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Darum leidet Deutschlands Jugend unter Kopfschmerzen

Junge Erwachsene leiden häufiger unter Kopfschmerzen. Das geht aus dem aktuellen Arztreport der Krankenkasse Barmer hervor. Fast jeder sechste 18- bis 27-Jährige ging deswegen im 2015 mindestens einmal zum Arzt.

Zwar ist die Zahl der Kopfschmerz-Patienten in fast allen Altersgruppen gestiegen. Bei den Jüngeren wuchs sie gegenüber 2005 allerdings um 42 Prozent.

Der Anstieg könne laut Christoph Straub ein Beleg dafür sein, dass der Druck auf jüngere Menschen zugenommen hat. So gebe es Hinweise aus Befragungen, dass Kopfschmerzen häufig Stressreaktionen auf Schul- und Berufsalltag sein könnten, sagt der Vorstandschef der Barmer

Insgesamt rund 1,3 Millionen der 18- bis 27-Jährigen ließen sich im Jahr 2015 mindestens einmal wegen Kopfschmerzen behandeln, rund 400.000 mehr als noch im Jahr 2005. Die Altersgruppe hält nicht nur den Spitzenplatz, es sei auch mit einer „beträchtlichen Dunkelziffer“ zu rechnen. Junge Menschen würden seltener einen Arzt aufsuchen.

„Der Alltag kann für die Patienten zur Qual werden und deren berufliche oder universitäre Existenz gefährden“, sagt Straub. Gerade junge Erwachsene bräuchten daher bessere Präventionsangebote. Hier könnten die Unternehmen helfen. 

Die Arbeitgeber könnten Führungskräfte schulen, die die Kopfschmerzleiden der Mitarbeiter im Blick haben. Zudem sollten sie passende Angebote schaffen: Entspannungstechniken und mehr Sport würden die Beschwerden lindern. Was natürlich auch älteren Arbeitnehmern helfen würde. 


Start-ups achten auf eine positive Arbeitsatmosphäre

Als vorbildlich in Sachen Stressprävention sehen sich die Lobbyisten der Start-up-Branche. Flexible Arbeitszeiten, Sofas zur Entspannung, kostenlose Säfte oder ein Feierabendbier bieten viele junge Unternehmen an. „Die Start-ups achten stärker auf eine positive Arbeitsatmosphäre“, sagt Paul Wolter, Sprecher beim Bundesverband Deutsche Start-ups.

Positiver Nebeneffekt: Die Mitarbeiter hätten weniger Stress, ihr Wohlbefinden sei größer. In manchen Firmen dürften die Mitarbeiter sogar selbst bestimmen, wie viele Urlaubstage sie sich nehmen. 

Das Thema Stress beschäftigt auch die Studienberatungen der Universitäten. Es sei vor allem der gefühlte Stress, der zunimmt, sagt Baris Ünal, Referatsleiter der Studienberatung an der TU Berlin. „Der Aufwand im Studium ist nicht wirklich gestiegen.“ Die Studierenden würden aber häufig glauben, gestresst sein zu müssen. 


Unkenntnis ist oft ein Grund für gefühlten Stress

Ein lückenloser Lebenslauf, Auslandsaufenthalte und häufige Praktika gelten in der Öffentlichkeit als erstrebenswert. An der TU Berlin können Studierende an Veranstaltungen zur Stressbewältigung teilnehmen. Dabei gehe es besonders um die Analyse des eigenen Stressempfindens. „Unkenntnis ist oft ein Grund für gefühlten Stress“, sagt Ünal.

Eine mögliche Lösung gegen Kopfschmerzen präsentiert die Barmer selbst: eine mobile App. Das kleine Programm „M-Sense“, das von der Krankenkasse gefördert wird, analysiert den Kopfschmerzverlauf von Patienten und berücksichtigt Einflussfaktoren wie Schlafdauer oder den Luftdruck. Die gesammelten Daten können dem behandelnden Arzt bei der Therapie helfen. 


Hohe Verordnungsrate von Migränemitteln

Alarmierend ist dem Report zufolge auch die Verordnungsrate von Migränemitteln. Bei den 18- bis 27-Jährigen stieg die Zahl der Rezepte von 2005 bis 2015 um mehr als die Hälfte (58 Prozent).

Über alle Altersklassen lag der Anstieg bei 9,9 Prozent. „Wir haben nichts gegen wirksame Arzneimitteltherapie“, sagt Straub. Allerdings würden manche Substanzen, dauerhaft eingenommen, neue Schmerzen verursachen. Insgesamt wuchs die Zahl der Kopfschmerz-Diagnosen seit 2005 um rund zwölf Prozent. „Kopfschmerzen sind ein echtes Volksleiden“, sagt Straub.

Rund 7,6 Millionen Deutsche haben sich 2015 mindestens einmal behandeln lassen. Das sind neun Prozent der Bevölkerung. Für den Arztbericht hat die Barmer die Diagnosen ihrer rund acht Millionen Versicherten berücksichtigt.

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