Im Frühjahr wählt Ungarn ein neues Parlament. Wird Viktor Orbán an der Macht bleiben? Die Prognosen sprechen für ihn. Doch gerade bei jungen Ungarn regt sich Widerstand.
Bist du zufrieden mit deiner Regierung? Gergely schaut sich kurz um, bevor er antwortet. Aber hier im Park mitten in Budapest hört niemand zu. „Zufrieden? Nein, im Gegenteil. Was im Moment passiert, macht mich traurig. Überall siehst du Propaganda und die Politiker sind alle korrupt", antwortet der Neunzehnjährige. Im Frühjahr des kommenden Jahres wird er zum ersten Mal wählen dürfen. Für wen er nicht stimmen wird, ist ihm klar: die regierende Fidesz-Partei mit Viktor Orbán an der Spitze.
Seit 2010 ist sie an der Macht, davor schon einmal von 1998 bis 2002. Im Parlament stellt Fidesz fast eine Zweidrittel-Mehrheit, die ein Gesetz nach dem anderen durchbringt. Darunter eine neue Verfassung und eine Änderung des Wahlrechts. Letztere brachte Fidesz 2014 die Mehrheit im Parlament - bei etwa 45 Prozent der Stimmen. Kritiker befürchten, dass Orbán eine Autokratie errichten will. Er selbst nannte seine angestrebte Staatsform 2014 in einer Rede eine „illiberale Demokratie".
Gergely schämt sich dafür, dass sich Ungarn mittlerweile offiziell an der Türkei und Russland orientiert. Er würde sich wünschen, dass sich Ungarn stärker der Europäischen Union zuwende: „Wir haben nur Vorteile durch sie, aber Orbán instrumentalisiert sie zu unserem Gegner." Die jüngsten Gesetze der Fidesz-Regierung haben ihn auf die Straße getrieben. Für den größten Protest sorgten die Repressionen gegenüber der CEU, der Central European University, im April.
Die liberale Eliteuniversität, die vom Milliardär George Soros unterstützt wird, müsse einen Standort im Ursprungsland, den Vereinigten Staaten, vorweisen. Reine Schikane, vermuten Gegner des Gesetzes. Vielmehr ginge es um das Geld und den Einfluss des ungarischstämmigen Soros, der Orbán ein Dorn im Auge sei. Ähnlich verhalte es sich bei der Regulierung, dass Nichtregierungsorganisationen ihre Finanzierung aus dem Ausland offenlegen müssen. Auch gegen dieses Gesetz wurde in Budapest demonstriert.
Gergely war einer von Zehntausenden Protestierenden, die für Europa und den Erhalt der CEU auf die Straße gingen. „Endlich bewegt sich etwas und die jungen Leute stehen von der Couch auf", sagt er. Seine Augen leuchten. Es sind aufregende Zeiten in Budapest.
Mitorganisiert hat den Protestzug im April Daniel Mayer. Dafür hat er sich von einer Demonstration in Berlin inspirieren lassen, auf der mit Techno gegen Waffenexporte protestiert wurde: „Politik muss auch Spaß machen und wieder sexy sein! Deswegen haben wir aus der Demo eine Party gemacht", erzählt er. Mit Musik und guter Stimmung versuche das Team, junge Ungarn für Politik zu begeistern. Doch das Konzept hat Grenzen. „Wie überträgt man die Energie und Motivation der jungen Leute auf langfristige Politik?", fragt er und zuckt mit den Schultern.
Bei den anstehenden Wahlen könne man nur das geringere Übel wählen und gegen die Fidesz hat kaum eine Partei eine Chance. Außerdem lebe man in Budapest sowieso in einer Blase. „Hier leben zwar 20 Prozent der Ungaren, aber die anderen 80 Prozent haben ganz andere Sorgen, als sich über Politik den Kopf zu zerbrechen. Engagement muss man sich erst einmal leisten können", sagt Mayer. Trotzdem sei es gut, dass sich so viele Menschen gegen Orbán mobilisieren ließen.
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