Ein warmer Sonntagmorgen in den Schanzenhöfen in Hamburg. Dannie Quilitzsch rennt mit einem Erdbeerbehälter im Arm zwischen den Ständen umher, ruft der Kuchenverkäuferin noch kurz was zu, stellt die Beeren an der Bar ab, schnappt sich ein Kabel und schließt es an einen Verstärker an. "Das können wir da hinten so nicht liegen lassen. Da fliegt nachher jemand drüber." Schon seit Juni 2013 veranstaltet die 37-jährige Dannie den Markt "Hallo Frau Nachbar" für lokale Händler und ihre Produkte. Lena Bücker ist seit diesem Jahr an Dannies Seite. Aufgeregt sind die Zwei vor jeder Eröffnung. Auch, wenn hier nicht alles perfekt sein muss - das würde ohnehin nicht zu ihnen passen - aber die Besucher sollen sich wohlfühlen. Das ist jeden ersten Sonntag im Monat Dannies und Lenas Ziel.
Die ersten Gäste treffen ein, schauen sich die Stände an und bestellen kühle Limonade. Neben Ausstellern aus der Design-Szene, die in einer Halle Schmuck, Kinderkleidung, Taschen und Fotodrucke verkaufen, geht es vor allem um Kulinarisches. Hier können lokale Hersteller ihre Ware anbieten. Heute sind neben Salsa ( Salsa von Casita Oaxaca), veganem Kuchen (Schneewittchen), Schmuck ( Amara Ajai) und Bier ( Von Freude Bier) auch Detox-Fruchtsäfte von Chapeau dabei, die dem Kater der Samstagnacht den Garaus machen.
"Wir haben viel recherchiert, welche Hersteller zu uns passen. Drei Monate haben wir nur Leute angesprochen, die in unserem Umkreis selbst Honig ernten oder vegan backen. Erst dieses Jahr kommen Händler auch auf uns zu und fragen, ob sie hier ausstellen dürfen," sagt Dannie im Gespräch mit stern-Genuss. "Hallo Frau Nachbar" soll außerdem Menschen zusammenbringen, die ihr Hobby irgendwann zum Beruf machen wollen. "Wir hatten mal 13-jährige Mädels hier, die darauf versessen waren, Cupcakes zu verkaufen. Warum ihnen nicht die Chance geben?"
Vom Dorf- zum Nachbarschaftsmarkt
Natürlich ist die Idee von einem Markt mit lokalen Produkten keine Weltneuheit., sondern eine Rückbesinnung - und damit wieder voll im Trend. Schon Oma bevorzugte den wöchentlichen Markt, um bei Bauern aus der Umgebung einzukaufen. "Früher verabredete man sich auf dem Markt, trank noch einen Kaffee und tauschte sich aus. Auch mit den Händlern", sagt Dannie und nippt an ihrem Kaffee von der kleinen Hamburger Rösterei "Public Roasters". Mit der 26-jährigen Lena hat sie eine Partnerin gefunden, die genauso gerne Märkte besucht und veranstaltet. Die gelernte Kommunikationswissenschaftlerin richtete kleine Märkte in Groningen aus und sammelte so Erfahrungen. Seit ein paar Jahren hilft sie dabei, das Dockville-Festival in Hamburg zu organisieren.
Eine Idee aus Südafrika
Initialzündung für dieses Projekt lieferten Freunde aus Südafrika. Sie veranstalten seit sechs Jahren den "Neighbourgoods Market" in Kapstadt, der lokalen Farmern die Chance bietet, ihre Produkte in der Stadt zu verkaufen. So einen Ort wollte Dannie auch in Hamburg. "Ich bin eher so die Macherin und arbeite seit 15 Jahren in der Eventbranche. Ich wusste also, worauf ich mich einlasse". Und das war einiges: Papierkram und Genehmigungen mussten erledigt, Flyer aufgehängt und Unterstützer gefunden werden.
Fürsprecher fanden Dannie und Lena zum Beispiel bei "Ratsherrn" und beim Braugasthaus "Altes Mädchen". Die stellen ihren Innenhof für den Markt zur Verfügung. "Am Anfang war es ein Kampf, aber jetzt ist es schon großartig" erzählt Dannie und lässt ihren Blick über die vollen Tische schweifen.
Der Puls der Zeit"Hallo Frau Nachbar" ist ein Zeitgeist-Markt: pastellfarbene Lampions, Seifenblasen, unbekannte Bands, veganes und vegetarisches Essen, guter Kaffee, rustikale Holzbänke und Fleisch vom Biohof. Dannie bestellt einen Burger, setzt sich vor die kleine Bühne und hört den Teilnehmern vom Popkurs der Hochschule für Musik und Theater Hamburg zu. "Es kommen einfach alle vorbei und verbringen den Tag miteinander. In meinem Freundeskreis ist es schon so, dass viele sagen: 'Wir sehen uns spätestens bei 'Hallo Frau Nachbar'' und das ist schön" sagt Dannie und lächelt. Es ist 16 Uhr. "Hallo Frau Nachbar" ist gut besucht. Die Sonne scheint auf den Platz, Besucher lauschen der Musik, andere lachen und essen Burger, Kuchen oder Cupcakes. Sie wirken zufrieden und entspannt. Dannie und Lena haben ihr Ziel erreicht. Über das Kabel ist letzlich keiner gestolpert.