Düsseldorf Einsatzkräfte laufen durch das Waldstück, sie sind auf der Suche nach toten Wildschweinen - sie sollen unter der Afrikanischen Schweinepest (ASP) gelitten haben. Schnell finden sie, was sie gesucht haben. Die Feuerwehrmänner und Mitarbeiter des Ordnungsamtes müssen den Kadaver so schnell es geht aus dem Wald bringen, zu einem der Container. Das möglichst so, dass kein weiterer Baumstamm, kein neues Stück Wald oder Wiese mit dem Virus kontaminiert wird.
Wild- und Hausschweine sterben in nahezu allen Fällen innerhalb von sieben bis zehn Tagen an der Seuche, die Ansteckungsgefahr ist extrem hoch. Noch gibt es keinen Impfstoff, anders als bei der Klassischen Schweinepest. Der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts Franz Conraths nennt die Krankheit „das Ebola für Schweine".
Die Feuerwehrmänner stecken ihren Fund in einen großen Sack, der einem Altkleidersack ähnelt. Dann ziehen die vier Männer den Sack hinter sich her, versuchen ihn zu tragen. Schon bald reißt er auf, ein anderes Modell muss her. Jetzt ist nicht mehr nur die Fundstelle vom Erreger verseucht. Gut, dass es sich hier nicht um ein echtes Wildschwein, sondern einen 40 Kilogramm schweren Sack voller Steine handelt. Das Veterinäramt hat ihn zuvor in den Wald gebracht.
Diese Übung spielte sich vor einigen Wochen in der Nähe des Wesel-Datteln-Kanals in der Stadt Marl im Ruhrgebiet ab. Der Kreis Recklinghausen probte, was im Falle eines Ausbruchs der Seuche zu tun ist. Damit ist er nicht alleine, derzeit treffen die Behörden in Nordrhein-Westfalen und der gesamten Bundesrepublik verschiedene Vorsorgemaßnahmen. „Man kann absehen, dass das Virus irgendwann nach Deutschland kommt", begründet die Sprecherin des Kreises Svenja Küchmeister die Übung.
Denn seit 2014 breitet sich die ASP immer weiter aus, vergangene Woche stellten belgische Behörden bei mehreren toten Wildschweinen das Virus fest - nur etwa 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Am Freitag bestätigten die Behörden im Nachbarland drei weitere Fälle. Damit trat der Erreger, der für den Menschen ungefährlich ist, erstmals in Westeuropa auf.
Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner erklärte daraufhin, sie nehme die Situation sehr ernst. „Die Afrikanische Schweinepest stellt seit längerem auch für Deutschland eine Bedrohung dar und unsere Vorbereitung für den Krisenfall laufen", sagte sie.
Das saarländische Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz kündigte beispielsweise an, Präventionsmaßnahmen in Höhe von 100.000 Euro ergreifen zu wollen. So lässt das Land unter anderem Kadaversammelstellen einrichten und plant, Treib- und Drückjagden zu bezuschussen.
Export von Schweinefleisch gefährdetSchilder sollen Reisende darauf hin weisen, ihr Wurst- oder Schinkenbrot nicht unachtsam auf einem Rastplatz wegzuschmeißen. Wildschweine könnten diese finden und essen. Das Friedrich-Loeffler-Institut, das dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nachgeordnet ist, hält es für wahrscheinlich, dass der Erreger so von Ost- nach Westeuropa gelangte.
Vor allem Landwirte fürchten den Erreger. Denn bereits das Auftreten im Wildschweinbestand würde bedeuten, dass kein Schweinefleisch mehr in Drittländer, also Länder außerhalb der Europäischen Union, exportiert werden kann. Ist ein Betrieb betroffen, müssen die Tiere direkt getötet werden.
Nach dem Fund der Tiere in Belgien haben sechs Staaten bereits den Import von Schweinefleisch aus dem Land gestoppt. Zu den Staaten gehören Südkorea, Mexiko und China, das selbst mit ASP zu kämpfen hat. Auch Präsident des Deutschen Bauernverbands Joachim Rukwied zeigte sich am Donnerstag bei einer Bauerntagung besorgt.
