13 Abos und 5 Abonnenten
Artikel

Echte Schönheit durch OPs?

Viele Menschen kommen mit einer OP ihrem ästhetischen Ziel näher. [Symbolbild: pixabay]

„Die Entscheidung, mich unters Messer zu legen, zog sich bei mir über Jahre." Bella* hat sich vor kurzem die Brüste vergrößern lassen, seitdem geht es ihr besser denn je. Die 22-Jährige fühlte sich in ihrem Körper unwohl und wollte das ändern. Therapeut*innen, die sich mit dem Thema beschäftigen, glauben dagegen, es hätte auch andere Wege geben können.

Ob Social Media, Magazine oder das soziale Umfeld: Überall werden Schönheitsideale vorgelebt, die es zu erreichen gilt. Die Gesellschaft strebt nach Perfektion und damit steigt der Druck, sich zu verändern. „Ich war 15 Jahre alt, als ich zum ersten mal über eine Schönheits-OP nachgedacht habe", erzählt Bella. „Ich fand meine Brüste zu klein und wollte meine Oberweite durch Push-Up BHs kaschieren. Beim Sex mit meinem damaligen Partner trug ich oft ein Oberteil, weil ich mich so unwohl fühlte."

Das Unwohlsein im eigenen Körper tritt laut Professor Dr. Arnd Schaff geschlechterübergreifend auf. „Die Selbstoptimierung des eigenen Lebens, inklusive des eigenen Körpers, ist heute bei vielen Menschen eines der wesentlichen Lebensziele, wenn nicht sogar das Hauptziel", erklärt der Heilpraktiker für Psychotherapie. Vor etwa 30 Jahren hätten vor allem Frauen unter ihrem Aussehen und ihrer Figur gelitten. Heute würden auch zunehmend Männer unter dem Druck externer Normen leiden.

Streben nach Perfektion

Für Schaff spielen die sozialen Medien in Bezug auf den zunehmenden Wunsch der Selbstoptimierung eine wichtige Rolle: „Hier wird einem die Möglichkeit gegeben, das eigene virtuelle Leben nahezu völlig frei zu gestalten. Daraus entstehen die Erwartungen, dies auch im echten Leben zu können. Das klappt aber nicht, weil es kein Photoshop für das real-life gibt." Aus dieser Frustration heraus entscheiden sich viele junge Menschen dann für eine Schönheitsoperation.

Auch Barbara Lubisch, Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV), ist der Ansicht, dass sich junge Menschen, inspiriert von Social Media, ein ideales Körperbild konstruieren, welchem sie durch eine Schönheits-OP näher kommen wollen. Der Wunsch, den eigenen Körper zu verändern, kann jedoch auch tiefer greifende Ursachen haben. So können sich traumatische

Erlebnisse beispielsweise auf das Körperempfinden auswirken. Ebenso psychische Erkrankungen wie Dysmorphophobie, eine Körperwahrnehmungsstörung, bei der sich Betroffene zwanghaft mit dem eigenen Aussehen beschäftigen. „In solchen Fällen ist eine Psychotherapie sinnvoll und es ist wichtig, auf den Körper bezogene Achtsamkeitsarbeit zu leisten und die Körperwahrnehmung zu schulen", rät Lubisch. „Es gibt Interventionen, die das Körperbild trauma- und geschlechtersensibel im positiven Sinne stärken und aufgreifen." Auch für Schaff ist es wichtig, Betroffenen eine Anlaufstelle zu bieten.

Bella erklärt sich ihren Wunsch nach einer größeren Oberweite so: „Schönheit ist für mich das, wofür man sich entscheidet. Ich habe das für mich und für niemanden sonst getan. Bevor ich überhaupt in den sozialen Netzwerken aktiv wurde, war mein Wunsch nach einer Brustvergrößerung schon da." Anfangs riet ihr ihre Familie von der Operation ab, verurteilte sie aber nicht für ihre Entscheidung. Die gelernte Hotelfachfrau bereut den Eingriff keineswegs, auch, wenn sie dafür starke Schmerzen in Kauf nehmen musste. „Damit die Brust natürlicher aussieht, habe ich das Implantat unter den Muskel legen lassen, welcher dadurch extrem gedehnt wurde", berichtet sie. „Es waren die schlimmsten Schmerzen in meinem Leben."

Nach der Operation musste Bella für drei Wochen zu Hause bleiben, konnte nur auf dem Rücken schlafen und ohne die Hilfe ihrer Mutter nicht alleine aufstehen. Die ersten Wochen nahm sie neben den Schmerzen einen festen Sport-BH und blaue Flecke in Kauf. „Man sollte sich einen derartigen Eingriff gut überlegen und darf das nicht unterschätzen", so Bella.

Risiko der Suchtgefahr

Laut Schaff sollte ein operativer Eingriff, der rein auf ästhetischen Gründen basiert, das allerletzte Mittel sein, um ein besseres Körperempfinden zu bekommen: „Es ist risikoreich, ungewiss im Ergebnis und beseitigt darüber hinaus kein zugrundeliegendes psychisches Problem. Die Frage ist doch letztlich, warum das körperliche "So-Sein" so einen starken psychischen Schmerz verursacht, dass dafür ein großer physischer Schmerz in Kauf genommen wird.

Grundsätzlich rät Schaff nicht von Schönheitsoperationen ab. Jeder Mensch sei frei, seine Welt, inklusive des eigenen Körpers, selbst zu gestalten. Die Alternative zum operativen Eingriff sei es, die psychischen Ursachen aufzuarbeiten. „Es gilt, die ungesunden Normen zu hinterfragen und zu verändern", macht Schaff deutlich. Bella kann sich ein Leben ohne ihre neuen Brüste gar nicht mehr vorstellen. Mittlerweile hat sie sich auch ihre Lippen mit Hyaluronsäure ​ vergrößern lassen.

„Ein Freund sagte mir, dass es zu meinem Gesicht gut passen würde, da habe ich dann einmal näher darüber nachgedacht", erzählt Bella. „Dennoch übertreibe ich es nicht, kenne meine Grenzen und versuche nur zu betonen, was ich schon habe." Sie kann sich durchaus vorstellen, dass das Gefühl, sich verändert zu haben, süchtig machen kann. Deshalb wünscht sie sich einen reflektierten Umgang mit Schönheitsoperationen. „Ich weiß, wo meine Grenzen sind und werde mich nicht noch einmal aus ästhetischen Gründen unters Messer legen."

Dass Schönheitsoperationen süchtig machen können, davon ist Schaff überzeugt. Denn durch die verschiedenen Arten von Konsum, seien es Alkohol, Drogen oder Extremsport, lösen sich für eine kurze Zeit innere Spannungen und die betroffene Person fühlt sich besser. Wenn das Gefühl nachlässt, muss erneut konsumiert werden. „Dies muss aber natürlich nicht zwangsläufig so sein. Es trinken ja auch mehr Menschen Alkohol, als es Alkoholsüchtige gibt", meint Schaff. Das Gleiche gilt auch für Schönheits-Ops.

Betroffene können hier Hilfe finden: Prof. Dr. Arnd Schaff und Regine Schaff, Praxis Kunterbunt Essen (www.praxis-kunterbunt-essen.de). Mail: info@praxis-kunterbunt-essen.de. *Name von der Redaktion geändert

lizenzfreies Bild von pixabay

Zum Original