Lisa Breit

Redakteurin bei "Der Standard", Wien

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Artikel

Wie Rollenerwartungen das Fortkommen von Frauen beeinflussen

Managementforscherinnen Marita Haas und Sabine Köszegi sagen, dass auch Beziehungsfähigkeit – oft eher bei Frauen zu beobachten – eine wichtige Kompetenz für Leader ist.

Rollenerwartungen werden für Frauen oft zu Stolpersteinen auf dem Weg an die Spitze, wie TU-Wissenschafterinnen mit ihrer Forschung zeigen

Mit größter Selbstverständlichkeit wird mit Frauen und Männern im Bürokontext unterschiedlich umgegangen: Für sie oder ihn gilt ein anderes Verhalten als angemessen, an sie oder ihn werden (sei es bewusst oder unbewusst) andere Erwartungen gestellt, als Kollege, als Chefin, als Vertrauensperson.

Das wäre insofern nicht weiter problematisch, würden diese Erwartungen nicht auch zu Ungerechtigkeiten führen - und zu Nachteilen insbesondere für Frauen. Wie genau sich diese Nachteile nun auf Frauenkarrieren auswirken, analysierten kürzlich zwei Wissenschafterinnen der Technischen Universität Wien - und zwar anhand der Auswahl von Führungskräften in einem großen IT-Unternehmen.

Wer wird überhaupt eingestellt?

Ihren Untersuchungsgegenstand wählten Marita Haas und Sabine Köszegi, beide spezialisiert auf den Bereich Managementforschung, mit Bedacht: "So ein Assessmentcenter ist ein wichtiges Moment", sagen die Forscherinnen, "hier wird entschieden: Wer wird überhaupt ins Unternehmen aufgenommen? Und wer steigt in Führungspositionen auf?" Außerdem würden sich institutionalisierte Praktiken in dieser Situation besonders deutlich zeigen, "also was von einer Führungskraft erwartet wird und ob eine Person diese Rollenerwartungen erfüllt oder nicht."

Für ihre Studie sprachen Haas und Köszegi nicht nur mit Personalern und Führungskräften, sie wohnten auch als Beobachterinnen der Finalrunde des Assessmentcenters bei. "Von Bewerberinnen und Bewerbern wird einerseits erwartet, dass sie wissen, wie sie sich zu benehmen haben - etwas überspitzt gesagt, dass sie grüßen und Danke oder Bitte sagen." Aber nicht nur das - darüber hin aus scheint es auch, und das ist das Bemerkenswerte, eine Rolle zu spielen, "ob er oder sie sich als Mann oder Frau so verhält, wie er oder sie sich als Mann oder Frau eben zu verhalten hat."

Und wer steigt auf?

Wie die Wissenschafterinnen beobachten konnten, "wird es sehr schnell als unpassend und unangenehm empfunden, wenn eine Person diese Erwartungen nicht erfüllt." So kam es etwa zu einer Situation, in der eine Bewerberin bei der Frage nach ihrer Work-Life-Balance ein Spielzeugauto aus der Tasche holte und damit zu spielen begann. Das sei ihre Abend beschäftigung: mit ihren kleinen Kindern zu spielen.

Als die Forscherinnen diese Sequenz gemeinsam mit den Anwesenden interpretierten, zeigte sich: Alle waren offenbar von dem Verhalten der Bewerberin irritiert und bewerteten die Situation als "komisch", "peinlich" oder sogar als "abstoßend". Einer Teilnehmerin wurde sogar "schlecht vor so viel Mütterlichkeit, die da plötzlich im Besprechungsraum war." Eine andere hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie selbst abends zu müde sei, um noch mit ihrem kleinen Sohn zu spielen.

"Es waren durchwegs sehr emotionale Reaktionen, die uns zeigen, wie unreflektiert in Unternehmen eigentlich mit dem Thema Elternschaft und Professionalität umgegangen wird", sagen Haas und Köszegi, und die "vermuten lassen, wie schwer sich Arbeitnehmer tun, die einzelnen Rollen überhaupt zu vereinbaren." Die beobachte Szene würde veranschaulichen, dass von Frauen häufig erwartet werde, das "Muttersein zu verstecken", und sie sich in der Folge häufig an Identitätskonflikten aufreiben.

Beziehungsfähigkeit ausschreiben

Aber nicht erst im persönlichen Gespräch, schon bei der Vorauswahl werden Rollenerwartungen zu Stolpersteinen auf weiblichen Karrierewegen. In Stellenausschreibungen wür den meist Eigenschaften gewünscht, die gemeinhin als "männliche Führungskompetenz" gelten: Durchsetzungsfähigkeit, Entscheidungsstärke, analytisches Denken. Frauen würden sich von diesen Beschreibungen selten angesprochen fühlen und sich erst gar nicht für die Position bewerben.

Nicht umsonst herrsche also in vielen Unternehmen große Ratlosigkeit darüber, warum sich trotz Frauenförderungsprojekten keine Ebenbürtigkeit einstellt.

"Diese Maßnahmen allein reichen nicht. Wichtig wäre, über Stereotype zu reflektieren", sagen die Forscherinnen. Was kann ihrer Meinung nach getan werden, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen? "Unterschiedlichkeit muss stärker zugelassen werden", sagen Haas und Köszegi. Sie raten, bereits bei Jobinseraten anzusetzen: "Warum nicht auch einmal Beziehungsfähigkeit ausschreiben?"

Für sensible Auswahl schulen

Bestenfalls sei auf Schlagworte zu verzichten, zugunsten eines ausformulierten Qualifikationsprofils ("Suchen Führungskraft, die gut im Umgang mit Menschen ist"). Recruiter und Entscheider gelte es zu -dem in Gendersensibilität zu schulen. "Damit sie sich öfters für Personen entscheiden, die nicht stereotypen Kriterien entsprechen." (Lisa Breit, 12.9.2015)

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