Auf dem Küchentisch der Altbauwohnung in Steglitz liegt neben einer Schale mit Knabberzeug ein Bilderbuch. Auf dem Cover umarmt eine Frau ein Kind. Es heißt: „Unsere Familie. Ein Buch für Solo-Mütter mit Wunschkindern nach Samenspende." Die eher schmale Frau, die am Tisch sitzt, Tee trinkt und in dem Buch blättert, wirkt zurückhaltend, als sie zu reden beginnt. Sie will ihren Namen nicht in der Zeitung sehen, weil es ihr schwer fällt, offen über ihre Situation zu sprechen. Aber darüber sprechen möchte sie.
[Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team in unserem Berlin-Newsletter über die wichtigsten Nachrichten. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de]Also habe ich angefangen zu recherchieren und bin im Internet auf ein Forum gestoßen, wo man nach privaten Samenspendern suchen kann. Dort habe ich verschiedene Männer angeschrieben und mich letztlich mit dem heutigen Vater auf einen Kaffee getroffen.
[Konkret aus Ihrem Kiez: Unsere Tagesspiegel-Newsletter für die 12 Bezirke mit Tipps und exklusiven Nachrichten gibt es unter leute.tagesspiegel.de]Und nach ein paar Treffen haben Sie dann die Samenspende von ihm bekommen? Genau. Das war das erste Mal, dass er zu mir nach Hause kam. Er ist dann ins Bad, ich habe in der Küche gewartet, das war schon sehr seltsam. Später habe ich mit den Samen mit einer Spritze eingeführt. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass aus so einer weißen Pampe ein Kind werden soll. Ein paar Wochen später kamen dann die ersten Symptome: Müdigkeit, Übelkeit. Da war klar, dass es geklappt hat.
Ein Bruder, der zwei Monate älter ist als seine Schwester - wird es für Ihre Tochter nicht schwierig, das später zu erklären? Klar klingt das erst mal komisch. Ich hoffe einfach, dass so etwas in der Zukunft immer normaler wird: Kinder die nur eine Mutter haben, oder auch zwei Mamas oder zwei Papas. Ich habe selbst immer noch Probleme damit, vor fremden Leuten offen mit meiner Situation umzugehen. Ich schäme mich nicht dafür, aber ich würde gerne noch selbstbewusster damit umgehen. In meiner Kita gibt es zwar eine alleinerziehende Mutter, aber das ist ja nicht dasselbe. Ich fühle mich da schon oft als Sonderling.