bei der Nachbarwohnung anläutest und z.B. nach Salz oder einem Ladegerät fragst. Damit wird dem Täter signalisiert, dass es Nachbar*innen gibt, die mithören. Betroffene wissen dadurch auch, dass sie nicht allein sind, und dass jemand Bescheid weiß. Tätern wird damit auch bewusstgemacht, dass die Nachbar*innen Gewalt nicht tolerieren.


Darüber hinaus kannst du auch eine betroffene Frau am Gang ansprechen und z.B. sagen: "Ich mache mir Sorgen. Geht es Ihnen gut?" und ihr einen Zettel mit der Nummer der Frauenhelpline geben.


Mehr Tipps und Hinweise gibt es auch auf der Website des Nachbarschaftsprojekts "StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt", das der Verein AÖF derzeit im 5. Wiener Gemeindebezirk Margareten durchführt: www.stop-partnergewalt.at

 

Was kann jede*r beitragen, um Gewalt an Frauen zu bekämpfen?


Jede*r von uns kann einen Beitrag leisten, um über Gewalt gegen Frauen und Kinder in unserer Gesellschaft zu informieren und zu sensibilisieren. Jede und jeder kann gegen Gewalt in der Familie Zivilcourage leisten. Erkundige dich, ob du Folder der Frauenhelpline und/oder Infoblätter des Projekts "StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt" an öffentlichen Orten auflegen oder aufhängen darfst, wo betroffene Frauen sie sehen können: z.B. im Wartezimmer der Frauenärztin, in Beratungsstellen aller Art, am schwarzen Brett deines Wohnhauses, in Gemeinschaftsräumen, etc. Erwähne die Nummer der Frauenhelpline oder den Link zum StoP-Projekt (www.stop-partnergewalt.at) online in sozialen Netzwerken. Beteilige dich an Infokampagnen und leite Informationen über Veranstaltungen zum Thema Gewalt gegen Frauen in deinem Umfeld weiter, z.B. während der Kampagne "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" (25.11. bis 10.12.).

Infomaterial zum Bestellen gibt es auf der Website des Vereins AÖF unter "Infoshop".

Den Aushang des Projekts "StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt" findest du hier in verschiedenen Sprachen zum Download.

 

 

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