1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Automatenwirtschaft beklagt neues Gesetz | MDR.DE

Bildrechte: MDR/Lily Meyer

In einem Mercedes Kleinbus mit getönten Scheiben über die Leipziger Eisenbahnstraße - das erlebt man nicht jeden Tag! Zu dieser speziellen Fahrt hatte die Automatenwirtschaft eine Gruppe Journalisten eingeladen. Denn auf der Eisenbahnstraße gibt es zahlreiche Läden, die der Automatenwirtschaft und den Betreibern legaler Spielhallen ein Dorn im Auge sind. Sogenannte spielhallengeprägte Gastronomiebetriebe. Also Einrichtungen, in denen ein Großteil der Gewinne durch Glücksspiele erwirtschaftet wird, die aber eigentlich als Gastronomie zugelassen sind. Dort dürfen bisher maximal drei Spielautomaten stehen, ab nächstem Jahr nur noch zwei.


Spiel mit der Illegalität

Dazu soll auch das Café Arena gehören, erfahren die Journalisten auf ihrer Tour über die Eisenbahnstraße. An der Tür des Ladens blinkt der Schriftzug "Automaten". Das ist nicht erlaubt, weder Spielhallen noch gastronmischen Betrieben. Läden wie diesen nennt Georg Stecker "verkappte Spielhallen". Er ist der Vorstandssprecher des Verbands der deutschen Automatenwirtschaft e.V. Von solchen Einrichtungen wird es in Zukunft noch viel mehr geben, glaubt Stecker. Verantwortlich dafür sei das neue Gesetz, dass seit Juli für Spielhallen gilt. Zum Schutz vor Spielsucht müssen Spielhallen jetzt mindestens 250 Meter Luftlinie entfernt voneinander liegen und dürfen nicht zu nah an Schulen sein. Außerdem dürfen in einem Gebäude nicht mehrere Spielhallen mit je eigener Konzession, also einer Betriebserlaubnis, untergebracht sein. Die neuen Regelungen hält Stecker für ein großes Problem: "Weil sie die Zahl der legalen Spielhallen, die Spielerschutz berücksichtigen, die Jugendschutz berücksichtigen, erheblich reduziert und gleichzeitig haben wir ein Wachstum im Bereich der Illegalität. Insbesondere der sogenannten Café-Casinos, der scheingastronomischen Betriebe."


"Es kann ja unter Umständen sein, dass eine ganz üble Halle übrig bleibt und die guten verschwinden müssen. Das kann doch nicht das Ziel dieser Regulierung sein."

Georg Stecker, Die deutsche Automatenwirtschaft e.V.

Unsicherheit bei Mitarbeitern

Das würde nicht nur zu Umsatzeinbußen bei legalen Spielhallen führen - es müssten auch 2.000 Mitarbeiter in ganz Sachsen entlassen werden, schätzen Vertreter der Automatenwirtschaft. Momentan seien etwa 3.500 Menschen beschäftigt. Auch Evelyn Wiesinger bangt um ihren Job. Sie leitet eine Spielhalle der Kette "Fair Play" auf der Eisenbahnstraße, direkt gegenüber einer Schule: "Keiner weiß, welche Spielhallen bleiben und welche nicht." Eigentlich hatten die Spielhallenbetreiber fünf Jahre Zeit, sich auf das neue Gesetz vorzubereiten. Stecker widerspricht: "Aber wenn sie beispielweise 250 Meter von einem anderen Anbieter entfernt sind, wissen Sie nicht, ob Sie selbst fortbestehen oder der Kollege. Und Sie entlassen ja nicht prophylaktisch Mitarbeiter, die mehr als 20 Jahre lang beschäftigt sind. Das ist ja unrealistisch. Und ich halte deshalb von dieser Übergangsfrist überhaupt nichts, die war keine echte."


Großteil bereits entschieden

Holm Felber, Pressesprecher der Landesdirektion Sachsen ist anderer Meinung. Die Behörde vergibt die Konzessionen an die Spielhallen. Zwar müsse etwa die Hälfte der Spielhallen in Sachsen ihren derzeitigen Standort verlassen. Welche das sein werden, stehe aber größtenteils fest: "Es ist gegenwärtig so, dass es in Sachsen 496 aktive Spielhallen gibt. Und von diesen Spielhallen haben 392 den Antrag auf eine glücksspielrechtliche Erlaubnis gestellt, die es dann ermöglichen würde, in diesem Jahr weiter zu machen." In 173 Fällen wurde bisher eine Erlaubnis erteilt, in 165 Fällen eine Ablehnung. Nur die wenigen restlichen Fälle seien noch offen.


Spielen auf Kosten der Gesellschaft

Nicht nur aus Jugendschutzgründen soll es in Zukunft weniger Spielhallen geben. Das Problem sei auch, dass die Auswirkungen, die aus der Sucht entstehen, an der Gesellschaft hängen blieben, erklärt Holm. Dazu gehören private Insolvenzen und die ärztliche Behandlungen der Suchtgefährdeten. Man gehe dabei auch gegen spielhallengeprägte Gastronomiebetriebe vor, erklärt Felber: "Wenn uns solche Fälle bekannt werden und wir nachvollziehen können, dass die Vorwürfe gerechtfertigt sind, wird dem auch nachgegangen. Dann werden Verfahren gegen die Betreiber solcher Einrichtungen eingeleitet." In der Vergangenheit habe es Bußgeldbescheide, Änderungen bei der Werbung bzw. bei der Anzahl der Automaten gegeben. Das werde auch in Zukunft so sein, so Felber.


Laut einer aktuellen repräsentativen Erhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind 456.000 Menschen zwischen 16 und 70 Jahren in Deutschland problematische und/oder pathologische Spieler, die dem Glücksspiel verfallen sind. Die Anzahl beratungs- und behandlungsbedürftiger Glücksspielabhängiger in Sachsen liegt laut Sächsischer Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. bei 5.000 bis 15.000 Personen.


Über dieses Thema berichtet MDR SACHSEN auch im Radio: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 11.08.2017 | 18:20 Uhr

Zuletzt aktualisiert: 11. August 2017, 15:37 Uhr

Zum Original