1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Schueberfouer: Eine der ältesten Unterhaltungsmesse Europas

Europa steckt schon inmitten der Vorbereitung für Weihnachten - eine Tradition, auf die manch einer ein ganzes Jahr wartet. In Luxemburg genießt man noch die Erinnerungen an eine ganz eigene Tradition im Sommer. Hier wartet man das ganze Jahr besonders auf Ende August. Es ist eine Feier für die Luxemburger selbst, Pendler und Touristen sowohl aus der Region, als auch aus der ganzen Welt. Fast zwanzig Tage wird Zuckerwatte unter blauem Himmel gegessen und im speziellen Schapp Nougat genossen. Die verrücktesten Attraktionen werden ausprobiert und alte und neue Freunde getroffen.


Eine Reise durch das Großherzogtum Luxemburg: Siebenhundert Jahre bis in die Gegenwart.


Rund herum ertönt Musik und verschiedenste Attraktionen. Laute Gespräche sind mit dem Geruch von Süßigkeiten und gebratenen Köstlichkeiten vermischt. Manche Besucher bezaubert das prächtige Karussell, dessen Verzierung die Geschichte erzählt. Sie scheint nicht weniger als 100 Jahre alt zu sein. Die anderen werfen einen Blick in den Himmel - ein 56 Meter hohes Riesenrad funkelt in den Farben des Regenbogens. Ein bisschen weiter hört man den Klang der Lotteriemaschinen und fröhliches Lachen. Scheinbar hat jemand gewonnen. Aber wo ist Man? Ist das Disneyland, der amerikanische Vergnügungspark oder ein Christkindlmarkt, nur ohne Schnee. Oder beides zusammen in einem Platz? „Was auch immer du in Luxemburg machst, auf jeden Fall gehst Du zur Schobermesse", hat mir eine Bekannte noch während der Planung der Reise gesagt. Und ich weiß warum. Ganz im Zentrum der kleinen Stadt Luxemburg taucht man in eine andere Welt ein.


„Wir warten noch auf eine Freundin, dann essen wir schnell und gehen gleich Infinity oder Airmaxx ausprobieren", sagt Alex aufgeregt. Man sieht, wie er nicht ruhig stehen kann. Alex ist ein 26-jähriger Ukrainer, der seit vier Jahren in Luxemburg lebt. Er stellt seinen Freundeskreis vor: Der eine aus der Ukrainer, der andere aus Polen, die Nächste Luxemburgerin und ein Luxemburger mit portugiesischen Wurzeln, einer mit italienischen Wurzeln, eine Lettin und einer aus Tschechien. „Typisch Luxemburgisch: Alle kommen aus anderen Ländern, nur nicht aus Luxemburg," scherzt Alex. Alle lachen laut. Wir gehen weiter, um „Infinity" auszuprobieren. Es ist zum ersten Mal auf der Schobermesse oder auf der Schueberfouer, wie man auf Luxemburgisch sagt.


Was heutzutage rund zwei Millionen Besucher genießen können, hat damals im Jahr 1340 begonnen, als die Stadt Luxemburg eine Grafschaft war. Johann, König von Böhmen, Graf von Luxemburg, hatte die Idee, einen Jahrmarkt zu gründen. Damals war es typisch, Messen und Märkte an religiösen Tagen zu veranstalten. Deswegen fand am 23. August, dem Tag vor dem sankt-Bartholomäus-Fest, die erste Schobermesse statt und sollte acht Tage dauern.


Die perfekte Möglichkeit zum Austausch für lokale als auch überregionale Händler. "Luxemburg lag quasi an der Kreuzung der wichtigsten Handelsrouten des 14. Jahrhunderts, allen voran der "Lampartischen Strasse", welche von Italien herkommend nach Norden und insbesondere nach Flandern führte", so luxemburgischer Historiker Steve Kayser, der überzwanzig Jahre die Kirmes Kultur und ihren Einfluss auf das Leben der Leute untersucht.


Über die Jahrzehnte hat sich die Schobermesse wesentlich verändert. Die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert hat auf der Schobermesse große Spuren hinterlassen. Vom Wandertheater zum Kuriositätenkabinett über die Dampfmaschine bis hin zum Elektroantrieb. Die Messe entwickelte sich von einem Händlermarkt zu einem richtigen Vergnügungsort. „Heutzutage gehört die Schobermesse zu unserer Kultur und ist Teil der luxemburgischen Tradition", kommentiert Steve Kayser stolz. Man glaubt ihm sofort, wenn man beim Besuch der Schobermesse sieht, wie sehr diese Veranstaltung Teil der Familientradition geworden ist.


In unserer Zeit hat sich die Schueberfouer auf dem Gebiet von sechs Fußballfeldern in der Hauptstadt von Großherzogtum Luxemburg niedergelassen. Die Besucher aus ganz Europa genießen rund 180 Fahrgeschäfte, Los- und Schießbuden sowie 70 Krämerstände. Außerdem ist jeder richtig hier, der gutes Essen liebt. „Gastronomie auf der Schobermesse ist 1A. Wir stellen sehr viel Wert darauf und es werden wirklich hochwertige Produkte angeboten", so Marc Weydert, der bei der Stadt Luxemburg für die Organisation des Rummels zuständig ist.


Belle Epoque kommt nach Luxemburg 


„Jede Attraktion hier vermittelt Geschichte und das liebe ich an Schueberfouer", so Steve Kayser. Vom historischen Pferdekarussell zum Riesenrad. Es ist nicht nur ein Freizeitpark, sondern eine Art Zeitmaschine.


