Der Walk of Care will mehr als nur Klatschen vom Balkon. Diese Initiative von Pfleger*innen startete 2017 in Berlin mit Kundgebungen am 12. Mai. In diesem Jahr müssen sie ihre Aktionen Corona-bedingt ins Internet verlegen: In den Digital Walk of Care. Wir haben mit zwei der Macherinnen gesprochen.
Lea Friedrich aus Unterfranken wollte eigentlich Theaterregie in Berlin studieren. Dann lernt sie einen jungen Pfleger kennen und will das dann selbst - pflegen. Zur Überraschung ihres ganzen Umfelds: "Willst du nicht studieren? Bist du dir sicher? Das ist anstrengend und hart!" Klar, auch Friedrich erlebt das: Personalengpässen, Überstunden, Stress. Im Schnitt bricht Jeder vierte Pflegeazubi die Ausbildung ab.
Auch Lea kommt ins Grübeln: "Das war so in der Mitte der Ausbildung. Zum Glück war ich nicht alleine und wir waren eine Gruppe die gesagt hat, okay, also entweder wir werfen gemeinsam das Handtuch und brechen ab - oder wir machen jetzt was. Und so haben wir angefangen. Das war erst die Idee von einem Streik. Aber konstruktiver verwandelt in eine Pflege Konferenz der Pflegeschule." Lea und ihre Mitstreiter*Innen gründen den Berliner Pflegestammtisch und starten 2017 den ersten Walk of Care. Sie organisieren Poetry Slams mit Gesundheitsthemen, machen Songs und Kurzfilme über die Pflege und ziehen jeden 12. Mai mit ihren Forderungen durch Berlin. Pflegende aus anderen Städten schließen sich ihnen an, Aachen, Hamburg, Bremen, Stuttgart. Sie fordern mehr Personal, verpflichtende Fortbildungen, und für Berufsanfänger*innen eine gut betreute Einarbeitung.
"Dieses klassische Bild der Nonne, der Schwester, die für Sie zuständig ist. Aus Barmherzigkeit, aus Fürsorge, unbezahlt, meistens eben von Frauen ausgeführt. Das ist historisch gewachsen und das müssen wir überwinden." In diesem Covid 19 Jahr ist der Walk auf Care vor allem digital. Unter den Hashtags #digitalwalkofcare und #gibuns5. Der 12. Mai gilt in diesem Jahr als Auftakt. Pflegekräfte posten Fotos von sich in Arbeitskleidung im Supermarkt, beim Einkaufen in Sozialen Netzwerken.
Die britische Krankenpflegerin Florence Nightingale machte schon 1820 Care Revolution.
"Diese Selbstwirksamkeit zu spüren, diese Erfahrung haben viele Pflegende noch nicht gemacht. Wenn ich nach dem Frühdienst noch zu einer Aktion fahre, am nächsten Tag früh um vier aufstehe und zum Frühdienst gehe, bin ich erschöpft - aber ich bin aktiv. Und kein passiver Teil in einem Riesensystem." Im Vergleich zu der großen Zahl an Pflegenden in Deutschland ist der Walk of Care noch relativ klein. Es brauche für die Pflege eine bundesweite Interessengemeinschaft - ähnlich den Ärztekammern, fordert Constanze Giese. Sie ist Pflegefachfrau aus München und Professorin für Ethik in der Pflege an der Katholischen Stiftungshochschule.
"Diese Verkammerung wurde der Pflege in den meisten Bundesländern vorenthalten und damit ist sie schlechter gestellt als andere Heil- und Gesundheitsberufe. Was fatal ist, weil wir es hier mit einem Frauenberuf zu tun haben. Die starken Gewerkschaften sind nicht die, die Frauenberufe vertreten", sagt Giese.
Auch in der Coronakrise, sagt die Professorin, wäre eine Pflegekammer hilfreich gewesen: "Die Pflegekammer setzt voraus, dass Pflegekräfte registriert sind. Das heißt wir wissen gerade noch, wenn eine Pflegekraft eine Ausbildung abschließt, aber wir wissen nicht, wer von denen je mehr berufstätig wird oder ganz was anderes macht. Das war jetzt bei Corona der Fall, dass dann vom Ministerium aufgerufen wurde in den Orbit hinein, man möge sich melden. Aber das wurde ja deshalb gemacht, weil man die Leute nicht adressieren konnte."
Muss der Protest aus dem Pflegesektor also nur besser organisiert und lauter werden? Nein, sagt Giese, wir müssten auch generell umdenken: "Wir müssen den Pflegeberuf neu denken. Als einen anspruchsvollen Beruf, als einen zum nennenswerten Anteil akademisierten Beruf. Der Fürsorgliche und emotionale Aspekt ist harte Arbeit, wofür Sie viel Expertise brauchen, wenn es nicht die eigene Oma ist. Es ist harte Arbeit, wenn sie Sterbebegleitung gemacht haben. Ich glaube, dass die Pflege zur Lebensqualität der Bürger ein ganz zentraler Wirtschaftsfaktor ist. Und der muss auch etwas kosten."