Lucia Weiß

Journalistin mit Schwerpunkt Afrika, Berlin

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Artikel

Afrika: Wie Corona in Mali alles noch schwieriger macht

Die Bundeswehr ist an mehreren Missionen in Mali beteiligt. Bald enden die Mandate - aber Corona verschärft viele Probleme. Experten fordern einen Strategiewechsel.

Trotz Corona waren die Malier Ende März zu den Parlamentswahlen aufgerufen worden - ein wichtiger Meilenstein für die Demokratie. Doch nur wenige Malier gaben bei den seit 2018 mehrfach verschobenen Wahlen ihre Stimme ab.


Norden von Terror und Gewalt erschüttert

Ein Grund: die Corona-Krise, die in Mali alles noch schwieriger macht. Das westafrikanische Land hat eine schlechte Gesundheitsversorgung und Infrastruktur und wird vor allem im Norden seit Jahren von terroristischer Gewalt erschüttert. Der wichtigste Oppositionspolitiker, Soumaïla Cissé, wurde kurz vor den Wahlen vermutlich von Islamisten entführt.

Internationale Truppen und ein UN-Einsatz versuchen seit 2013, das Land zu stabilisieren. Corona macht zwar vor niemandem halt, aber die Frage ist, ob die Terroristen von der Corona-Krise sogar  profitieren könnten.



Bundeswehr-Mandate auf dem Prüfstand

Deutschland ist in Mali zweifach vertreten, mit hunderten Soldaten: Einmal beim UN-Einsatz (MINUSMA) und bei der EU-geleiteten Ausbildungsmission für lokale Sicherheitskräfte (EUTM).

Das Bundeswehr-Mandat für MINUSMA läuft Ende Mai 2020 aus. Der Einsatz gilt bis heute als die gefährlichste Blauhelm-Mission weltweit. Das Mandat der Vereinten Nationen (VN) endet einen Monat später. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat Anfang April bereits angekündigt, die deutschen Mandate (MINUSMA und EUTM) verlängern zu wollen.

"Die Terroristen werden durch die Krise gestärkt und können sich als Helfer dort zeigen, wo der Staat abwesend ist" - diese Meinung vertritt die MINUSMA-Führung.


Wolf Kinzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik, der auch Angehöriger der Bundeswehr ist, fordert aus diesem Grund, den Schwerpunkt der Einsätze zu verschieben:


Die zivilen Maßnahmen müssen der Hauptanteil werden. Dieser Krieg ist mit militärischen Mitteln allein nicht zu beenden.
Wolfgang Kinzel, Experte Stiftung Wissenschaft und Politik


Das sei zwar schon vor Corona klar gewesen, aber in der akuten Krise müsste die Bundeswehr dem malischen Staat helfen, sichtbar und effektiv für die Bevölkerung da zu sein. "Wir müssen jetzt höchst flexibel sein und da helfen, wo wir es können", sagt Kinzel.

Einige Analysten teilen diese Sicht der Dinge, dagegen rät Blog-Autor und Analyst Alex Thurston zum Abwarten, denn die Auswirkungen könnten komplex sein und beispielsweise die oft gesundheitlich angeschlagenen Terror-Kämpfer auch massiv schwächen.


Druck auf den Dialog mit Extremisten



Kinzel betont außerdem, dass sich erstens die Einsätze besser miteinander vernetzen und zweitens noch regionaler gedacht werden müsse. Ein Schwerpunkt der Gewalt hat sich im Dreiländer-Grenzgebiet zwischen Mali, Niger und Burkina-Faso entwickelt (Liptako-Gourma).

Eine Schlüsselrolle spielen die Franzosen, die bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fast die komplette Region als Kolonialherren kontrollierten. Sie sind seit 2013 im Anti-Terror-Einsatz; Deutschland lehnt es bisher ab, die Mission "Barkhane" zu unterstützen.


Politologe: Französischer Einsatz gescheitert

Der französische Politikwissenschaftler Marc-Antoine Pérouse de Montclos sieht den französischen Einsatz als gescheitert und fordert gar den kompletten Rückzug, sein US-Kollege Alex Thurston plädiert für einen Teilrückzug. Die Franzosen müssten der malischen Regierung den Raum geben, um den beschlossenen Dialog mit einem Teil der Extremisten zu ermöglichen.


Lokale Experten betonen, dass vor allem rangniedrige Mitglieder der Bewegung - Köche, Fahrer, Handlanger - in die Gespräche einbezogen werden sollten. Schließlich sei der Mangel an Lebensperspektiven ein treibender Faktor für den Extremismus.





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