Lisa Breit

Redakteurin bei "Der Standard", Wien

8 Abos und 17 Abonnenten
Artikel

"Betrügerinnen": Wenn Erfolg zu Zweifeln führt

Ein Arbeitskontext, in dem viel Konkurrenz herrscht, fördert die Versagensängste weiter. Die Gefahr: Dass der Druck steigt und Betroffene ausbrennen.

Frauen sind vom "Impostor"-Phänomen besonders betroffen. Wie es gelingen kann, die eigenen Leistungen zu schätzen

Ein steiler Karriereverlauf, gutes Feedback, viel Verantwortung, aber nicht in der Lage sein, den Erfolg auch als Eigenleistung anzuerkennen: Diese Unfähigkeit betrifft gar nicht wenige Menschen in Toppositionen, im psychologischen Fachjargon firmiert sie unter "Impostor Syndrome", "Betrügersyndrom".

"Es handelt sich um Leute, die sehr viel schaffen - das aber nicht ihren eigenen Fähigkeiten zuschreiben", erklärt Barbara Schober vom Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien, die das Phänomen in einer Studie erforschte. "Sie schieben das Erreichte externen Faktoren zu und haben permanent Angst, als Betrügerinnen oder Betrüger entlarvt zu werden."

Besonders betroffen

Eingebildete Hochstapler seien sehr perfektionistisch, könnten Lob schlecht annehmen, "meinen, man müsse sich im Idealfall nicht sonderlich anstrengen, um gut zu sein" - und hätten ständig Angst, das nächste Mal die Erwartungen nicht erfüllen zu können.

Besonders betroffen seien Frauen. "Schon biografiebedingt haben sie höhere Ansprüche an sich selbst", so die Erklärung der Wissenschafterin. "Sie versuchen, vielem gleichzeitig gerecht zu werden. Es ist letztendlich also eine zunächst positive Eigenschaft, die ihnen da auf den Kopf fällt."

Im Arbeitsalltag äußern würde sich das Impostor-Phänomen anfangs durch einen gesteigerten Arbeitsaufwand: "Ständig den Eindruck zu haben, nicht zu genügen, treibt unglaublich an." Schnell würde sich die Leistungsfähigkeit aber in ein Gefühl der Überforderung verwandeln: "Der Selbstwert sinkt, Zweifel tauchen auf."

Klima entscheidet

Ein Arbeitskontext, in dem viel Konkurrenz und Druck herrschen, würde die Versagensängste weiter fördern, sagt Schober. "Wichtig ist deshalb, dass es eine Firmenkultur gibt, in der auch Fehler toleriert werden. In der Leistung und Person nicht gleichgesetzt werden."

Barbara Schober gibt Tipps, wie es gelingen kann, eigene Stärken wieder mehr schätzen zu lernen:

1. Wichtig sei das bewusste Reflektieren und Wahrnehmen von Stärken. Dazu könne helfen, sich regelmäßig eigene Erfolge vor Augen zu führen: Was habe ich eigentlich schon geschafft? Welche Fähigkeit hat mir dabei geholfen?

2. Fehler können passieren, daher sei es auch wichtig, dass man lernt, sich selbst zu verzeihen, sagt Schober.

3. Unbedingt: Den richtigen Referenzrahmen verwenden. Sich selbst bewusst zu machen: Bis zu diesem Punkt kann ich nicht nur durch Betrügen gekommen sein.

4. Ebenso wichtig sei es, Grenzen zu setzen, zu Aufgaben auch einmal Nein zu sagen. Es sei nicht förderlich und schon gar nicht notwendig, es immer allen recht machen zu wollen. Besser: sich auf eigene Werte und Ziele besinnen.

5. Wenn nötig, solle man sich auch Unterstützung holen: Netzwerke aufbauen, Mentorinnen oder Mentoren suchen, mit Kollegen sprechen. Ebenfalls wichtig sei emotionale Unterstützung im Team, sagt Schober.

6. Vorgesetzte sollten eine Kultur der Zusammenarbeit schaffen, in der Fehler erlaubt sind - und als Lernchance genutzt werden, in der Persönlichkeit und Leistung getrennt voneinander betrachtet werden. Sie sollten Anforderungen stellen, aber darauf achten, dass der Leistungsdruck nicht komplett ausartet.

7. Schließlich sei es auch wichtig, dass Chefs Stärken realistisch sehen und regelmäßig Feedback dazu geben. (Lisa Breit, 12.9.2015)

Zum Original