Fühlst du dich als Deutsche? Nein, sagt Antoneta. Ich mag dort geboren sein, aber ich war zu jung. Ich erinnere mich gar nicht mehr an Deutschland.
Fühlst du dich als Kosovarin? Nein, sagt Antoneta. Das mag in meinem Pass stehen, aber ich kenne den Kosovo doch gar nicht. Ich spreche nicht einmal Albanisch.
Fühlst du dich als Mazedonierin? Nein, sagt Antoneta, ich mag dort leben, aber hier will mich ja niemand haben. Ich würde alles geben, um von hier wegzukommen.
Ich bin Romni, sagt Antoneta.
Aber was heißt das?
In Europa leben Schätzungen zufolge zwischen acht und zwölf Millionen Roma. Gäbe es ein „Romanien", es hätte mehr Einwohner als Österreich. Die Sinti und Roma, so sagen Umfragen, verbinden die Deutschen tendenziell mit Kriminalität, Betteln, Wohnungslosigkeit und Nomadentum - wobei 93 Prozent keine Ahnung haben, was eigentlich der Unterschied zwischen „Sinti" und „Roma" sein soll.
Antoneta ist 20. Sie lebt in Suto Orizari, Europas größtem Roma-Viertel am Rande der mazedonischen Hauptstadt Skopje. Drei Monate lang habe ich sie dort begleitet. Um herauszufinden, wer „die Roma" eigentlich sind. Antoneta und ich sind im gleichen Land geboren, 300 Kilometer von einander entfernt: Sie in Tübingen, ich in München. Sie 1995, ich 1994.
Unsere Leben hätten parallel verlaufen können. Aber Antoneta ist Romni. Und deshalb lebt sie heute, zwanzig Jahre später, als Asylbewerberin in Mazedonien. Ohne Studium, ohne Job, ohne Perspektive. Eine Mensch gewordene Statistik: Mehr als 70 Prozent der Roma in Mazedonien sind arbeitslos, 96 Prozent schaffen es nicht an die Universität. Was ist passiert?
Eine Webreportage.
Zum Original