Schon zu Beginn des Jahres sprach Vizepräsident Werner Schwarz von kaum vorstellbaren volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen, sollte die Krankheit in der Bundesrepublik ausbrechen. Für die Schweinehalter könnten seinen Schätzungen nach Verluste von zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr bevorstehen. Die eigentliche Seuchenbekämpfung könnte Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe verursachen. Für die Branche mit insgesamt etwa 120.000 Beschäftigten in fast 24.000 Betrieben, so der Verband, ist der Export in Drittländer sehr wichtig.
Laut den vorläufigen Daten für 2017 lagen die Ausfuhren von Schweinefleisch und Nebenerzeugnissen in Drittländer bei 795.758 Tonnen im Wert von 1,42 Milliarden Euro, teilte das Landwirtschaftsministerium auf Handelsblatt-Anfrage mit. Von den Ausfuhren von Schlachtnebenerzeugnissen wie Ohren und Innereien in Drittländer ging mit 178.630 Tonnen fast die Hälfte nach China. Da nun das belgische Fleisch, das einige Drittländer nicht mehr importieren lassen, auf den europäischen Markt umgeleitet wird, fürchten einige Bauern einen Preisverfall.
Unterschiedliche Maßnahmen für verschiedene GebieteDieser Druck dürfte sich auch auf den deutschen Markt, der wegen zurückgehender Exporte nach China und einer rückläufigen Nachfrage der deutschen Verbraucher eh schon angespannt ist, auswirken. Ob und wie sich die Preise allerdings genau verändern werden, können auch die Marktexperten nicht genau vorhersagen.
Die Einsatzkräfte des Kreise Recklinghausen, in dessen Nähe viele Betriebe mit Schweinehaltung liegen, wollen nach der erfolgreichen Bergung der Wildweinattrappe der Seuchengebiet mit einem Zaun absichern. So sollen im Ernstfall keine infizierten Schweine in die umliegenden Gebiete gelangen und das Virus eingedämmt werden.
Aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen in jedem Gebiet entscheidet aber im Krisenfall jedes Veterinärsamt für sich, wie es vorgehen will. Einen Katalog mit Vorschlägen hat das Friedrich-Loeffler-Institut mit dem Deutschen Jägerverband (DJV) erstellt. „Die Ämter vor Ort entscheiden stets in Absprache mit dem Land. Für die rechtliche Grundlage sorgt das Bundesministerium", erklärt Vizepräsident Franz Conraths.
Normalerweise gehen die Behörden von drei Zonen aus: dem Kerngebiet mit infizierten Wildschweinen, dem gefährdeten Bezirk und der Pufferzone. In allen Zonen müssen sämtliche erlegte und tot aufgefundene Schweine auf ASP untersucht werden.
Denkbar ist beispielsweise, das Kerngebiet für sämtliche Menschen zu sperren und mit Hunden nach Fallwild zu suchen. Auch möglich ist es, die Ernte von Mais oder Getreide im Umkreis zu verschieben. Denn so könnten Wildschweine absichtlich auf die Felder gelockt und gezielt geschossen werden.
Zudem sei Conraths zufolge nicht auszuschließen, dass Hausschweine den Erreger über die Nahrung aufnehmen, falls die Feldfrüchte bei der Ernte mit Gewebe von an der Seuche gestorbenen Wildschweinen kontaminiert worden sind.
„Nicht jede Maßnahme ergibt überall Sinn", erklärt Conraths. „In einem normalen Waldgebiet wäre es vielleicht möglich, die Kernzone einzuzäunen und den Zutritt zu verbieten. Aber in einer Stadt wie Berlin ist das wohl kaum machbar."
Als das Institut und der DJV den Katalog erstellt haben, orientierten sie sich an dem Krisenmanagement in Tschechien. Denn dem Nachbarland ist es gelungen, die Verbreitung des Erregers vorerst zu stoppen. Seit April gab es Conraths zufolge keine weiteren Meldungen erkrankter Tiere. In anderen osteuropäischen Staaten ist das nicht gelungen.
Dass allerdings in NRW Scharfschützen der Polizei mit Nachtsichtgeräten in den Wäldern auf Wildschweine schießen - wie es in Tschechien praktiziert wurde -, hält Conraths für unwahrscheinlich. Das lasse die derzeitige Gesetzeslage in Deutschland auch gar nicht zu, bestätigt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.