Von Leonard Kehnscherper, dpa
London - Kalter Wind pfeift um das hohe Baugerüst am alten Sitz von Scotland Yard. Hier am Broadway Nummer 10, nur ein paar Schritte von der Westminster Abbey entfernt, hatte die Londoner Polizei fast 50 Jahre lang ihr Hauptquartier. Ihr neues Gebäude liegt am Ufer der Themse, direkt beim Parlament. Die britische Königin Elizabeth II. eröffnet es an diesem Donnerstag offiziell. Damit beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte der weltberühmten Kriminalbehörde.
Seinen Namen hat Scotland Yard, offiziell Metropolitan Police Service, vom ehemaligen Residenzhof der schottischen Könige in London. Dort befand sich 1829 die erste Polizeizentrale. Gegründet wurde sie von dem Staatssekretär Robert Peel. Dessen Spitznamen "Bobby" tragen die Londoner Polizisten noch heute.
Von Serienmord bis Terroranschlag
Unter besonders großem Erfolgsdruck standen die Gesetzeshüter schon 1888: Damals versetzte der brutale Frauenmörder Jack the Ripper das Londoner East End in Angst und Schrecken. Insgesamt fünf Prostituierten soll der Ripper die Kehle aufgeschlitzt und sie danach verstümmelt haben. Obwohl es einige Verdächtige gab, fand Scotland Yard die wahre Identität des Täters nie heraus.
"Vor der größten Herausforderung seiner Geschichte" stand Scotland Yard jedoch nach den Terroranschlägen vom 7. Juli 2005, wie der damalige Chef Ian Blair sagte. Vier sogenannte Rucksackbomber hatten in drei U-Bahn-Zügen und einem Doppeldeckerbus 52 Menschen und sich selbst getötet. Nach den Anschlägen stand Scotland Yard massiv in der Kritik: So konnten die Polizisten zunächst keinen der weiteren Verdächtigen, denen die Flucht gelungen war, fassen - erschossen aber einen unschuldigen Brasilianer. Dabei waren die Briten immer so stolz darauf, dass ihre Bobbys im Normalfall noch nicht einmal bewaffnet sind.
Stehen und Beobachten
"Stand and observe" - Stillstehen und Beobachten - so hieß auch die Anweisung, als aufgeputschte Jugendliche 2011 erst in London und dann in anderen Städten randalierten und plünderten. "Die polizeiliche Kontrolle stellen wir nicht mit dem Wasserwerfer her, sondern durch Verständigung zwischen den verschiedenen Gemeinden", erklärte Theresa May, damals Innen- und heute Premierministerin. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen in London erschien das Image Englands und seiner Hauptstadtpolizei mehr als ramponiert.
Dennoch genießt die Londoner Polizei auch international einen hervorragenden Ruf. Nach der Vergiftung des russischen Regimegegners Alexander Litwinenko verfolgten Ermittler der Londoner Kripo im Dezember 2006 auch Spuren in Moskau und Hamburg. Nach dem Tod des kenianischen Außenministers Robert Ouku 1990 wurden nach Protesten der Bevölkerung britische Ermittler ins Land geholt. Offizielle Stellen in Kenia hatten von Selbstmord gesprochen, Scotland Yard-Beamte fanden aber heraus, dass Ouku ermordet wurde - wahrscheinlich im Auftrag von Regierungsmitgliedern.
"Normale Polizisten, die ihre Arbeit machen"
"Stolz bin ich nicht auf meine Polizei, aber immerhin erschießen sie nicht ständig Leute wie in den USA", sagt Joe Collings (47) und blickt auf das ehemalige Scotland-Yard-Gebäude am Broadway 10. Der Schuster arbeitete mehrere Jahre im Schatten des 20-stöckigen 60er-Jahre-Hochhauses. "Die Geschichten von den alten Scotland-Yard-Fällen sind schon spannend, aber den Mythos halte ich für übertrieben. Das sind einfach ganz normale Polizisten, die ihre Arbeit machen", so der gebürtige Londoner.