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Plötzlich Basketballer: Christ Koumadjes spannende Reise aus dem Tschad bis nach Berlin

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Mit Christ Koumadje hat ALBA BERLIN nicht nur einen beeindruckend großen Center verpflichtet, sondern auch einen jungen Mann mit einer spannenden Geschichte. Die hat den 24-Jährigen vom Tschad über den Senegal in die USA und bis nach Europa geführt. Dabei hatte Koumadje mit Basketball lange überhaupt nichts zu tun - bis ein Zufall sein Leben verändern sollte.

Text: Louis Richter, Titelbild: Jan Buchholz

Basketball war für ALBAs neuen Center Christ Koumadje eigentlich nicht viel mehr als ein Hobby. Leidenschaftlich spielte der 2,21-Meter-Mann als Teenager dagegen mit seinen Freunden Fußball auf den Straßen von N'Djamena, der Hauptstadt des zentralafrikanischen Staats Tschad. „Ich stand sehr viel im Tor, das hat mir Spaß gemacht. Wenn ich mal als Feldspieler gebraucht wurde, habe ich als letzter Mann versucht, mit meinen langen Beinen den Ball vom Tor fernzuhalten", erzählt Koumadje in ALBAs Trainingszentrum in der Schützenstraße. Dass ihn seine Reise aus dem Tschad über die USA bis nach Europa führen würde, das war für Koumadje früher zu keiner Zeit absehbar. Und dass es mit dem Basketball passieren würde erst recht nicht.

2012 verließ Koumadje als 16-Jähriger sein von politischen Unruhen und Bürgerkriegen gebeuteltes Heimatland und zog ins über 3000 Kilometer entfernte Senegal. Wie sehr dieser Schritt sein Leben verändern würde, war da noch nicht absehbar. Kurz zuvor erlebte Koumadje einen Wachstumsschub, der ihn dazu brachte, sich erstmals lose mit dem Basketball beschäftigte. Als er in Dakar eines Tages mit einem Freund von der Schule nach Hause ging, wurde ein gewisser Ibrahima N'Diaye auf ihn aufmerksam und sprach ihn auf der Straße an.

Wie es der Zufall wollte

N'Diaye ist der Gründer der Flyingstar Academy in Dakar, die es sich zum Ziel gemacht hat, jungen Afrikaner*innen in Sachen Bildung und Basketball den nächsten Schritt zu ermöglichen. Koumadje beherrschte zu dieser Zeit nicht einmal die Basics des Basketballspiels, war aber sehr groß und sehr beweglich. Das weckte Interesse - und Koumadje entschloss sich, es unter N'Diayes Anleitung ernsthaft mit dem Basketball zu probieren. „Wir haben angefangen zusammenzuarbeiten und uns dreimal pro Woche zum Training zu treffen. Sechs Monate später hat er mir das Stipendium an der Montverde Academy in Florida besorgt", erzählt Koumadje.

Aus dem Senegal nach Florida Foto: Jan Buchholz

Dazu muss man wissen: Das Basketballprogramm der Montverde Highschool ist eines der renommiertesten der USA. Spieler wie die NBA-Stars Joel Embiid (Philadelphia 76ers), R.J. Barrett (New York Knicks) oder Ex-Albatros Landry Nnoko besuchten die Schule. Koumadje selbst fand sich plötzlich in einem Team mit Ben Simmons (heute Philadelphia 76ers) und D'Angelo Russell (Minnesota Timberwolves) wieder. Beide zählten damals zu den vielversprechendsten Talenten des Highschool-Basketballs - während Koumadje zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht ein einziges organisiertes Basketballspiel bestritten hatte. Er war ein Neuling, sowohl im Team als auch in der Sportart.

„Es war anfangs wirklich schwierig für mich, dort mitzuspielen. Alles war zu schnell für mich", erzählt Koumadje. Doch das Training auf höchstem Niveau machte sich schnell positiv bemerkbar: „Dadurch, dass ich mit so vielen Top-Talenten trainiert habe, wurde ich schnell besser. Das Training war sehr intensiv, ich musste einfach schneller lernen", sagt Koumadje über den Crashkurs.

