Lisa Breit

Redakteurin bei "Der Standard", Wien

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Ästhetik und Nachhaltigkeit unter einem Dach

Das von österreichischen Forschern entwickelte Plusenergiegebäude Lisi gewann 2013 den wichtigen US-Wettbewerb Solar Decathlon.

Ein neues Berechnungstool soll energieeffizientes Bauen erleichtern und Klarheit über Kosten schaffen

Wenn ein Haus - sei es durch Solar- oder Windkraft - mehr Energie erzeugt, als dafür aufgewendet werden muss, gilt es als Plusenergiegebäude. Der gesamte Ertrag an Wärme und Strom ist in diesem Fall im Jahresschnitt höher als der Verbrauch.

Ob aus einem herkömmlichen Haus ein Plusenergiegebäude konstruiert werden kann, war Gegenstand eines Forschungsprojekts der Architektin Ursula Schneider von pos architekten, das 2012 von der FemPower-Call der Wirtschaftsagentur Wien gefördert wurde. "Wir haben ein kombiniertes Rechen- und Planungstool entwickelt, mit dem wir für Kunden in einer sehr frühen Phase Klarheit über Möglichkeiten und Kosten erzielen können", sagt Schneider.

Aber was ist der Mehrwert des Tools? "Inkludiert ist ein Haustechnikvorschlag, ein Lebenszyklusmodell und ein 3-D-Modell, mit dem auch der Schatten, den benachbarte Gebäude auf das Haus werfen, miteinbezogen werden kann. Normalerweise wird das nur hochgerechnet, die Beschattung nicht miteinbezogen. Bei uns schon", sagt Schneider.

In ihrem Team arbeiten Spezialisten aus den Bereichen Architektur, Gebäudesimulation, Haustechnik und Usability. Sie berechnen den Energieaufwand standort- und bewohnerspezifisch und berücksichtigen die Funktion, die das Gebäude erfüllen soll.

Bei der Schätzung des Stromverbrauchs arbeitet die Gruppe mit Nutzerprofilen wie dem verschwenderischen Nutzer oder effizienten Nutzer. "Wir beachten dabei sogar, wann jemand seinen Geschirrspüler laufen lässt." Am Ende stehe immer die Frage: "Wie viel Energie muss noch am Gebäude erzeugt werden?"

Nicht nur bereits bestehenden Gebäuden, auch Neubauten widmet sich das Team, denn: "Sie sind meist nicht für die Energiegewinnung optimiert", sagt Schneider, deren Mission es ist, "zu zeigen, wie die Gebäudehülle beschaffen sein soll, damit mehr Energie produziert werden kann."

Die Architektin, die sich seit mittlerweile 30 Jahren auf nachhaltiges Bauen spezialisiert hat, bemängelt, dass das Thema Plusenergie noch nicht in den Köpfen verankert ist. "Am Markt bewegt sich wenig." Der Grund dafür: Weil der Aufwand groß und die Nachfrage der Kunden gering sei, hätten Bauträger derzeit kaum Interesse daran, Plusenergiehäuser zu errichten.

Österreich stehe in puncto Nachhaltigkeit zwar im internationalen Vergleich "traditionell gut da", die anderen Länder würden aber gerade im Bereich Bauen aufholen, es gebe dort weniger Vorbehalte. "Wir müssen am Ball bleiben", sagt Schneider.

Was sie an der Forschung und Weiterentwicklung des Sektors begeistere, sei "diese Kombination aus Gestaltung, Technik und Innovation" - ebenso "im Team mit Experten unterschiedlicher Disziplinen zusammenzuarbeiten".

Und was sie als Architektin trotz der Notwendigkeit der Energieeffizienzoptimierung nicht vernachlässigt wissen will, ist die Baukultur. "Natürlich muss ein Gebäude vor allem schön sein, wir Menschen wohnen ja darin", sagt Schneider. "Aber ich bin davon überzeugt, dass sich die Aspekte Schönheit und Nachhaltigkeit unter einen Hut bringen lassen." (Lisa Breit, 13.9.2015)

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