Das Bundesverfassungsgericht hat vergangene Woche den Berliner Mietendeckel gekippt. Den Karlsruher Richter*innen zufolge ist das Gesetz unvereinbar mit dem Grundgesetz, weil der Bund das Mietpreisrecht abschließend geregelt habe - zum Beispiel mit der bundesweit geltenden Mietpreisbremse. 1,5 Millionen Mietverhältnisse sind von der Entscheidung betroffen, diesen Mieter*innen drohen nun hohe Nachzahlungen. Hier erzählen fünf von ihnen.
Ich saß gerade mit meiner Partnerin beim Frühstück, als ich die Eilmeldung auf mein Handy bekam, dass der Mietendeckel gekippt wurde. Wir haben uns beide angeschaut und erst mal gar nichts gesagt. Es war die Nachricht, von der wir seit Monaten gehofft haben, dass sie nicht kommt. Ich war wütend und enttäuscht, dass der aus meiner Sicht progressive Versuch der Berliner Politik so abgeschmettert wurde. Uns hat der Mietendeckel sehr geholfen. Wir haben uns in der vergangenen Woche schon fast nur von Brötchen ernährt, weil das Geld gerade sehr knapp ist. Jetzt müssen wir vermutlich bald wieder doppelt so viel Miete zahlen, plus eventuell 2.000 Euro Nachzahlungen. Noch haben wir von unserem Vermieter aber nichts gehört.
Wir wohnen in einer Zweizimmerwohnung in Wedding, die 48 Quadratmeter groß ist. Vor dem Mietendeckel hat sie fast 800 Euro warm gekostet, seit November 2020 nur noch die Hälfte. Mich hat das wahnsinnig erleichtert: Ich hatte zu Beginn der Pandemie meine Werkstudentenstelle verloren und auf einen Schlag monatlich 800 Euro weniger zur Verfügung. Ungefähr zur selben Zeit wurde mir das Bafög gestrichen, weil meine Mutter von dem Zeitarbeitsunternehmen, bei dem sie tätig war, von einem Unternehmen direkt übernommen wurde und dadurch nun etwas mehr Gehalt verdient. Für mich hat das allerdings keine Verbesserung bedeutet. Auch sie lebt ziemlich auf Kante und steckt seit fast zehn Jahren in einem teuren Rechtsstreit mit meinem Vater, der sich weigert, Unterhalt zu zahlen.
Ich fühle mich in meiner Wohnung gerade nicht mehr wirklich zu Hause. Luca
Von meiner Mutter bekomme ich monatlich 250 Euro. Davon und von meinen Ersparnissen habe ich im vergangenen Jahr gelebt und konnte die Zeit während meiner Bachelorarbeit finanzieren. Die Ersparnisse waren allerdings nach ein paar Monaten völlig aufgebraucht. Seitdem greifen mir meine Großeltern, Onkel und Tanten öfters unter die Arme. Sie wissen, dass es bei mir oft knapp wird. Im vergangenen halben Jahr hat das Geld meiner Mutter immerhin für die Miete gereicht, jetzt rutsche ich ungemein ins Minus. Ich fühle mich in meiner Wohnung gerade nicht mehr wirklich zu Hause.
Meine Freundin studiert noch. Ihr Studium ist ziemlich zeitaufwendig, für einen Nebenjob ist keine Zeit. Auch bei ihr ist das Geld knapp, sie bekommt mittlerweile nur noch 50 Euro Bafög, ihre Familie zahlt ihren Teil der Miete, darüber hinaus hat sie etwa 150 Euro zur Verfügung. Wie es jetzt weitergehen soll, wissen wir nicht genau. Ich bin gerade auf Jobsuche. Zum Glück haben wir wenigstens Familienmitglieder, die uns unterstützen können. Damit sind wir immer noch privilegierter als viele andere.
Als ich am Donnerstagmorgen aufgewacht bin, waren meine WhatsApp-Gruppen bereits am eskalieren. Viele meiner Freund*innen hatten Angst vor einer Nachzahlung und haben sich über ihre Mieterhöhungen ausgetauscht. Meine Mitbewohnerin hat sofort in unseren Vertrag geschaut, was die Entscheidung für uns bedeutet: Statt 840 Euro zahlen wir nun 1.000 Euro. Ich habe an dem Tag stundenlang geweint. Ich bin damit groß geworden, nie genug Geld zu haben und habe große Angst davor, nicht für mich aufkommen zu können.
In wohne ich, seit ich zwei Jahre alt bin, die Stadt ist meine Heimat. Aufgewachsen bin ich in einer Plattenbausiedlung in Hohenschönhausen. Die Mietpreisentwicklung in Berlin macht mir Angst, selbst die Randbezirke werden immer teurer. Vielleicht bin ich pessimistisch, aber ich habe wenig Hoffnung, mein Leben lang in Berlin wohnen zu können.
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