4 Abos und 4 Abonnenten
Artikel

Bolivianische Bierkultur made in Dortmund

Der Adler des Dortmunder Stadtwappens hängt gleich mehrfach in der Kneipe. Foto: Laurine Zienc

Wer durch Bolivien reist, vermisst vielleicht ab und zu ein „kühles Blondes“ aus der Heimat. In Cochabamba, im Zentrum des Landes, gibt es Rettung – im „Dortmund Bierhaus“.

Eine Panoramaaufnahme der schwarzgelben Südtribüne zieht sich die Wand entlang, auf den Tischen stehen Currywurst und Bier. Das Dortmunder Wappen - der schwarze Adler auf gelbem Grund - hängt aber nicht in einer westfälischen Kneipe, sondern im „Dortmund Bierhaus" in Cochabamba. Die viertgrößte Stadt Boliviens bietet „Paulaner Weißbier" oder „Dortmunder Kronen" aus Deutschland an.

„Die ‚typisch deutschen' Sorten sind in Südamerika so bekannt, weil sie Weißbiere sind. Weißbier wird von großen südamerikanischen Brauereien nicht hergestellt", erklärt Marcelo Oviedo. Er ist einer der vier Geschäftsführer der Bar. Der 32-Jährige zieht seine gepiercte Augenbraue hoch.

„In Bolivien gibt es nur eine große Brauerei, die alle Marken beliefert. Und diese Brauerei stellt hauptsächlich nur Pils her." Aus diesem Grund hatte er 2014 mit zunächst einem Freund die Bierhaus-Idee. Weshalb die beiden die Stadt Dortmund als Namensgeber wählten? „Mein Kollege ist verrückt nach Borussia Dortmund und wir wollten ein deutsches Konzept."

Tradition vermitteln

Also haben die beiden sich mit Nordrhein-Westfalen und der Rolle von Dortmund in der Welt der Biere beschäftigt: Die Stadt steht in Bolivien vor allem als Synonym für die deutsche Braukunst. Und die Geschichte der Biermetropole im Ruhrgebiet kann sich sehen lassen.

Im 13. Jahrhundert war die westfälische Stadt Mitglied der Hanse und somit ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für den internationalen Handel. Ihre wichtigste Ware: Bier. Mit der eigenen Sorte „Dortmunder Export" erlangte die Stadt Weltruhm.

„Es stellte sich heraus, dass Dortmund bei der industriellen Herstellung von Bier der Champion war. Es gab damals sogar typische Sorten wie das Dortmunder Bier, das sehr viel stärker und reifer schmeckt und damals echt bekannt war. Vergleichbar mit dem Pilsener heutzutage", sagt der Besitzer Oviedo.

Die Stadt war das Herzstück der Bierindustrie von ganz Europa - zumindest bis zum Ende des 19. Jahrhunderts." Vom Niedergang der Dortmunder Bierkultur redet der 32-Jährige nicht.

Deutsche Biertradition

Bis auf einige Dortmunder Elemente gibt es in der Bar kaum etwas, das auf die Industriekultur des Ruhrgebiets deutet. Durch die große Fensterscheibe hinter Oviedo strahlen die Leuchttafeln des Kinos gegenüber. Sie sind neben den Scheinwerfern der Autos die einzige Lichtquelle draußen.

Im Bierhaus selbst sind die Lichter fast grell. Unverputzte Mauern, Plastikstühle und eine Bar aus Bierkästen wirken schlicht und kühl. Urige Holzverkleidungen und Bleiglasfenster wie in einem typisch deutschen Brauhaus fehlen.

Es sei schwierig, als Bolivianer die deutsche Biertradition authentisch zu vermitteln. Deshalb holten sich Marcelo Oviedo und sein Kollege zwei deutsche Partner dazu. „Das tat uns gut, weil wir so mehr deutschen Einfluss bekommen haben. Enrique und Marcel haben einen deutschen Vater und eine bolivianische Mutter. Sie sind in Aachen geboren und kennen Dortmund", erklärt Oviedo.

Eine innige Verbindung hätten seine deutschen Geschäftspartner zur Ruhrgebietsstadt allerdings nicht. „Sie sind Bayern München-Fans. Wir denken aber, dass der Name ‚Dortmund' stärker ist und mehr für Bier steht, als es zum Beispiel ‚München' tut."

Fußball fürs Marketing

Der Fußball ist für das Bierhaus eine Marketingstrategie. An den Wänden hängen Poster von den BVB-Fußballprofis. „Dortmund ist bekannt - besonders durch den Fußball. Und Bolivien ist ein Fußballland. Wir Bolivianer schauen jedes Spiel, ob national oder international. Daher hat uns der Name Dortmund geholfen, die Bar bekanntzumachen."

Und das kommt anscheinend an. Die Cochabambinos, wie die Bewohner von Cochabamba heißen, hätten das Bierhaus mit viel Neugierde besucht. „Wir erklären, wie die Biere hergestellt werden, welche verschiedenen Sorten es gibt. Deswegen gefällt den Cochabambinos unser Konzept. Sie kannten die deutschen Biere nicht. Wohl auch, weil es keine deutschen Biere in anderen bolivianischen Bars zu kaufen gibt."

Die sozialistische Regierung habe vor einigen Jahren den Import von ausländischen Produkten erschwert. „Zum Schutz der nationalen Produkte", begründet das ein Vertreter der Bierproduzenten.

Oktoberfest in Bolivien

Oviedo und seine Kollegen reduzierten ihr Angebot an importiertem Bier. „Wir konzentrieren uns jetzt auf das deutsche Bier wie Flensburger, Erdinger und Kronen. Weil das den Gästen am besten schmeckt."

Dass das in Südamerika so bekannt ist, liege vor allem am Oktoberfest, vermutet Oviedo: „Es wird hier als eine sehr starke deutsche Tradition gesehen und es wird hier immer populärer", sagt Oviedo. Dass das bayerische Fest aber weniger mit Dortmunder Braukunst zu tun hat, ist für den Geschäftsmann Nebensache - und den Gästen auch egal. Sie freuen sich über „die größte Auswahl an Bieren, die ich in ganz Bolivien gesehen habe" und „Bier aus deutschem Weizen".

Ein Unterschied zwischen „deutsch" und „Dortmunder" scheint hier in Bolivien nicht zu existieren. Sonst würde auf der Speisekarte bald Pfefferpotthast stehen. Stattdessen setzen Oviedo und seine Kollegen auf deutsche Spezialitäten: Frikadellen, Bratwurst, Schnitzel, Currywurst. „Damit die Bolivianer wissen: Deutschland hat köstliche Biere, leckeres Essen und eine spannende Tradition."

Zum Original