Lisa Berins

Journalistin, Kulturredakteurin, Frankfurt und Offenbach

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Fehler im Bart

Kunstfälschung? Ein Bild aus der Ausstellung „Die Lutherporträts der Cranach- Werkstatt“ auf der Wartburg in Eisenach ist vermutlich kein "echter Cranach". Es handelt sich um ein Bildnis von Martin Luther als Junker Jörg mit dichtem Bart am Kinn und einem Schwert in der Hand. Das Gemälde ist mit der Jahreszahl 1537 datiert und mit der geflügelten Cranach-Schlange signiert. Auch das Pendant, ein Bildnis von Katharina von Bora mit dem Titel „Katharina Luther“ stammt vermutlich nicht aus der Werkstatt der Cranachs.

Davon ist zumindest der Wissenschaftliche Leiter der Heidelberger Forschungsdatenbank cranach.net, Michael Hofbauer, überzeugt. „Das Bildnispaar weicht malerisch und qualitativ so weit von den Werken der Cranach- Werkstatt ab, dass eine Entstehung in der Werkstatt Cranachs so gut wie ausgeschlossen werden kann“, sagt Hofbauer. „Beide Bilder scheinen erheblich später entstanden zu sein.“

Zur Eröffnung der großen Cranach-Ausstellung auf der Wartburg hatte Burghauptmann Günter Schuchardt die Gemälde als kleine Sensation präsentiert: „Diese Bilder wurden meines Wissens noch nie öffentlich gezeigt“, hatte er Ende März gesagt. In Vorbereitung zur Ausstellung hatte er die Bildnisse in der kleinen sächsischen Gemeinde Penig ausfindig gemacht. Sie wurden seit etwa 1990 vom sächsischen Landesamt für Denkmalpflege verwahrt und unter Verschluss gehalten, sagt Schuchardt. Erst im Zuge der Cranach-Ausstellung habe man sie hervorgeholt.

Den Gedanken, dass es sich um Fälschungen handeln könnte, findet Schuchardt abwegig. „Als ich die Bildnisse zum ersten Mal gesehen habe, waren sie in einem wirklich schlechten Zustand.“ Die Gemälde hätten Altersspuren aufgewiesen: Sie seien zum Teil übermalt gewesen, der Firnis sei nachgedunkelt, die Schrift kaum noch zu erkennen gewesen.

Dass ein Gemälde alt ist, sei noch lange kein Beweis dafür, dass es auch ein Original ist, erklärt Michael Hofbauer. Fälschungen von Cranach-Bildern habe es auch schon zu Lebzeiten und kurz nach dem Tod der Cranachs gegeben. Außerdem habe es viele Maler gegeben, die im beliebten Stil der Cranachs gemalt hätten, ohne sie fälschen zu wollen. „Und da kann es natürlich sein, dass jemand, der besonders pfiffig ist, vielleicht auch Jahrhunderte später die Cranach- Schlange auf das Bild malt, um den Wert zu steigern“, sagt Hofbauer.

Er selbst habe die Porträts bislang nur als Reproduktionen gesehen. Doch dass die Bildnisse „Martin Luther als Junker Jörg“ und „Katharina Luther“ keine Cranach-Werke sind, sehe selbst ein nicht geschultes Auge. „Die Malerei weicht deutlich von dem ab, was wir sonst kennen. Die Barthaare, die Haare, das Inkarnat, die Fingernägel – es ist alles komplett anders gemalt, als es in der Cranach-Werkstatt gemacht wird.“ Außerdem sei nicht die typische, feinschichtige Lasurmalerei der Cranachs zu erkennen, zudem sei angegeben, dass auf Eichenholz gemalt worden ist, was untypisch für die Cranach-Werkstatt sei. Die Inschriften auf dem Bild kenne Hofbauer ebenfalls so nicht von anderen Cranach-Bildern. Daneben gebe es noch mehr stilistische und technische Ungereimtheiten.

Seine Erkenntnisse gewinnt Hofbauer aus dem Vergleich mit anderen Cranach-Werken, die in der Datenbank des virtuellen Cranach Research Institutes gelistet sind. Etwa 3000 Bilder und Zeichnungen sind dort zu sehen. Außerdem gebe es von dem Bild „Martin Luther als Junker Jörg“ vier weitere Versionen in Heilbronn, Amsterdam, im Schloss Windsor in London und in Muskegon in den USA, die als Vergleiche dienen.

Schon während der Restaurierung des Bildnispaares, die wegen der Ausstellung auf der Wartburg unter erheblichem Zeitdruck stand, habe Hofbauer seine Zweifel geäußert. Die leitende Restauratorin war auf Anfrage der TLZ gestern nicht zu erreichen. Aus der Restaurierung hieß es aber: Es habe keine Hinweise dafür gegeben, dass dort zur Restaurierung eine Fälschung vorlag. Bei den Arbeiten, handelte es sich vor allen Dingen um Retuschen und um die Befreiung des Bildes von einer späteren Übermalung. Es sei auch der Firnis abgenommen worden.

Dennoch steht für Hofbauer fest, dass beide Bildnisse definitiv nicht aus der Cranach-Werkstatt stammen können. Und noch etwas steht fest: Sie sind auch nicht aus der Hand von Christian Goller, dem Maler, der „im Stile von Cranach“ arbeitet und gegen den zur Zeit die Staatsanwaltschaft Passau ermittelt. Seine Handschrift kennt Hofbauer gut. „Ich vermute, dass wir es bei dem Peniger Bildnissen mit Werken aus dem 17. oder 18. Jahrhundert zu tun haben könnten“, sagt er.

Burghauptmann Günter Schuchardt ist indes überzeugt davon, dass es sich um Originale aus der Cranach-Werkstatt handelt und bemüht sich darum, die Bildnisse als Dauerleihgaben für die Wartburg zu gewinnen. Denn: „Vor dem künstlerischen zählt für uns vor allem der historische Wert“, sagt er. „Das Porträt von Luther als Junker Jörg ist ja unmittelbar mit der Wartburg verknüpft.“ Die Ausstellung laufe bisher gut. Schuchardt hofft, bis zum Monatsende die Marke von 100 000 Besuchern zu knacken.