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Jedes Kind hat eine faire Chance verdient

Kindern in der Schule eine kostenfreie Mahlzeit zu bieten, ist wichtig. Wer mit leerem Magen im Unterricht sitzt, wird wohl kaum Höchstleistungen erbringen.

Was kostet gute Bildung? Eltern und Kindern wenig, die Politik viel. So praktiziert es die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Berlin. Kitas sind in der Hauptstadt beitragsfrei, Grundschüler müssen keine Lernmaterialien mehr bezahlen, seit diesem Donnerstag sind auch die ersten beiden Hortjahre beitragsfrei.

Das Mittagessen in der Schule ist genauso wie Bus- und Bahntickets für Schüler kostenlos. 225 Millionen Euro jährlich lässt sich das die Hauptstadt kosten und ist damit Spitzenreiter in Sachen gebührenfreier Bildung. Dahinter steckt ein vorbildliches Prinzip: Bildungsinvestitionen sollten nicht nur in Gebäude, Fachkräfte und Ausstattung fließen, sondern in die Schülerinnen und Schüler selbst. Wer die Bildungsmisere beenden will, muss Teilhabe für jeden ermöglichen.

Bildung hat Vorrang im Bremer Haushalt 2018/19

Bremen täte gut daran, mit Berlin gleichzuziehen. Entscheidende Schritte sind getan: Die Lernmittelfreiheit ist in der Landesverfassung verankert, die freie Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln für Schülerinnen und Schüler steht im rot-grün-roten Koalitionsvertrag, der Kita-Besuch ist nach langem Ringen künftig gebührenfrei. Das schafft Bremen allerdings nicht aus eigener Tasche.

Den gebührenfreien Kita-Besuch macht beispielsweise das bundesweite Gute-Kita-Gesetz möglich, im Zuge des Digitalpakts sollen auch die Schulen bald mit Bundeszuschüssen zukunftsfähig werden. Dennoch sind damit die dringenden Probleme der Bremer Bildungspolitik nicht behoben. Es mangelt an Fachkräften, an Klassenräumen, an Kita-Plätzen. Allein dafür müssen die Bremer Bildungsausgaben entschieden gesteigert werden. Gute Bildung lebt von Qualität. Und die kostet Geld.

Dass die finanzielle Ausgangslage in Bremen eine andere als in Berlin ist, ist nicht zu verhehlen. Berlin blickt auf einen Schuldenberg von 57 Milliarden Euro, in Bremen waren es im Mai knapp 21,6 Milliarden. Die Bremer Bildungsausgaben pro Schüler stehen seit Jahren hinter denen anderer Stadtstaaten zurück. Berlin gibt jährlich 10.000 Euro pro Schüler aus, Hamburg sogar 10.100, in Bremen sind es lediglich 7800. Das zeigt: Bremen muss mehr tun, Haushaltsnotlage hin oder her. Wer bei den Bildungsausgaben spart, spart am falschen Ende. Das Bundesland auf Kosten von Kindern und Jugendlichen zu sanieren, wäre verheerend.

Bremer SPD will deutlich mehr Geld für Bildung

Kinder und Jugendliche haben es hier nicht leicht: Nirgendwo ist das Armutsrisiko so hoch wie im kleinsten Bundesland, jedes dritte Kind ist arm oder bedroht, es zu werden. In manchen Stadtteilen ist die Zahl der Hartz-IV-Empfänger besonders hoch, sozial benachteiligt werden sie meist genannt. Die finanzielle Situation der Eltern hat dort einen direkten Einfluss auf den Schulalltag. Wer also für Unterrichtsmaterial oder das Mittagessen bezahlen muss, hat es schwer, wenn Zuhause das Geld knapp ist. Da hilft auch das angehobene Kindergeld wenig.

Bildung endet nicht am Schul- oder Kita-Tor. Es hilft einem armen Kind aus Gröpelingen nur bedingt, dass seine Schule mit modernen Computern und Wlan ausgestattet ist, wenn Zuhause das Geld kaum für Lebensmittel oder Kleidung reicht. Genau deshalb ist die Entscheidung, Kindern eine kostenfreie Mahlzeit zu bieten und sie kostenfrei zur Schule fahren zu lassen, so richtungsweisend. Wer mit leerem Magen im Unterricht sitzt und sich das Schulmaterial nicht leisten kann, wird wohl kaum Höchstleistungen erbringen.

W etwas ausgegeben wird, fehlt es an anderer Stelle

Kritiker befürchten, dass mit den Millionen-Investitionen die Qualität an Schulen und in Kitas sinkt. Der Vorwurf: Was in freie Busfahrten und ein warmes Mittagessen fließt, fehlt beim Schulausbau oder bei der Fachkräftegewinnung. Ja, Unterricht und Betreuung in Schulen und Kitas muss weiterhin oben auf der Agenda stehen. Ohne ausgebildete Erzieherinnen hilft der gebührenfreie Kita-Besuch nichts, ohne zukunftsorientierten Unterricht helfen kostenfreie Lernmaterialien nichts.

Doch Teilhabe und Chancengleichheit beginnen nicht mit modernen Computern. Sie beginnen, wenn sich Kinder ungehemmt entfalten können. Polemische Schreie, die Bildungspolitik sei ideologisch gefärbt und immer mehr auf so titulierte Gleichmacherei aus, sind in den vergangenen Monaten und Jahren auch in Bremen zu laut geworden. Dabei wird allerdings vergessen: Jedes Kind verdient die faire Chance, sich in Kita und Schule bestmöglich zu entwickeln. Deshalb muss sich die Bremer Politik den Jüngsten verpflichten. Wer gute Bildung will, muss Kindern und Jugendlichen die gleichen Zugangschancen ermöglichen. Diese Kosten zu scheuen wäre ein wahres Armutszeugnis.

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