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Flüchtlinge in Hessen: Hanf-Labyrinth zum Thema Flucht und Migration

Sanft wehen die Hanfblätter im Wind. Dicke, grüne Stängel säumen den schmalen Pfad, der sich durch das Labyrinth schlängelt. Höchst romantisch könnte der Irrgarten aus Hanfblättern im ländlichen Niederweimar sein - aus Nutzpflanzen versteht sich, ohne THC und nicht zum Rauchen geeignet.

Dann aber ragt am Ende des Wegs eine Bildtafel in die Höhe, auf der Ibrahim aus Somalia seine Fluchtgeschichte erzählt: Mutter von der Terrormiliz Al-Shabaab hingerichtet, Flucht über Libyen, wo Menschen neben ihm mitten in der Wüste aus dem Transporter geworfen wurden, Überfahrt über das Mittelmeer. Vorbei ist es mit der heiteren Ausflugsstimmung.

„Wir wollen die Geschichten der Menschen hinter den Fluchtstatistiken erzählen", sagt Projektleiter Manuel Kästner vom Bildungsverein Motivés, der das Hanflabyrinth mit konzipiert hat. In dem Parcours finde man daher verschiedene Biografien von Geflüchteten, teilweise aus persönlichen Interviews, teilweise aus Literatur zusammengestellt.

Lernen mit Sackgassen

Wer dem Feldweg entlang der Hanfsträucher weiter folgt, gelangt an ein Schild. „Wie viele Menschen sind durchschnittlich pro Stunde gezwungen, ihre Heimat zu verlassen?" heißt es da. Man kann sich für drei Pfade mit jeweils einer Antwort entscheiden: 50, 114 oder 1440 Personen? Wer die ersten beiden wählt, landet in einer Sackgasse.

Das Hanflabyrinth steht bis 24. September 2017 in Niederweimar, in direkter Nähe zu Marburg (Wegbeschilderung vom Bahnhof Niederweimar).

Das Labyrinth Öffnungszeiten

In der Ferienzeit (1.7. bis 13.8.) donnerstags bis sonntags, außerhalb der Ferienzeit (14.8. bis 24.9.) samstags und sonntags, jeweils von 11-18 Uhr.

Das Labyrinth Führungen

Gruppenführungen: Zusätzlich zu den Öffnungstagen werden unter der Woche Führungen für Schulklassen, Jugend- und Erwachsenengruppen angeboten. Der Eintritt kostet 1-4 Euro (Gruppenführungen 50 Euro pro Führung). prlh

Weitere Informationen und Wegbeschreibung: www.hanflabyrinth.org.

„Das Bild eines Labyrinths passt natürlich gut zum Thema Flucht und Migration, mit all den Irrwegen und Sackgassen auf der Flucht", sagt Kästner. Seit 2011 baut Motivés Bildungsparcours in Hessen, jeweils zu unterschiedlichen Themen. Um Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften ging es in der Vergangenheit, diesmal lautet der Titel: „Auf Fluchtwegen".

Dass der Irrgarten aus Hanfpflanzen gemacht ist, hat dabei praktische Gründe: Hanf wächst schnell. „Außerdem ist Nutzhanf ein regionaler Rohstoff, der viel zu selten genutzt wird", sagt Kästner. Schließlich ist alles in dem Parcours nachhaltig gebaut: Es gibt Komposttoiletten und Stühle aus Holz.

Ausstellung ist kein „Spaßparcours" Geflüchtete jenseits von Stereotypen darstellen, nicht nur als Opfer, sondern als Menschen mit Handlungsmacht - das ist eines der Ziele des Projekts. Mohammed aus Syrien hat nicht nur seine Geschichte für die Ausstellung bereitgestellt, sondern leitet auch selbst Führungen. Der Irrgarten führt einen aber nicht nur an persönlichen Schicksalen vorbei, sondern zeigt ganz verschiedene Aspekte von Migration - Asylpolitik in Europa zum Beispiel. An einer Station sind hinter Metallgittern glänzende Bilder einer europäischen Einkaufsmeile zu erkennen, davor informiert eine Tafel über Sperranlagen an den EU-Außengrenzen und die Arbeit der Grenzschutzagentur „Frontex". An anderer Stelle geht es um Flucht aus Deutschland während der NS-Zeit.

Wer zum dritten Mal den falschen Weg einschlägt und sich schon wieder im Kreis bewegt, den mag die aufkommende Frustration an bürokratische Behördengänge oder Bilder von festsitzenden Asylsuchenden in Griechenland erinnern. Das Labyrinth soll aber nicht die Erfahrung der Flucht simulieren. „Damit würden wir ja die wahren Geschichten herunterspielen", sagt Kästner. Die Ausstellung sei kein „Spaßparcours" und auch kein „spektakuläres Spiel". Die Besucher sollen zum kritischen Nachdenken angeregt werden und Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, selbst zu handeln. Deshalb endet der Parcours auch mit einer Vorstellung lokaler Flüchtlingsinitiativen, bei denen man sich engagieren kann.

Lisa Schäder ist zum Besuch des Labyrinths aus Marburg angereist. Der Studentin gefällt, dass das Thema aus so unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. „Und dass das Labyrinth Dinge zeigt, die in der öffentlichen Diskussion über Flucht und Migration sonst gar nicht auftauchen."

Lesen Sie mehr zum Thema in unserem Dossier Zuwanderung Rhein-Main

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