Im September wurde das Schwangerschaftsabbruchgesetz in Texas extrem verschärft. Ein Abbruch ist seitdem nur noch bis zum Ende der sechsten Schwangerschaftswoche möglich. Sobald das Herz des Fötus schlägt, ist ein Abbruch illegal. Nun klagt das US-Justizministerium gegen das Gesetz in Texas, es sei "eindeutig verfassungswidrig". Im Juni hielt die 18-jährige Texanerin Paxton Smith auf ihrer High-School-Graduation eine Rede, die viral ging: gegen das neue Gesetz in Texas. Gegen die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Seitdem ist sie eine der wichtigsten Stimmen des Protests.
ze.tt: Wie ist die Situation in , seit das neue Schwangerschaftsabbruchgesetz in Kraft getreten ist?
Paxton Smith: Das ist erst knapp zwei Wochen her, die genauen Ausmaße sind noch nicht klar. Was klar ist: Es gibt viele Menschen in Texas, die verzweifelt nach einer Möglichkeit suchen, die Schwangerschaft abzubrechen. Und die keine finden. Meistens sind sie in einer späteren Schwangerschaftswoche, als sie dachten. Die einzige Möglichkeit, die ihnen bleibt, ist in einen anderen Bundesstaat zu fahren oder einen Arzt zu finden, der ihnen die Tabletten per Post schickt. Und dann treiben sie zu Hause ab. Allein. Ohne Arzt. Ohne Sicherheit.
ze.tt: Wer ist von dem neuen Gesetz besonders betroffen?
Paxton Smith: Das neue Gesetz trifft einige viel härter als andere: Menschen mit wenig Geld und People of Color. Für einen Schwangerschaftsabbruch muss man in einen anderen Bundesstaat reisen. Vor dem Abbruch braucht man einen Termin zur Pflichtberatung. Die vorgeschriebene Zeit, die zwischen den beiden Terminen liegen muss, ist 24 bis 72 Stunden. Bedeutet: Man muss sich die Übernachtungen leisten können und auch in der Zeit nicht arbeiten zu können, nicht bezahlt zu werden. Der Schwangerschaftsabbruch selbst kostet zwischen 100 und mehreren Tausend Dollar, je nach Schwangerschaftswoche. Viele Menschen werden also vor die schwierige Entscheidung gestellt: entweder Essen auf den Tisch stellen, die Stromrechnung bezahlen - oder die Schwangerschaft abbrechen.
Das neue Gesetz trifft einige viel härter als andere: Menschen mit wenig Geld und People of Color. Paxton Smith
ze.tt: Seit deiner Abschlussrede, die viral gegangen ist, arbeitest du unter anderem für die Organisation Women's Reproductive Rights Assistance Project - ein Non-Profit-Projekt, das Schwangeren hilft, Zugang zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen zu finden. Wie hat dich diese Arbeit verändert?
Paxton Smith: Wir finanzieren Schwangerschaftsabbrüche in allen 50 Bundesstaaten. Wir helfen, Ärzt*innen zu finden, Reisen zu planen. Wir bezahlen den Arbeitsausfall. Ich bin sehr dankbar, dass Menschen mir ihre Geschichten anvertrauen. Aber manchmal macht es mich auch fertig. Menschen erzählen mir, wie ihre Freundin bei einem illegalen Schwangerschaftsabbruch gestorben ist, weil es Komplikationen gab. Oder sie erzählen ihre eigene Geschichte. Dass sie in der Notaufnahme niemand behandeln wollte. Dass Krankenschwestern zu ihnen gesagt haben, kein Arzt würde sie behandeln wollen, weil sie Angst haben, ihren Job zu verlieren. Obwohl sie drohten, zu verbluten. Zu wissen, dass so etwas jeden Tag in Texas passiert, dass ich nichts tun kann, um das Trauma und den Schmerz rückgängig zu machen, ist hart und belastet mich. Aber gleichzeitig motiviert mich der Schmerz, weiterzumachen. Ich will nicht, dass es noch mehr Menschen so gehen muss.
ze.tt: Das ist der Blick einer Aktivistin. Wie ist dein Blick darauf als junge Frau?
Paxton Smith: Natürlich frustriert es mich, mit der Angst zu leben, dass ich - falls ich ungewollt schwanger werden würde - nicht selbst entscheiden könnte, ob ich das Kind austragen möchte oder nicht. Die Entscheidung liegt in den Händen von Fremden, von Politikern, meistens sind es alte weiße Männer. Obwohl die Entscheidung mein Leben für immer verändern würde. Das ist schrecklich, beängstigend und entmenschlichend.
Es reicht nicht, Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren, sie müssen auch für alle Menschen eine realistische Option sein: bezahlbar und erreichbar. Paxton Smithze.tt: In deiner Rede sprichst du von Frauen, die vergewaltigt werden. Und die Schwangerschaft trotzdem nicht abbrechen dürfen.
Paxton Smith: Das macht mich so wütend. Es ist absurd: Egal wie sehr du alles richtig machst, dein Schicksal liegt nicht in deiner Hand. Nicht mal eine Straftat verändert diese Sicht. Menschen werden ungewollt schwanger. Es ist nicht geplant. Sie wachen nicht auf und entscheiden, dass ihre Pille nicht wirkt. Sie entscheiden sich nicht dafür, vergewaltigt zu werden. Es gibt Dinge, über die man keine Kontrolle hat. Und zu sagen, dass Menschen trotzdem ein Kind austragen müssen, obwohl sie die Empfängnis nicht einmal kontrollieren konnten, ist absurd. Und selbst wenn Menschen Sex ohne Verhütung haben und der Sex einvernehmlich war: Schwangerschaftsabbrüche sind ein Menschenrecht. Menschenrechte gelten bedingungslos.
ze.tt: Wie würde das Gesetz aussehen, wenn du entscheiden dürftest?
Paxton Smith: Es gäbe natürlich kein Verbot. Ich will, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht nur legal, sondern auch zugänglich sind. Es reicht nicht, Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren, sie müssen auch für alle Menschen eine realistische Option sein: bezahlbar und erreichbar. Dass Menschen in Armut und People of Color einen schlechteren Zugang zu Ärzten und Krankenhäusern haben, ist nicht erst seit dem neuen Gesetz ein Problem. Viele Menschen mussten schon vorher schwierige Entscheidungen treffen, wofür sie ihr Geld und ihre Kraft einsetzen.