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Auch heute heißt es "Nie wieder Krieg"

Stilles Gedenken: In diesem Jahr gibt es am 8. Mai im Treptower Park weder Reden noch Musik, nur Blumen. Foto: Imago/Eberhard Thonfeld

Der 8. Mai ist der Tag der Befrei­ung vom Faschis­mus. An die­sem Sonn­tag soll am Sowje­ti­schen Ehren­mal im Trep­tower Park in Stil­le dar­an erin­nert wer­den. Seit 1990 orga­ni­siert dort die Ber­li­ner Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Nazi­re­gimes - Bund der Anti­fa­schis­tin­nen und Anti­fa­schis­ten (VVN-BdA) am 8. und 9. Mai Gedenk­ver­an­stal­tun­gen, um dar­an zu erin­nern, "dass dies ein Frie­den war, den uns die Alli­ier­ten gebracht haben", sagt Ellen Händ­ler, Vor­sit­zen­de des Bun­des der Anti­fa­schis­ten (BdA) Trep­tow. Das gro­ße Pro­blem in die­sem Jahr: Der Gedenk­tag wird über­la­gert vom rus­si­schen Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne und davon, "dass Befür­wor­ter und Geg­ner den Fried­hof nicht ach­ten", kri­ti­siert Händler.

Gemeint ist das Ehren­mal im Trep­tower Park, das gleich­zei­tig der größ­te Fried­hof für im Zwei­ten Welt­krieg gefal­le­ne Soldat*innen der Roten Armee in Deutsch­land ist - etwa 7000 lie­gen dort begra­ben. Vor einem Monat wur­de das Ehren­mal mit zahl­rei­chen Farb­schmie­re­rei­en und Slo­gans mit Bezug zum Ukrai­ne-Krieg geschän­det, unter ande­rem wur­de "Tod allen Rus­sen" gefor­dert. Eine "unbe­hol­fe­ne und völ­lig geschichts­ver­ges­se­ne Tat" nennt die Ber­li­ner VNN-BdA die Schändung.

Um zu ver­hin­dern, dass der dies­jäh­ri­ge 8. Mai und die Gedenk­stät­te von Kriegsgegner*innen oder von rus­si­schen Nationalist*innen ver­ein­nahmt wer­den, haben die Ber­li­ner VVN-BdA und der BdA Trep­tow ent­schie­den, das dies­jäh­ri­ge Geden­ken anders zu gestal­ten als in den ver­gan­ge­nen Jah­ren. "Es wird kei­ne Reden und kei­ne Musik geben, son­dern ein stil­les Geden­ken", sagt Händ­ler. Rund um die Sta­tue der "Mut­ter Hei­mat, die die Län­der beweint, die unter dem Krieg zu lei­den hat­ten", so Händ­ler, sol­len fünf Trans­pa­ren­te auf­ge­spannt wer­den. Dar­auf wird der Schwur von Buchen­wald zu lesen sein: "Nie wie­der Krieg. Nie wie­der Faschis­mus" - auf Rus­sisch, Eng­lisch, Fran­zö­sisch, Pol­nisch und Ukrai­nisch, den Spra­chen der Befreier*innen.

"Wir sind ent­setzt, dass die­ser Schwur zum Tag der Befrei­ung gebro­chen ist. Wir wen­den uns gegen jeden Krieg, denn die Opfer sind immer die Zivi­lis­ten", sagt Händ­ler. Dass die Ukrai­ne von Russ­land ange­grif­fen wer­de, sei "abso­lut zu verurteilen".

Trotz­dem soll­ten die aktu­el­len Aus­ein­an­der­set­zun­gen nicht am Sowje­ti­schen Ehren­mal aus­ge­tra­gen wer­den. Die Ber­li­ner Poli­zei habe daher eine Ver­bots­ver­fü­gung aus­ge­spro­chen, um Pro­vo­ka­tio­nen und Gefähr­dun­gen zu ver­hin­dern. Im gesam­ten Trep­tower Park dür­fen kei­ne mili­tä­ri­schen Zei­chen oder Flag­gen gezeigt und kei­ne Uni­for­men getra­gen werden.

"Wir wer­den auch in die­sem Jahr am Ehren­mal sein und allen kriegs­trei­ben­den Kräf­ten, einer ras­sis­ti­schen Grenz- und Flücht­lings­po­li­tik, allem Geschichts­re­vi­sio­nis­mus, sei­en es die west­li­chen Hit­ler-Putin-Ver­glei­che, sei­en es ukrai­ni­sche Holo­caust-Rela­ti­vie­run­gen oder die rus­si­sche ›Entnazifizierungs‹-Propaganda, eine kla­re Absa­ge ertei­len", teilt die Ber­li­ner VVN-BdA mit. Teilnehmer*innen des Geden­kens wer­den dazu auf­ge­ru­fen, Blu­men nie­der­zu­le­gen. "Wir ver­kau­fen rote Nel­ken mit einem Anhän­ger, auf dem ›Net Woi­ne‹ steht", sagt Ellen Händ­ler, also "Nein zum Krieg" auf Ukrainisch.