Die Ausbildung an der Montverde Academy machte den Center schnell für diverse Colleges interessant, am Ende entschied sich Koumadje für die Florida State University, an der er vier Jahre verbrachte und seine Skills dank harter Arbeit stetig verbesserte. Florida ist für den Jungen aus dem Tschad entsprechend zur zweiten Heimat geworden: „Das Wetter dort ist fantastisch, fast wie Zuhause", sagt Koumadje mit einem Lächeln.

Über Spanien und Russland nach Berlin

Das verfrühte Frühlingswetter genießt er derzeit auch in Berlin. „Ich kundschafte gerne meine Wohngegend aus und genieße die Sonne. Die Stadt gefällt mir bisher richtig gut", sagt Koumadje, dessen Reise aus dem Tschad während der letzten zwei Jahre mehrere spannende Kapitel hinzugewonnen hat.

Für die Delaware Blue Coats, das Farmteam der Philadelphia 76ers, kam der Neu-Albatross während der Saison 2019/20 auf 33 Einsätze in der G-League. Dank überragenden vier Blocks pro Spiel (gegen die Erie BayHawks blockte Koumadje einmal 12 Würfe in nur einem Spiel) wurde er als bester Verteidiger der Liga ausgezeichnet.

Über Zwischenstationen in Spanien bei Estudiantes Madrid (ACB) und in Russland bei Avtodor Saratov (VTB League) ist Koumadje nun bei ALBA gelandet - und von seinen ersten Eindrücken begeistert: „ALBA ist ein Verein mit einer großen Geschichte, und die Coaches und der ganze Staff haben einen sehr guten Ruf. Es ist eine große Chance für mich, und ich bin sehr glücklich darüber, in Berlin zu sein." Koumadje will mit seiner Körpergröße vor allem Defense mit nach Berlin bringen und sich auf höchstem Niveau durchsetzen: „Gerade in der EuroLeague ist das Talentlevel extrem hoch und die Liga ist sehr spannend und anspruchsvoll", sagt Koumadje.

Debüt in wenigen Wochen Foto: Camera4

Es kann noch etwas dauern, ehe der Center erstmals für ALBA auf dem Court steht. „Wir geben Christ Zeit, sich an das Team, an den Rhythmus und unsere Spielweise zu gewöhnen. Er hat in dieser Saison nur wenig Spielpraxis gehabt, weshalb er noch etwas Zeit braucht, um körperlich in einen optimalen Fitnesszustand zu kommen", sagt Sportdirektor Himar Ojeda. Die Partien der Albatrosse verfolgt Koumadje derzeit noch am Spielfeldrand: „Ich habe so noch mal ein besseres Gespür für die Intensität der Spiele bekommen und gesehen, wie hart die Jungs für die Siege arbeiten."

In den alltäglichen Abläufen des Teams ist Koumadje dafür schon voll involviert. "Ich bringe mich ein, wo ich kann. Es macht Spaß, alle Spieler kennenzulernen." Einer, der das bestätigen kann, ist Jayson Granger. Die beiden wohnen nah beinander, ALBAs Aufbauspieler diente während Koumadjes ersten Tagen in Berlin als dessen persönlicher Chauffeur: "Und ich kann sagen: Der Typ ist einfach zu groß, er passt kaum in mein Auto", sagt Granger.

Der Veteran hält in jeglicher Hinsicht viel vom neuen Center: "Er hat sehr viel Talent, arbeitet sehr hart und will sich jeden Tag verbessern. Mit seiner Mentalität ist er hier bei ALBA genau richtig. Er wird uns dabei helfen, unseren Korb noch besser zu beschützen. Es ist nie einfach, gegen einen 2,21-Meter großen Spieler mit so langen Armen zu spielen." Koumadje sei ein bescheidener und witziger Typ, der menschlich und sportlich gut ins Team passe.

Der Film- und Musik-Enthusiast Koumadje kann es selbst kaum erwarten, bis er erstmals in einem Spiel auf dem Court steht. Und bis es so weit ist, nutzt er jeden Tag, um an sich zu arbeiten: „Neben dem Teamtraining trainiere ich auch viel individuell, mache viel Krafttraining und bin einfach gerne zusammen mit dem Team." So spricht einer, der seiner Profession mit Leidenschaft nachgeht. Und der auf unwahrscheinlichste Art und Weise aus einem seiner Hobbys seinen Beruf gemacht hat.

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