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Die Arbeiterinnen und die verdutzten Bürger

Clara Zetkin während des Internationalen Kongresses für gesetzlichen Arbeitsschutz im Jahre 1897 in Zürich. Im Jahr 1910 hatte sie beim internationalen Frauenkongress in Kopenhagen die Idee eines Frauentages eingebracht.

Dicht an dicht drängten sich am 19. März 1911 die Bremerinnen im Casino Auf den Häfen und der Turnhalle in der Bremerhavener Straße. Sie wollten die Rednerinnen Auguste Bosse und Grete Simon hören, wollten wissen, was die beiden Sozialdemokratinnen über das Frauenwahlrecht und die Rolle der Frau in der deutschen Gesellschaft sagen würden. Denn an diesem Sonntagnachmittag sollten nicht nur in Bremen, sondern im ganzen Kaiserreich sowie in Dänemark, Österreich-Ungarn und der Schweiz die weiblichen Belange im Mittelpunkt stehen: Zum ersten Mal gingen Bürgerinnen zum Internationalen Frauentag auf die Straßen.

Die Idee dahinter stammte von einer der führenden sozialistischen deutschen Frauenrechtlerinnen, Clara Zetkin. Sie hatte 1910 beim internationalen Frauenkongress in Kopenhagen einen solchen Frauentag vorgeschlagen, die weitestgehend sozialistischen Teilnehmerinnen unterstützten ihre Forderung. Ein Jahr darauf war es soweit: Am 19. März versammelten sich Frauen in vier Ländern auf die Straße, um sich vor allem für das freie und allgemeine Wahlrecht einzusetzen.

Ein Appell an Männer und Frauen

Genau diese Forderungen griff auch die Bremerin Auguste Bosse bei ihrer Rede im Casino Auf den Häfen auf: Dass Frauen nicht reif genug seien zu wählen, lehnte sie ab. Denn die Wahlkämpfe zeigten, dass unter den wahlberechtigten Männern, die „ihre Stimme manchmal gerade ihren Unterdrückern geben, (...) ein großer Teil noch unreifer ist als viele Frauen", wird Bosse in einer Aufzeichnung ihrer Rede zitiert.

700 Frauen lauschten Grete Simons Worten

In der Turnhalle in der Bremerhavener Straße in Walle waren knapp 700 Frauen versammelt und lauschten den Worten Grete Simons. Im Anschluss zogen 200 Zuhörerinnen vom Arbeiterviertel im Bremer Westen bis zum Marktplatz. Welche Wirkung das hatte, schrieb die Bremer Bürger-Zeitung: „Arbeiterlieder und Hochrufe auf das Frauenwahlrecht und das allgemeine, gleiche Wahlrecht schallten den verdutzten Bürgern einer ehrsamen Hansestadt entgegen."

In den Folgejahren kamen Aktivistinnen weltweit immer wieder zum Frauentag zusammen, wenn auch nicht am selben Datum. Auch das Thema Frauenwahlrecht beherrschte nicht immer die Kundgebungen: Während des Ersten Weltkrieges einigten sich die Frauenverbände der verschiedenen Länder darauf, sich für den Frieden einzusetzen und ihre eigenen Belange zurückzustellen. Als der Krieg 1918 und mit dem Kaiserreich auch die politische Benachteiligung der deutschen Frauen endete, ging es mit den Frauentagen erst richtig los. 1921 einigten sich die Teilnehmerinnen aus 28 Ländern bei der Internationalen Frauenkonferenz in Moskau darauf, den Frauentag künftig am 8. März zu feiern. Bereits in den Vorjahren hatte sich das Datum in der Sowjetunion durchgesetzt. Eine Tradition, die bis heute anhält.

Diese Veranstaltungen gibt es in Bremen und umzu zum Weltfrauentag

Dass der Frauentag selbst in Zeiten des Krieges für Aktivistinnen der Arbeiterbewegung eine feste Größe war, zeigte der 8. März 1943 in Bremen: An diesem Tag färbten Zwangsarbeiterinnen der Firma Borgward ihre weißen Kopftücher aus Protest symbolisch rot ein. Beim ersten Bremer Frauentag nach der nationalsozialistischen Herrschaft sprach 1948 die KPD-Politikerin Käthe Popall, die erste Bremer Senatorin.

Der 8. März blieb auch während der Studentenbewegung in den 1960er-Jahren ein wichtiges Datum, auch wenn der Tag immer mehr an politischer Bedeutung verlor. Vor allem die junge Generation der Frauenbewegung konnte mit der Traditionsveranstaltung nicht mehr viel anfangen. Erst als die UN-Vollversammlung das Jahr 1975 zum Internationalen Jahr der Frau erklärte, gewann auch der 8. März wieder an Bedeutung.

Bis heute wird der Frauentag weltweit gefeiert, in Berlin ist er seit diesem Jahr ein gesetzlicher Feiertag. Was 1911 als Aktion für die Frauenwahlrechtsbewegung begann, steht heute im Zeichen der Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Belangen.

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