Diesen Sommer war ich auf WG-Suche in Mannheim: Personalisierte Anschreiben, Bewerbungsgespräche und hobbypsychologische Analysen, Schleimen und blöde Fragen, der ganze Prozess bewegt sich zwischen meisterhafter Professionalität und chaotischem Studentenmief. Eigentlich ist das lustig zu beobachten, außer man sucht ein Zimmer, dann ist es eine Tortur. Ein Lichtblick ist die Geschwindigkeit. Wenn es gut läuft, dauert die Suche nur einige Tage, Strapazen und Leid sind dann intensiv, aber schnell vorbei.
Ein WG-Zimmer findet man am besten über die Plattform wg-gesucht.de. WGs mit freien Zimmern stellen sich dort vor, man selbst bewirbt sich mit einem persönlichen Anschreiben, das möglichst supertoll und knackig sein sollte. Dann hört man entweder nichts oder bekommt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, das der Jugend-Jargon zum WG-Casting erhebt. In meinem Fall habe ich dreizehn Wohngemeinschaften kontaktiert, wurde zu acht Castings eingeladen und hatte am Ende eine Zusage. Dort wohne ich jetzt. Gedauert hat das alles zehn Tage und fand einen Monat vor Einzugstermin statt. Auf dem WG-Markt geht es flott zu - und selektiv. Eine Zusage aus dreizehn Anfragen entspricht einer mageren Erfolgsquote von 8 Prozent. Das heißt, viel hilft viel. Je mehr nervige WG-Castings man fleißig absolviert, desto besser. Selbstverständlich sollte man streng vorauswählen, wen man anschreibt, doch die Anzeigen geben nur einen bescheidenen Eindruck der tatsächlichen Situation. Jedes WG-Casting ist ein Griff in die Wundertüte.
Da gab es zum Beispiel diese eine Anzeige, die sich grandios anhörte. Von Einhörnern, Kaffeeklatsch und Kochabenden war die Rede, beim WG-Besuch stellte sich jedoch das Gegenteil heraus. Spannungen dominierten den Raum, der Anzeigentext war eine Wunschvorstellung. Oder jene Wohnung in bester Lage, die sich beim Betreten als Puppenstube mit Depressionsgarantie herausstellte. [...]
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