Lisa Kuner

Freie Journalistin, Leipzig

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Schnitzel-Schlemmen in Deutschland und Regenwald-Schwund in Brasilien - was das miteinander zu tun hat

Für den Anbau von Soja werden in Brasilien große Flächen Regenwald abgeholzt. Ein Teil des Sojas landet als Tierfutter in europäischen Mastbetrieben.

Brasilien ist der weltweit größte Produzent von Soja. 20 Prozents des Sojas für Tierfütterung in Europa kommen aus illegaler Abholzung. Vor allem Indigene leiden darunter.

Mato Grosso/Brasilien - Soja-Plantagen soweit das Auge reicht - im brasilianischen Bundestaat Mato Grosso wird auf rund 106.000 km², einer Fläche größer als Portugal, die eiweißreiche Bohne angebaut. Soja ist inzwischen Brasiliens unangefochtener Exportschlager.

Mehr als 36 Millionen Tonnen Sojamehl aus Brasilien importiert die Europäische Union im Jahr. Der größte Teil davon wird hier als Tierfutter verwendet - um Schweine, Kühe und Hühner mit ausreichend Eiweiß zu versorgen. Nach einer Studie, die 2020 in dem wissenschaftlichen Magazin Science veröffentlicht wurde, wurde für rund 20 Prozent dieses Sojas illegal Wald abgeholzt. Mit Brasilien zu handeln, heiße also auch für Rodungen und Treibhausgasemissionen verantwortlich zu sein, schreiben die Autoren der Studie. Wie viel genau, sei schwer nachzuweisen, meint Christian Russau vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika. Fest steht aber, um den europäischen Fleischhunger zu stillen, wird in Brasilien Wald abgeholzt.

Problem-Verschiebung: Gesetzliche Regeln in Brasilien zu illegalem Soja-Abbau - Verlust von Biodiversität

Seit 2006 gilt in Brasilien das sogenannte Soja-Moratorium: Es ist eine Vereinbarung zwischen Soja-Industrie, Politik und Zivilgesellschaft kein Soja aus illegal abgeholzten Gebieten der Amazonasregion zu kaufen. Das funktioniert auch, hat das Problem aber nicht gelöst, sondern bloß verschoben. Inzwischen wird Wald für Soja statt im Amazonasgebiet meist in Brasiliens Steppenlandschaft Cerrado gerodet. Auch dort hat das einen massiven Verlust von Biodiversität zur Folge. „Soja ist außerdem kein sozial integratives Produkt", erklärt Russau. Der Anbau von Soja brächte zwar große Gewinne, schaffe aber nur sehr wenige Arbeitsplätze.

Auf Kritik an der Verletzung von Umweltstandards von außen reagiert Brasiliens Regierung meist empfindlich. Nachdem der französische Präsident Emanuel Macron im Januar twitterte „Weiter von brasilianischem Soja abhängig zu sein, bedeutet die Abholzung des Regenwaldes zu unterstützen", unterstellte der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ihm Kolonialismus.

Continuer à dépendre du soja brésilien, ce serait cautionner la déforestation de l'Amazonie. Nous sommes cohérents avec nos ambitions écologiques, nous nous battons pour produire du soja en Europe ! pic.twitter.com/CORHnlIp8E

- Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) January 12, 2021 Unter Brasiliens Präsident Bolsonaro hat sich die Lage weiter zugespitzt - Indigene leiden besonders darunter

Abholzung für landwirtschaftliche Nutzung ist in Brasilienschon länger ein Problem - unter der aktuellen Regierung von Präsident JairBolsonarohat sich die Lage aber noch zugespitzt. Zum einen hat er vielen Institutionen, wie zum Beispiel dem Umweltministerium, finanzielle Mittel entzogen. Zum anderen macht der Präsident auch immer wieder klar, dass Abholzung und Landraub kein Problem und ihm die Rechte von Indigenen egal sind. „Er ermutigt illegale Holzfäller damit richtig", meint Christian Russau. Das hatte 2019/20 einen Rekordanstieg an Rodungen zur Folge. Davon betroffen sind vor allem indigene Menschen, die normalerweise auf diesen Gebieten leben.

Laut der brasilianischen Verfassung haben Indigene das Recht, das ihre Gebiete demarkiert, also gesondert gekennzeichnet und geschützt werden. Bolsonaro hatte aber schon zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, Indigenen „keinen Zentimeter Boden" mehr zuzusprechen - und das in die Tat umgesetzt. Das führt auch dazu, dass Indigene nun unter prekären Bedingungen am Rand von Soja-Plantagen leben - In der Hoffnung, irgendwann in Zukunft wieder ihr Land zurück zu bekommen.

Brasilianisches Soja: Nachfrage nach billigem Schnitzel in Europa ist eins der Kernprobleme

Abgesehen von der Abholzung gibt es noch weitere Umweltprobleme beim brasilianischen Soja: Ein Großteil davon ist gentechnisch verändert und für den Anbau werden große Mengen an Pestiziden verwendet. Viele davon sind in der Europäischen Union verboten.

Handlungsbedarf sieht Christian Russau auf der einen Seite bei den gesetzlichen Regeln. „Wir brauchen in Deutschland dringend ein Lieferkettengesetz", sagt er. „Dann könnten wir Unternehmen endlich in die Verantwortung ziehen." Auf der anderen Seite glaubt er aber auch, dass sich der Fleischkonsum reduzieren muss. „Solange es die Nachfrage nach Soja zur Tierfütterung gibt, bleibt das Problem bestehen", meint er.

von Lisa Kuner
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