Das fotografische Porträt eines Schwarzen ist eingerahmt in Form eines Rundbogenfensters. Der Mann hält einen apricotfarbenen Blumenstrauß und blickt selbstbewusst in die Kamera. „Dekoloniales Fenster" heißt das Werk der Künstlerin Ana Paula dos Santos. Es ist eine Neukonstruktion des Miniaturgemäldes „Eine reich gekleidete Dame am Fenster mit einem schwarzen Pagen" von Johann Friedrich Morgenstern in der Sammlung des Morgenstern'schen Miniaturcabinets, das in der Dauerausstellung des Museums zu sehen ist. Im ursprünglichen Bild steht die weiße Frau gemäß dem eurozentrischen Weltbild im Vordergrund, der schwarze Mann rückt in den Hintergrund. Dos Santos wolle mit ihrer Darstellung die Position des schwarzen Mannes verschieben und ihn zum Protagonisten machen, der mit den kolonial begründeten Sehgewohnheiten und Vorurteilen bricht.
Seit Freitagabend ist die Dauerausstellung im Historischen Museum nicht mehr wie zuvor. Türkise Markierungen und Texttafeln kennzeichnen verschiedene Exponate, um eine sogenannte Interventionsspur mit dem Titel „Blickwechsel - dem Rassismus auf der Spur" zu ziehen und ein Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung zu setzen. Kuratorin Puneh Henning rief vor einem Jahr zur Teilnahme an der rassismuskritischen Kommentierung historischer Objekte auf. So konnte sie eine Gruppe aus Künstlern und Aktivisten versammeln, die sich mit gegen sie gerichtetem oder strukturellem Rassismus sowie Marginalisierungserfahrungen auseinandersetzen mussten.