Lucia Weiß

Journalistin mit Schwerpunkt Afrika, Berlin

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Müll in den Bergen: Saubere Sache in großer Höhe

Müll in den Bergen ist ein Dauerthema. Zehntausende wandern in den Alpen, manche lassen ihren Müll achtlos zurück. Dabei ist es ganz einfach, etwas dagegen zu tun.

Wanderer machen eine Pause (Archivbild) Quelle: ap

Da, im hohen Gras versteckt er sich, klein, rund und golden: ein Cortex lagonae cerevisiae. Unweit, am Rande eines Wanderweges lauert ein Potio ad corpus reficiendum apta, etwa handtellergroß, glatt und in bunten Farben. Winzig klein dagegen ein Vertreter der zahlreich vorkommenden Art Fusulus nicotianus consumptus, am Fuße eines Gipfelkreuzes. Was wie exotische Tiere im Naturraum in den Bergen anmutet, ist in Wahrheit: Müll. Ein Kronkorken, achtlos weggeworfen beim Bieröffnen, ein Trinkpäckchen aus Plastik, das die Sportlerin beim Rennen als Ballast loswird und noch häufiger zu finden ein Zigarettenstummel, der abgebrannte Rest der Belohnungskippe hoch oben auf dem Gipfel.

Was raufkommt muss wieder mit ins Tal

Als neue, zerstörerische Arten begreifen die Umweltschützer des Südtiroler Alpenvereins die Hinterlassenschaften mancher Wanderer. In einem Kurzfilm werden Kronkorken und Co. deshalb zu den Hauptdarstellern und treten mit lateinischen Artennamen auf. Die Kampagne heißt "Neobiota", Fachjargon für invasive Arten, und versucht, mit einer Wanderausstellung, Filmen und pädagogischen Projekten das Umweltbewusstsein von Wanderern jeden Alters zu schärfen. Müll in den Bergen ist ein Dauerthema. Seit den 1970er-Jahren bemüht sich auch der Deutsche Alpenverein (DAV) darum, dass beim Wandern kein Abfall zurückbleibt. Die Aktion "Saubere Berge" stellte Schilder an Wegen auf, an den Hütten sind umweltfreundliche Maisstärketüten zu finden.

"Am besten ist, den Müll erst gar nicht mit auf den Berg zu nehmen", sagt Steffen Reich vom DAV. Der Ökologe rät, Proviant in einer Brotzeitdose unterzubringen - da ließen sich nach dem Verzehr beispielsweise Obstschalen gut drin verstauen. Denn obwohl Apfelbutzen und Bananenschalen Biomüll sind, bleiben sie in den Bergen lange liegen. "Durch die niedrigere Temperatur in der Höhe dauert der Abbauprozess viel länger", sagt Reich. Bis zu fünf Jahre könne es dauern. Bei Zigarettenkippen sind es sogar bis zu sieben Jahren - die Giftstoffe gelangen aber trotzdem ins Erdreich. Für Plastik variieren die Abbauzeiten, je nachdem, wie das Material zusammengesetzt ist: Die Schätzungen reichten von 100 bis 5.000 Jahren, sagt der Umweltfachmann des DAV.

Weniger Müll trotz steigender Wandererzahlen

"Da wo schon Müll ist, kommt zusätzlicher Müll hinzu", beschreibt Reich ein gängiges Phänomen. Es sei deshalb besonders wichtig, andere Wanderer anzusprechen, falls sie ihren Abfall liegen ließen. Zusätzlich gibt es auch gemeinsame Müllsammelaktionen in den Bergen. Die Münchner DAV-Sektion zog im September 2016 durch das Karwendel und trug 630 Liter Müll zusammen. In der Gegend sind viele Wanderer unterwegs: Dort liegen die Lamsenjochhütte und die Falkenhütte, die es laut DAV München und Oberland zusammen auf circa 15.000 Übernachtungen im Jahr 2016 brachten. Mit Tagesausflüglern dürfte die Zahl der Wanderer und damit potentiellen Müllverursachern noch weit höher gelegen haben.

Die gute Nachricht: Trotz steigender Wandererzahlen sei die Abfallmenge zurückgegangen, sagt Joachim Burghardt vom DAV München und Oberland. Für die Berghütten bleibe das Müllproblem aber knifflig. Im günstigsten Fall gibt es eine Zufahrtsstraße für die Bewirtschaftung, darüber kann Abfall abtransportiert werden. Im ungünstigsten Fall muss ein Hubschrauber die Versorgung sicherstellen, wie bei der Oberrheintalhütte. Alternativ haben Hütten, wenn es möglich ist, eine Materialseilbahn.

Die wieder errichtete Höllentalangerhütte im Zugspitzgebirge ist eine der beliebtesten überhaupt und bewirtet tausende Menschen. Der Wanderweg zur Hütte führt durch die Höllentalklamm und ist auch für Familien machbar. Geübte Bergleute steigen auf einer anspruchsvollen Tour von der Hütte über einen Gletscher zu Deutschlands höchstem Berg auf. Knapp 10.800 Gäste übernachteten 2016 laut DAV in der Höllentalangerhütte, dazu kommen noch zahlreiche Tagestouristen.

Berghütten setzen auf Umweltschutz

Seit der Wiedereröffnung 2015 begegnet die Hütte dem Müllproblem mit neuester Technik: Die elektrische Umlaufseilbahn kann bis zu 200 Kilogramm transportieren und überwindet auf 2,4 Kilometern Strecke einen Höhenunterschied von 500 Höhenmetern. Organischer Müll wird hoch oben kompostiert. Papier, Plastik und Metall werden vor ihrem Abtransport extrem zusammengepresst - das spart Volumen, die Seilbahn muss weniger oft für die Müllabfuhr fahren und es wird weniger Energie verbraucht. Abwässer werden mit einer eigenen vollbiologischen Kläranlage vor Ort wiederaufbereitet. Der DAV vergab das vereinseigene Umweltgütesiegel an die Höllentalangerhütte.

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