Das Pferdekarussell wurde im Jahr 1897 erbaut und ist bis heute unverändert, was den Besuchern des Schueberfouer Freude bringt. Reiche Verzierung, frivoler Charakter der Abbildungen, gemalte Figuren aus Holz schicken uns zur sogenannten „Belle Époque" - Zeit des „uneingeschränkten Lebensgenusses und der allgemeinen gesellschaftlichen Sorglosigkeit". Fast vor einhundert Jahren war das Karussell Zentralstand eines prächtig gedeckten Salons, wo reiche Leute mit Champagner und Konfetti sich feiern ließen. In der Mitte des Karussells weist Kayser auf eine historische Orgel hin. Unübersehbar, da es die einzige Orgel ist. Nach 100 Jahren in perfektem Zustand und voll funktionstüchtig.


Liebe vom Anfang bis zum Ende  


Kayser interessiert sich für die ästhetische Seite der Unterhaltungskultur. Seine große Liebe zur Schobermesse merkt man sofort, wenn Kayser anfängt, darüber zu reden. Seine Stimme wird sanftmütig und aufgeregt: "Ich komme jeden Tag hierher: ein paar Tage vor dem Beginn, wenn noch alles aufgebaut wird und gehe als Letzter weg. Ich liebe es mit den Menschen zu reden, daraus sind richtige Freundschaften entstanden." Er kennt die Besitzer von jedem Stand auf Messe, sowie die detaillierte Geschichte jeder Attraktion.


Kayser führt mich durch seine Lieblingsattraktionen. Darunter die "Beyer Kurve", die das Gefühl der Olympische Spiele wiedergibt. Die Wagen selbst schauen wie Bobschlitten aus, beschriftet mit den jeweiligen Ländernamen. Gebaut wurde die Attraktion 1967 und gehört zu den Klassikern der Messe. Mit dieser Attraktion kann sich jeder wie ein Olympiateilnehmer fühlen. Aufgrund dieser Atmosphäre glaubt Kayser, den Grund der Beliebtheit der Schobermesse zu erkennen: „Bei der Kirmes geht man ein bisschen vom Alltag weg und probiert etwas, wovon man jeden Tag nur träumt. Man probiert die eigenen Grenzen aus und gleichzeitig schickt man den Verstand auf die Seite".


Familientradition, die sich über mehreren Generationen erstreckt


Die Schobermesse ist eine Familienkirmes. Nicht nur in dem Sinn, dass es für jedes Mitglied der Familie eine passende Attraktion zu finden ist, sondern dass die ganzen Generationen mit dem Schueberfouer aufgewachsen sind. Hier sind Familienunternehmen, die sich seit Jahrhundert auf der Messe befinden. Eines der bekanntesten Gesichter der Messe ist Jerome Zellweger, Besitzer der Confiserie Cone. Seine Urgroßeltern, ursprünglich aus der Zirkuswelt, kamen 1904 nach Luxemburg. Als Jerome 15 Jahre alt war, hat er angefangen, bei dem Familienunternehmen zu arbeiten und später übernommen.


„Man sagt hier „Schoberzeit ist Schapp Nougat Zeit", lächelt Zellweger. Schapp Nougat ist die einzige süße Spezialität, die nur für die Messe hergestellt wird. Witze zu machen ist aber viel einfacher, als es zu produzieren, weil Schapp Nougat ganz manuell zubereitet wird. 20 Kilogramm-Nougatblöcke werden händisch abgerieben, dann „geschappt" und in kleinen Päckchen mit dem Firmenlogo zum Verkauf verteilt. Die harte Arbeit wird aber mit der tollen Atmosphäre vergütet. Die Französin Nathalie Perrard ist schon zum fünften Mal auf der Messe und liebt Luxemburg deswegen: „Man kann sich mit so tollen Leuten unterhalten und es ist immer lustig".


Dass Jerome Zellweger die Arbeit am Herzen liegt, merkt man, wenn er sich mit seinen Kunden und Mitarbeitern unterhält. Zellweger versucht jedem seinen Enthusiasmus und die positive Energie zu vermitteln. „Achtzig Prozent meiner Besucher sind Stammkunden aus der Region, Und sowohl sie, als auch ich warten ungelduldig auf den Schueber, damit wir uns wiedersehen," scherzt Chef der Schaustellerdynastie.


Hundertjährige Tradition darf man nicht unterbrechen


Dieses Jahr hat Schobermesse den traditionellen Verlauf ein bisschen verändert und fünf neue Attraktionen hinzugefügt. „Die Schausteller hier sind die Leute und nicht die Maschinen. Dahinter steckt viel Liebe", sagt Steve Kayser. Der gleichen Meinung ist Marc Weydert, sowohl für ihn, als auch für die Schausteller sind drei Punkten sehr wichtig: Attraktivität, Sicherheit und Aussehen. Ob es sich finanziell lohnt solche Veranstaltung immer wieder ins Leben ausrufen, erwidert Weydert lächelnd: „Kultur ist nicht zum Geld einbringen gedacht".

Auch wenn die Messe dem staatlichen Budget keinen Gewinn bringt, findet er, dass es die perfekte Werbung für die Stadt ist und man eine hundertjährige Tradition nicht unterbrechen darf.


Für die lokale Bevölkerung, Pendler und die Besucher aus Region ist das Fest eine einzigartige und wertvolle Möglichkeit, sich mit Freunden zu treffen und den Alltag hinter sich zu lassen.


„Die Stadt Luxemburg ist so klein, dass hier nicht so viele riesige Veranstaltungen stattfinden. Umso mehr freuen wir uns jeden Sommer auf Schueberfouer", sagt Romeo, der Luxemburger mit den portugiesischen Wurzeln. Fast jeden Tag schaut er auf die Messe und trifft sich dort mit seinen Freunden, um neue Attraktionen und somit ein Stück luxemburgische traditionelle Unterhaltungskultur auf dem Programm zu haben.


Zum Original