Um 11 Uhr wird Die Lin­ke Trep­tow-Köpe­nick einen Kranz nie­der­le­gen, um 13 Uhr der Ber­li­ner VVN-BdA und um 14 Uhr die Par­tei­spit­ze der Lin­ken. Unter ande­rem sei­en die Par­tei- und Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Jani­ne Wiss­ler und Diet­mar Bartsch sowie die Lan­des­vor­sit­zen­de Kati­na Schu­bert ange­kün­digt. Um 15 Uhr wird schließ­lich der Trep­tower BdA einen Kranz niederlegen.

Am Mon­tag, den 9. Mai, wer­den Vertreter*innen der rus­si­schen Bot­schaft das Pro­ze­de­re wie­der­ho­len. Für Russ­land ist der 9. Mai - unter ande­rem wegen der Zeit­ver­schie­bung - der Tag des Sie­ges über den Faschis­mus. Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit rus­si­schen Nationalist*innen wie denen des Biker-Clubs Nacht­wöl­fe, die den Tag in der Ver­gan­gen­heit wie­der­holt für ihre Ver­samm­lun­gen genutzt hat­ten, befürch­tet Ellen Händ­ler auf­grund der poli­zei­li­chen Anord­nung nicht. Auch für Rechts­ex­tre­me sei an die­sem Tag kein Platz, die den Tag "als Tag der Schan­de emp­fin­den und nicht akzep­tie­ren wol­len, dass Deutsch­land im Zwei­ten Welt­krieg der Aggres­sor war", betont Händler.

In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 unter­zeich­ne­ten die Ober­be­fehls­ha­ber der deut­schen Wehr­macht im sowje­ti­schen Haupt­quar­tier in Karls­horst, dem heu­ti­gen Muse­um Ber­lin-Karls­horst, die Kapi­tu­la­ti­ons­er­klä­rung. Für sie, die in der DDR sozia­li­siert wur­de, sei es ein Glück, dass die alli­ier­ten Kräf­te Deutsch­land den Frie­den gebracht haben, so Händ­ler, dar­un­ter Soldat*innen aus allen Sowjet­re­pu­bli­ken - eben auch der Ukrai­ne -, die von allen Alli­ier­ten die meis­ten Toten zu bekla­gen hat­ten. Etwa 170 000 Sowjetarmist*innen opfer­ten ihr Leben, allein um Ber­lin von der Nazi-Dik­ta­tur zu befreien.

Die zwei­te gro­ße Sta­tue des Trep­tower Ehren­mals, ein Sol­dat, der mit sei­nem Schwert ein Haken­kreuz zer­schlägt und ein Kind auf dem Arm trägt, ste­he sym­bo­lisch dafür, "dass wie­der Leben ent­ste­hen kann", erklärt Händ­ler. Des­halb sei das Ehren­mal "für uns ein wich­ti­ges Sym­bol" und der Krieg in der Ukrai­ne kein Grund, den Fried­hof zu schän­den und die Toten zu "besu­deln".

Die aktu­el­len Schmie­re­rei­en auf ver­schie­de­nen sowje­ti­schen Denk­mä­lern in Ber­lin wecken Erin­ne­run­gen an das Jahr 1990. Damals, kurz nach dem Mau­er­fall, stan­den das ers­te Mal Nazi-Sprü­che auf dem Ehren­mal im Trep­tower Park. Als Reak­ti­on dar­auf sei dann die Ber­li­ner VVN-BdA ent­stan­den. "Wir müs­sen alles dafür tun, dass die­se Schän­dun­gen auf­hö­ren", erklärt Händ­ler. Außer­dem kämpft ihr Ver­ein seit vie­len Jah­ren dafür, dass der 8. Mai, wie frü­her in der DDR, ein Fei­er­tag wird. Dafür über­gab der Ver­band am Don­ners­tag eine Peti­ti­on mit 175 000 Unter­schrif­ten an Bun­des­rats­prä­si­dent Bodo Rame­low (Lin­ke).

Ob das Geden­ken am 8. und 9. Mai so still wird wie geplant, ist noch nicht aus­ge­macht. An bei­den Tagen sind in der Haupt­stadt ins­ge­samt rund 50 Ver­an­stal­tun­gen unter ande­rem rus­si­scher Initia­ti­ven, anti­rus­si­sche Gegen­kund­ge­bun­gen sowie Demons­tra­tio­nen gegen den den Krieg ange­kün­digt. Innen­se­na­to­rin Iris Spran­ger (SPD) sprach in dem Zusam­men­hang von einer "ernst­haf­ten Ein­satz­la­ge" der Poli­zei. "Wir wer­den alles tun, um die Instru­men­ta­li­sie­rung his­to­ri­schen Geden­kens zu ver­hin­dern", so Spranger.

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