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Interview

"Der Zorn treibt mich an"

Ein Gespräch mit Jean Ziegler, der wortgewaltig für das Recht auf Nahrung kämpft.
Erschienen im Naturkostmagazin Schrot&Korn, Heft 2/2013.

Sie schreiben, dass alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren verhungert und nennen das Mord. Warum?

Das Problem ist nicht die Produktion der Nahrung. Es ist der Zugang zu dieser Nahrung. Es sind mehrere Mechanismen, die den Menschen diesen Zugang verwehren und sie in den Hungertod treiben. Die treibende Kraft dieser Mechanismen ist die Profitgier. Deshalb nenne ich das Mord.

Wer sind die Mörder?

Ich beschreibe in meinem Buch fünf Mechanismen. Der erste ist die Herrschaft der Konzerne. 85 Prozent aller auf der Welt gehandelten Grundnahrungsmittel werden von zehn multinationalen Gesellschaften kontrolliert. Sie entscheiden jeden Tag, wer hungert und wer isst. Der zweite Mechanismus ist die Börsenspekulation auf Grundnahrungsmittel. Die Raubritter des globalisierten Finanzkapitals sind seit der Finanzkrise auf Nahrungsmittel und Rohstoffe umgestiegen und realisieren astronomische Profite.

Und das lässt die Preise steigen?

Die Spekulation beschleunigt und verstärkt die Preisanstiege. In den Slums dieser Welt, wo die Mütter kaum Geld haben, um die tägliche Nahrung zu kaufen, bedeutet die spekulationsbedingte Explosion der Grundnahrungsmittelpreise den Tod.

Es fehlen noch drei mörderische Mechanismen.

Die Agrartreibstoffe, der Landraub und das Agrardumping der Industrieländer. Sie können auf jedem afrikanischen Markt italienisches Gemüse oder deutsches Geflügel zur Hälfte des Preises von afrikanischen Inlandsprodukten kaufen. Ein paar Kilometer weiter rackert sich der afrikanische Bauer unter der brennenden Sonne zwölf Stunden am Tag ab und hat nicht die geringste Chance, auf ein Existenzminimum zu kommen.

Warum sind die europäischen Lebensmittel so billig?

Weil sie subventioniert werden, sowohl der Anbau als auch der Export. Beim Geflügel ist es vor allem die industrielle Geflügelmast, die konkurrenzlos billig ist.

Sehen Sie eine Chance, dass sich diese gemeinsame Agrarpolitik der EU ändern lässt?

Die Agrarkonzerne leisten unglaubliche Lobbyarbeit. Die sind in Brüssel massivstens präsent, mit Millionen, die für die Einflussnahme eingesetzt werden. Ich bin ziemlich pessimistisch.

Folgt man Ihrer Argumentation, begeht eine Agrarministerin, die für den Fortbestand der EU-Agrarpolitik stimmt, …

… Beihilfe zum Mord. Richtig. Aber es geht nicht darum zu sagen, der Chef von Cargill oder die Ministerin sind böse Menschen, und wir bei der UNO oder bei Schrot&Korn sind die Guten. Es geht um die strukturelle Gewalt.

Aber es sind Menschen, die diese mörderischen Strukturen nutzen. Übermannt Sie da nicht manchmal der Zorn?


Die Antwort und noch viel mehr steht im Original...